Kommt das Ende der Internet-Magazine?

Das World Wide Web wächst, aber wächst deswegen auch der Bedarf an Internet-Magazinen?

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Inzwischen schätzen Studien des NEC Research Institute das Web auf ein Gesamtvolumen von 320 Millionen Seiten. Und Suchmaschinen scheinen gerade noch knapp 30 Prozent davon zu finden. Bei einem vermuteten Wachstum dieses digitalen Infobergs von 1000 Prozent bis zum Jahr 2000 wird in wenigen Monaten angesichts dieser Massen jeder noch so fleißige Robot mit leeren Festplatten dastehen. Es läßt sich scheinbar an den fünf Fingern, die auf einer Computermaus liegen, ein steigender Bedarf an Hurr-Blättern und Web-Programmzweitschriften abzählen.

Ähnlich dem stark umkämpften Marktsegment von TV-Programmzeitschriften müßte eigentlich ein gigantischer Markt für die Surfer entstehen, die ihr Online-Budget lieber in mehrere Print-Scouts anlegen, anstatt stundenlang sinnlos in der Gegend herumzusurfen. Zeitungskioske müßten überquellen vor Titeln, die das " @" nur so vor sich her tragen. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Denn die Internetszene wird alltäglich. Online zu sein ist inzwischen ähnlich abenteuerlich wie der Gang zum Waschsalon. Die Konsequenz könnte ein langsam einsetzender Titelschwund sein.

Zum einen soll "TV Today Online + Computer" , das bald "Online Today" heißen soll, von der zweimonatigen Erscheinunsgweise auf monatliche Ausgaben umstellen. Und auch TV MOVIE glänzte mit einem einmaligen Online-Sonderheft, das nach der sehr engagierten Nullnummer, die der Bauer'schen Vorsicht zum Opfer fiel und deutlich tiefergelegt doch noch auf den Markt kam. Tröstlicherweise hat Konr@d, ebenfalls nur als Sonderheft zur Funkausstellung geplant, inzwischen monatlich dieses Segment belegt. Ein deutsches Wired ist es nicht. Aber zumindest wird der Anfang als vielversprechend gesehen.

Dabei ist das inzwischen sattsam bekannte "@" im Namen ein Unglücksbote für Print-Magazine. Sei es nun das zuerst hochgelobte, dann vom Ziff Verlag einfach umgeschraubte pl@net oder die Prolausgabe in der Form von "pizz@"... Die deutsche Ausgabe von Wired kam als Joint Venture zwischen G+J und dem Spiegel Verlag nie auf den Markt. Und die Bunte Online mit allein drei Druckfehlern in den Namen der 10 wichtigsten Online-Persönlichkeiten war mehr als halbherzig produziert und daher der Lacher des Jahres 1997.

Die Erkenntnis daraus: Blätter, die den reinen Glauben an das Internet als seligmachende Instanz predigen, gehen scheinbar hurtig und leise den Bach hinunter. Aber auch reine Verzeichnisse und Update-Sammlungen langweilen Leser schnell. Schließlich bietet Ihnen das Web täglich z.B. über www.web.de eine Menge von diesen Link-Tips.

Geblieben ist aber von pl@net ein an professionelle Web-Produzenten gerichtetes Blatt mit dem programmatischen Namen "Internet Professionell". Die wilde Welt des Webs konzentriert sich hier auf Editoren-Tests und die neuesten Tricks, den eigenen Server auch noch Kaffee kochen zu lassen. Dessen Konkurrent belegt einen international mehrfach genutzten Titel "Internet World" und wendet sich an eine Zielgruppe, die irgendwo zwischen Webmaster und Online-Marketing-Wizard liegt. Bei beiden Blättern ist man frohen Mutes.

"Internet-World"-Autor Frank Puscher ist zum Beispiel der Meinung, daß Blätter wie "pizz@" das Thema Internet zu einseitig ausgebeutet hätten und es nicht schafften, "den Wandel des Webs hin zur Alltagskultur auch in ihren eigenen Seiten zu integrieren." Das eigene Blatt könne aber weiter existieren, weil es zu geringem Preis netzrelevante Themen kondensiere. Und: "Insbesondere das Thema Produktion wird immer wichtiger, weil verschiedene Geräte (Telefon, Fernseher, Handies) aufs Netz zugreifen und adäquat bedient werden wollen. Die Papiervariante hat ihre Berechtigung, weil sie besser im Zug gelesen werden kann als die Online-Variante." Die Blätter mit technischen Inhalten scheinen sich also aus dem Wandel des Hypes hin zum Alltagsgeschäft gerettet zu haben. Ein eher im Marketing-Bereich positioniertes Blatt wie "Global Online" vom Münchner IDG-Verlag hat inzwischen nur noch eine Gnadenfrist und steht kurz vor dem Aus. "insight Kommunikation" versucht sich seit drei Ausgaben mit einem neuen Design. Mal sehen.

Damit liegen deutsche Zeitschriften durchaus im Trend. Glaubt man Beobachtungen von CNN interactive, dann gehören Net-Magazines zu den '97 Misses. Auf dem US-Markt sind Consumer-Magazine über das Web deutlich auf dem Rückzug ... und daß Wired immer noch rote Zahlen schreibt, mag man inzwischen nicht mehr nur dem immanenten Chaos zuschreiben.

Es kristallisiert sich heraus: Je mehr das Web wirklich Bestandteil des täglichen Lebens wird, desto weniger sind Zeitschriften interessant, die dieses Alltagsmedium noch als besondere Herausforderung oder gar neue Seligkeit verkaufen. Niemand liest Zeitschriften über Waschmaschinen, TV-Antennen oder Teddybären.

Auf der anderen Seite haben in einem expansiven Medium solche Blätter eine klare Marktchance, die sich auf die Bedürfnisse ihrer Macher einschießen. Profi-Blätter, die für Laien unnütze Information liefern, haben gerade deshalb eine Chance, weil sie sich auf Nischenplätze konzentrieren.

Was wird wohl aber aus den Straßenblättern werden, wenn die Medien immer mehr zusammenwachsen und im Internet ein neues Hypermedium bilden? Die neue deutsche Cyberwelt will nicht so recht in Schwung kommen. Abseits einer eher in Silicon Valley beheimateten Techno-Verliebtheit, die mitunter recht bunte Blüten erzeugen kann, bleibt die ernüchternde Frage nach dem Nutzen, wenn heute jemand für das Web begeistert werden soll. Silbern angemalten Mädels wie in Konr@d fehlt angesichts der sich etablierenden Alltags-Struktur des Webs langsam die argumentative Kraft.

Vielleicht ist diese Ausdünnung analog mit der Hilfe eines anderen Beispiel zu verstehen: Daß es schön ist, mit anderen zu telefonieren und insgesamt 800 Millionen Menschen in aller Welt an den Hörer bekommen zu können , hat sich ebenfalls bereits kulturell etabliert. Darüber eine Zeitschrift auf den Markt zu bringen, würde wohl kaum Chancen haben. Allerdings haben sich feste Publikations-Strukturen entwickelt, die Telefonbücher, Fachzeitschriften für Telekommunikation und auch Artikel über neue Telefon-Services erzeugen. Das war es. Und das reicht auch. Ähnlich wird es sich wohl in wenigen Monaten mit dem Web verhalten.