Klimaschutz ist Menschenrecht

Die Energie- und Klimawochenschau: In Bali verhandeln die Regierungen über den Klimaschutz, während im Saarland Bürger die Sache in die eigenen Hände nehmen und ein RWE-Kohlekraftwerk per Referendum ablehnen. Derweil will Schweden Windräder bauen und US-Wissenschaftler empfehlen die Verknüpfung von Windparks, damit diese zur Grundlast beitragen können

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Seit gestern wird auf der indonesischen Insel Bali über internationalen Klimaschutz verhandelt. Regierungsdelegationen aus fast 190 Ländern haben sich zur alljährlichen UN-Klimakonferenz versammelt. Diesmal geht es allerdings um die Wurst: In Bali soll ein Mandat verabschiedet werden, dass Zeitplan und inhaltliche Eckpunkte für Verhandlungen über ein Kyoto-Folgeabkommen absteckt. Die Zeit drängt: Das Kyoto-Protokoll, jene Ergänzung zur Klimarahmenkonvention, die verbindliche Treibhausgasminerdungsziele für die schlimmsten Verschmutzer, die Industriestaaten, vorsieht, läuft bereits Ende 2012 aus (Globaler Klimaschutz - was geht auf Bali?).

Ersatz muss also schleunigst her, und zwar möglichst einer, der ehrgeizigere Ziele vorsieht, als die sehr bescheidenen durchschnittlichen -5,2 Prozent des Kyoto-Protokolls. Seit Montag sind die Aussichten dafür ein bisschen besser: In Bali gab es lang anhaltenden Beifall, nachdem bekannt wurde, dass Australiens neuer Premierminister unmittelbar nach Ablegen seines Amtseides endlich das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Damit sind die USA das letzte große Industrieland, das nicht Mitglied des Klimaschutzvertrages ist.

Klimawandel und Menschenrechte

Auf der Konferenz in Bali werden die kleinen Inselstaaten, wie schon seit vielen Jahren, zu den eifrigsten Mahnern gehören. Bereist 1995 hatten sie die erste Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Berlin dadurch gerettet, in dem sie mit einem Entwurf eines Protokolls eine formelle Verhandlungsgrundlage schufen. Eigentlich war das Aufgabe der damaligen Bundesregierung – Umweltministerin war seinerzeit Angela Merkel – gewesen, doch die hatte sich auf keinen Entwurf einigen können. Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrsministerium hatten ein entsprechendes Dokument des Umweltministeriums blockiert.

Die Inselstaaten haben sich in der Association of Small Island States (AOSIS) zusammengeschlossen. Mit Ausnahme von Singapur und Malta gehören die meisten von ihnen zu den Entwicklungsländern, da sie meist aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit und vor allem aufgrund der geringen Bevölkerungszahl und schwierigen geografischen Problemen ohnehin schon enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Hinzu kommen nun die Gefahren des Klimawandels: Die Inseln sind durch den ansteigenden Meeresspiegel (derzeit drei Millimeter pro Jahr, Tendenz allerdings steigend) und intensivere Stürme bedroht. Niedrig liegende Inseln könnten ganz verschwinden. Schon zuvor droht vielen Unbewohnbarkeit, wenn Meerwasser in die Trinkwasserreservoirs eindringt.

Daher hat die Vereinigung der Small Island Developing States (SDIC), der fast alle AOSIS-Mitglieder angehören, auf ihrem Gipfel in der maledivischen Hauptstadt Male am 13. und 14. November eine Erklärung verabschiedet, in der die UNO aufgefordert wird, den Klimawandel zur Menschenrechtsfrage zu machen. Die UN-Klimakonferenzen sollen auch den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechtsfragen (UNHCHR) einbeziehen. Das UNHCHR-Büro wird gebeten, „eine detaillierte Studie der Auswirkungen des Klimawandels auf den vollen Genuss der Menschenrechte“ zu erarbeiten, die auf der Tagung des UN-Menschenrechtsrates im März 2009 diskutiert werden könnte.

Das hört sich vermutlich etwas bürokratisch an. Doch immerhin wäre damit, wenn sich diese Forderung denn durchsetzen kann, erstmals formal in den internationalen Verhandlungsprozess eingeführt, dass der Klimawandel massiv die Grundrechte vieler Menschen verletzt, und sich also die Verursacher dafür verantworten müssen.

Daneben enthält die Male-Erklärung einen weiteren, für den Fortgang der Verhandlungen wichtigen Punkt. Bisher wird in der UN-Klimarahmenkonvention nur allgemein festgehalten, dass „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen (ist), auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird.“ Jedoch ist noch nicht verbindlich formuliert, was eine „gefährliche Störung“ ist, auf welchem Niveau also Klimawandel und Treibhausgasemissionen jeweils gestoppt werden müssten. Die EU-Regierungen vertreten seit einiger Zeit, dass diese Grenze, die nicht überschritten werden darf, bei zwei Grad Celsius global gemittelter Erwärmung gegenüber den vorindustriellen Zuständen, liegen sollte.

Die SDIC gehen nun einen Schritt weiter, indem sie fordern, dass die atmosphärische Treibhausgaskonzentration unterhalb von 450 Millionstel Volumenanteilen (parts per million, ppm) stabilisiert werden muss, damit die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius („well below 2°C“) beschränkt werden kann. Würde diese Zielsetzung in das Verhandlungsmandat aufgenommen, dann wäre der Verhandlungsprozess einen großen Schritt weitergekommen.

Die angegebenen Werte für Treibhausgas-Konzentrationen beziehen sich sowohl auf den „Haupttäter“ Kohlendioxid (CO2), als auch auf die anderen Treibhausgase, die jeweils in CO2-Äquivalente umgerechnet werden. Derzeit beträgt die CO2-Konzentration 381 ppm; die anderen Treibhausgase sowie die kühlenden Effekte von Sulfat-Partikeln und ähnlichem eingerechnet, befinden wir uns derzeit bei 375 ppm CO2-Äquivalenten.

Windparks verknüpfen

Der Weg zum Klimaschutz führt ohne Frage über die Energiepolitik. Derzeit stammen immerhin ein Drittel aller CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken und zahlreiche Länder planen den Bau neuer Anlagen. Besonders viele Vorhaben liegen in China, den USA, Indien und der Bundesrepublik in den Schubladen. Allerdings gibt es zumindest in den USA und hierzulande wachsenden Widerstand aus der betroffenen Bevölkerung. Letzte Woche haben im saarländischen Ensdorf 70 Prozent der Wähler in einem Bürgerentscheid gegen ein neues Kohlekraftwerk gestimmt. Damit muss RWE seine Pläne für eine 1600 Megawatt-Anlage aufgeben.

Zum Glück stehen die Alternativen bereit. Eine davon ist die Windenergie, die freilich nur bedingt Grundlast geeignet ist und daher mit Speichermöglichkeiten und anderen regenerativen Erzeugern kombiniert werden muss. Eine Möglichkeit ist langfristig die Solarthermie, wie es der Club of Rome vorschlägt (siehe Apollo 2.0). Eine andere Variante, mit dem Problem der Unstetigkeit des Windes umzugehen, wäre die Verknüpfung verschiedener Windparks. US-Meteorologen haben anhand von stündlichen Winddaten von 19 verschiedenen, für Windstrom geeigneten Orten im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten untersucht, wie sehr die Stromproduktion zu verstetigen wäre. Ihr Ergebnis: 33 bis 47 Prozent der durchschnittlichen Leistung der Windfarmen könnte als Grundlast eingesetzt werden, wenn mindestens zehn Windparks mit einander verbunden würden.

Das könnte auch für die in Nord- und Ostsee geplanten Offshore-Parks von Interesse sein. In Schweden schlug dieser Tage eine Regierungskommission vor, den Anteil der Windenergie an der Stromversorgung massiv auszubauen. 30 Terawattstunden (30 Milliarden Kilowattstunden) sollen bis 2020 jährlich aus Anlagen entlang der langen Küste gewonnen werden. Das entspricht in etwa der derzeitigen deutschen Windstrommenge. Obwohl weit hinter Deutschland in der Entwicklung der Windenergie zurückliegend, verfügt das Land bereits über erste Offshore-Windparks. Hierzulande wartet die Branche hingegen immer noch, dass der seit längerem angekündigte große Bauboom vor den Küsten endlich beginnt. Hohe Stahlpreise und andere Hindernisse stehen dem bisher entgegen, obwohl die ersten Parks schon 2001 genehmigt wurden. Derzeit hoffen die potenziellen Betreiber auf eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, mit dem die Vergütung für Offshore-Windstrom heraufgesetzt werden soll.

Manchmal ist allerdings die größte „Energiequelle“ einfach sparen. Wenn China für seine im Lande hergestellten Kühlschränke und Klimageräte die in Westeuropa üblichen Effizienzstandards durchsetzen würde, meint Fatih Birol, Chef-Volkswirt der Internationalen Energieagentur in Paris, dann könnte es ab 2015 etwa die Stromproduktion des Drei-Schluchten-Staudamms einsparen.

Mehr Regen

Einen wirklichen Überblick über den Zustand des Klimasystems zu bekommen, ist für die Wissenschaftler oft schwieriger, als sich der Laie das vorstellen mag. So gibt es erst seit diesem Frühjahr eine längere Zeitreihe der Meeresströmungen im Nordatlantik, die den Ozeanographen Auskunft über die natürliche Schwankungsbreite des Golfstroms gibt – die erheblich größer als erwartet ist.

Ähnliches gilt für den globalen Niederschlag. Längere Zeitreihen liegen nur von Landstationen vor. Erst Ende der 1970er Jahre, mit dem Beginn des Satellitenzeitalters, wurde eine flächendeckende Messung möglich. Seit dem sind Wissenschaftler vieler Fachrichtungen damit beschäftigt, aus den Satellitendaten die verschiedensten Informationen zu extrahieren. Seit kurzem liegt nun ein Datensatz vor, der Niederschlagsmessungen für den ganzen Globus zusammenfasst, sowohl aus Satellitenmessungen als auch aus den herkömmlichen Niederschlagsmessern der Meteorologen.

Eine Gruppe von Wissenschaftlern am Goddard Center der NASA hat diese Daten kürzlich analysiert. Dabei fanden sie heraus, dass es in den 27 Jahren von 1979 bis 2005 global zwar kaum Veränderungen gegeben hat, aber in den Tropen sehr wohl eine deutliche Zunahme zu verzeichnen ist. Allerdings fällt der meiste zusätzliche Niederschlag über den Ozeanen, oder da, wo es ohnehin schon keinen Mangel an feuchtem Nass gibt: In den Küstenregionen Bangladeshs zum Beispiel, die immer wieder von verheerenden tropischen Zyklonen – vergleichbar mit den Hurrikanen der Karibik – heimgesucht werden. Für Robert F. Adler, einem der Meteorologen, die die Studie durchführten ist ein wärmeres Klima die wahrscheinlichste Erklärung. Er arbeitet nun an einer detaillierten Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Oberflächentemperatur und Niederschlag.

Abweichung der tropischen Niederschläge vom langjährigen Mittel. Aus den Daten wurden die Effekte von Vulkanausbrüchen und El-Nino-Ereignissen herausgerechnet. Dadurch tritt der Trend deutlicher zutage. Grafik: Guojun Gu, NASA

Auffällig ist, dass die feuchtesten Jahre der letzten 27 Jahre alle erst kürzlich aufgetreten sind. Das bisher niederschlagsreichste Jahr war 2005, gefolgt von 2004, 1998, 2003 und 2002.

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