Kohleverbrennung: Ausstiegsszenario bis 2030

In absehbarer Zeit Geschichte: Kohlebagger in der Lausitz. Foto: Z thomas / CC-BY-3.0

Umweltministerin Schulze meint, der fossile Energieträger sei wegen des neuen EU-Klimaschutzziels bald nicht mehr wettbewerbsfähig

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält ihn für möglich - der CDU-Chef und frisch gebackene Kanzlerkandidat Armin Laschet glaubt nicht an ihn: Die Rede ist vom Kohleausstieg bis zum Jahr 2030. Am Dienstag sagte Schulze bei einer virtuellen "Debate-Energy-Konferenz" des Tagesspiegels: "Der Kohleausstieg wird schneller kommen als bisher vorgesehen". Als Grund nannte sie das gerade angehobene EU-Klimaziel. Ausgehandelt wurde zwischen EU-Staaten und Parlament, dass die EU bis 2030 ihren CO2-Ausstoß um 55 Prozent senken soll - allerdings im Vergleich zu 1990 - um dann bis 2050 klimaneutral zu werden.

Die neue Zielsetzung führe zu höheren Preisen für CO2-Zertifikate, wodurch der Kohlestrom "aus dem Markt gedrängt" werde, so Schulze. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet hält dagegen einen früheren Ausstieg aus der Braunkohle für schwer machbar. "Im Osten, in der Lausitz gibt es Gebiete, wo man die Energieform der Braunkohle noch ein paar Jahre länger braucht", sagte er am Dienstag im ZDF.

In der Lausitz sieht es momentan nicht gut aus für den Energiekonzern Leag: Die Förderung von Braunkohle wird zunehmend unwirtschaftlich. Das liegt an den momentan niedrigen Strompreisen und den hohen Kosten für den Ausstoß von Kohlendioxid, hatte Felix Müsgens von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) gesagt. "Da verdienen sie im Moment noch ein bisschen, aber sie haben zunehmend Schwierigkeiten die Personalkosten zu decken und die Instandhaltungs- und Wartungskosten der Kraftwerke und die sonstigen Fixkosten der Tagebau zu decken."

Leag lässt 340 Millionen Tonnen in der Erde

Kürzlich hatte das Unternehmen dem Braunkohleausschuss des Brandenburger Landtags ein verändertes Revierkonzept für die Lausitz vorgestellt. Die Leag beabsichtigt nun, rund 340 Millionen Tonnen Braunkohle in der Erde zu lassen. Auf den Tagebau Welzow-Süd wird verzichtet und der Ort Proschim wird nicht abgebaggert. In der Region will das Unternehmen aber immer noch rund 900 Millionen Tonne abbauen. René Schuster, Bundesvorsitzender der parteiunabhängigen Grünen Liga, ist mit dem neuen Revierkonzept nicht einverstanden. Gegenüber Telepolis erklärte er, sein Verband gehe davon aus, dass der neue Plan schon am Tag seiner Verkündung überholt war. Es müsse mehr Kohle im Boden bleiben als bislang vorgesehen.

Gefragt, ob die höheren Preise für Kohlendioxid auch ein vorzeitiges Aus für die Kraftwerke in der Lausitz bedeuten könnten, sagte Schuster: Es sei gut vorstellbar; aber das müsse nicht die Blöcke betreffen, die bisher für einen Betrieb bis 2038 vorgesehen seien. "Für eine kurzfristige Stilllegung wegen zu hoher CO2-Preise kämen wohl vor allem die aus der DDR-Zeit stammenden Kraftwerksblöcke in Jänschwalde und Boxberg (dort die Blöcke N und P) in Frage." Denen ermögliche das Kohleausstiegsgesetz einen Betrieb bis 2028 beziehungsweise 2029. Das entspreche praktisch der Planung des Leag-Vorgängers Vattenfall, so Schuster.

Gegen einen vorzeitigen Kohleausstieg stemmt sich in der Region die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Deren Cottbuser Bezirksleiterin Ute Liebsch fürchtet einen "Strukturbruch" in der Region. Sollte der Kohleausstieg eher kommen als geplant, dann werde das Angst und Wut verbreiten.

Die wirtschaftlichen Probleme der Leag könnten allerdings kaum weiter zunehmen. Einige Regionalversorger haben sich jetzt an die EU-Kommission gewandt. Denn das Kohleausstiegsgesetz sieht eine Zahlung von rund 4,3 Milliarden Euro an die drei Kohlekonzerne RWE, Leag und Mibrag vor. Die Regionalversorger sehen darin eine Wettbewerbsverzerrung und fordern die EU-Kommission auf, die Zahlungen zu stoppen.

Sollte die EU-Kommission diese Zahlungen billigen, so drohen die Regionalversorger mit Klagen. Nach ihrer Auffassung hat die Zahlung von 2,6 Milliarden Euro an RWE den Konzern zusätzlich gestärkt und damit den Wettbewerb verzerrt. Skepsis hatte die EU-Kommission schon vorher angemeldet. Im März hatte die Behörde eine Untersuchung eingeleitet, ob die Entschädigungen mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen.

Schuster wies gegenüber Telepolis einmal mehr auf die Rückstellungen für die Renaturierung der Tagebaue hin. Bei diesem Thema hätten die Landesregierungen in Potsdam und Dresden bis fünf vor zwölf tief geschlafen. "Und der Leag dann noch Zeit bis fünf nach zwölf gelassen, statt sofort Sicherheitsleistungen anzuordnen."

Jetzt gebe es Zweckgesellschaften, doch die Leag müsse nur "aus dem laufenden positiven Cash Flow" einzahlen. "Nur hat sie jetzt nichts mehr übrig", sagte Schuster. Es deute deshalb alles darauf hin, dass die Steuerpflichtigen am Ende für die Kosten der Renaturierung aufkommen müssten. Deshalb fordert Schuster: "Die Verantwortung der Bergämter und Ministerien für diesen Zustand muss dringend aufgearbeitet werden."

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