Köhler wiedergewählt

Der alte und neue Bundespräsident erreichte bereits im ersten Wahlgang exakt die nötige Mehrheit von 613 Stimmen

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Neben den 604 Parteigängern von Union und FDP stimmten wahrscheinlich alle oder fast alle 10 Freien Wähler für Köhler. Deren Chef Hubert Aiwanger hatte diese Verpflichtung gegen den Willen der Europawahl-Spitzenkandidatin Gabriele Pauli durchgesetzt, um so die "Verlässlichkeit" seiner Gruppierung zu beweisen, woraufhin Pauli ihren Delegiertenplatz geräumt hatte.

Möglich ist aber auch, dass Versammlungsteilnehmer anderer Parteien in der geheimen Wahl für Köhler votierten: Bereits Anfang Mai wurden Gerüchte laut, dass die SPD-Bundestagsabgeordneten Gunter Weißgerber und Rainer Fornahl sowie die Grüne Ursula Eid nicht für Schwan stimmen wollten.

Allerdings könnten sich solche Abweichler nicht nur für Köhler entschieden haben, sondern auch für den Fernsehkommissar Peter Sodann, den Kandidaten der Linken, der sich unter anderem mit einer Bücherrettungsaktion zivilgesellschaftliche Verdienste erworben hatte und mit insgesamt 91 zwei Stimmen mehr bekam als seine Partei Wahlmänner hatte. Die von der SPD nominierte Gesine Schwan erhielt dagegen mit 503 Stimmen weniger als erwartet. Dafür gab es 10 Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen.

Der vierte Kandidat, der von NPD und DVU nominierte Liedermacher Frank Rennicke, der (anders als der Heimatvertriebene Köhler) Probleme mit der Akzeptanz der Oder-Neiße-Grenze äußerte, bekam erwartungsgemäß die vier Stimmen der Wahlmänner dieser beiden Parteien.

Die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählte, bestand aus allen Bundestagsabgeordnete und der gleichen Anzahl von Wahlmännern, die von den Parteien aus den Länderparlamenten entsandt wurden. Letztere waren nicht nur Abgeordnete, sondern häufig auch Prominente, mit denen die Parteien Werbung für sich machen wollten.

Trotzdem trat die Bundesversammlung im Bundestagsplenarsaal zusammen. Dort wurden alle fest installierten Stühle abmontiert und durch andere ersetzt. Am Sonntag wird der Umbau wieder rückgängig gemacht. Zu den Kosten dieser Maßnahme schwieg man bisher: Selbst die Installateure, Elektriker und Möbelpacker hatten gegenüber Journalisten Redeverbot bekommen.

Sowohl Horst Köhler als auch Gesine Schwan hatten während des "Wahlkampfes" mit Vorschlägen auf sich aufmerksam gemacht, bei denen ihre Parteien keinerlei Anstalten machten, sie aufzugreifen - was wiederum vor Augen führte, dass der Posten trotz des Aufhebens, das darum gemacht wurde, fast ausschließlich ein Repräsentationsamt ist.

Köhler, der als IWF-Direktor am argentinischen Staatsbankrott von 2002 möglicherweise nicht ganz unschuldig war, forderte (ganz im Unterschied zu seiner vor 2008 an den Tag gelegten Rhetorik), einen starken Staat, der dem Markt Regeln geben und diese auch durchsetze solle. Zudem propagierte er mehr Wählereinfluss auf die Parteienlisten.

Schwan reagierte auf Köhlers Rhetorik in der Bundespressekonferenz mit der Feststellung einer "Kulturkrise", die in allen Gesellschaftsbereichen zu "struktureller Verantwortungslosigkeit" geführt habe. Am 3. Mai regte sie im Berliner Kurier am Sonntag einen "runden Tisch" an, bei dem die Schuldigen an der Finanzkrise ermittelt werden sollten. Zudem sollte dort auch über "Wiedergutmachung" debattiert werden, denn, so die SPD-Kandidatin, "die Bürger dürfen nicht das Gefühl haben, dass sich diese Leute jetzt einfach davon machen können".

Nötig, so Schwan, sei eine Aufarbeitung der Krisenursachen aber auch, damit sich in der Zukunft nicht erneut Spekulationsblasen bilden würden. Die allerdings gibt es mindestens seit der Tulpen-Hausse im 17. Jahrhundert - ohne das bisher Maßnahmen getroffen worden wären, welche sie verhindert hätten.