Kontakt mit der Jugend hält jung und fit

Dass Einsamkeit alt und krank macht, ist Psychologen nichts neues. An Fruchtfliegen sind Forscher jetzt der Erkenntnis näher gekommen, worauf der Effekt beruht

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Wenn man sich im Sommer seine Biomülltonne näher betrachtet, wünscht man den ihr entweichenden Heerscharen von Fruchtfliegen eigentlich nur eines: eine möglichst kurze Lebensspanne. Nun könnte man versuchen, die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft dafür zu nutzen - und die lauten zum Beispiel: die Tiere sterben schneller, wenn sie ihre sozialen Kontakte verlieren. Das ist in der Biomülltonne kaum unter kontrollierten Bedingungen umzusetzen, im Labor schon, wie jetzt Hongyu Ruan und Chun-Fang Wu von der University of Illinois in einem Beitrag für die Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) zeigen.

Die Biologen haben einen Fruchtfliegenstamm gezüchtet, dem kein langes Leben beschieden ist - und haben die einem frühen Tod geweihten Insekten nun unterschiedlichster Gesellschaft ausgesetzt. Wenn sich männliche Fruchtfliegen in länger lebender männlicher Begleitung befanden, verdoppelte sich ihre Lebenserwartung glatt. Dazu genügte es, dass eine einzige längerlebige Fliege ein gutes Beispiel gab. Die Forscher schlossen dabei aus, dass es etwa zu biochemischen Übertragungen von den gesunden Tieren gekommen war - allein deren Präsenz übte offenbar derart positive Effekte aus. Genau genommen war nicht allein die Präsenz entscheidend.

Tatsächlich mussten die freundlichen Helfer schon zu motorischem Verhalten fähig sein. Das testeten die Forscher, indem sie den Versuchstieren zunächst die Flügel entfernten, die für einen Teil des sozialen Repertoires der Drosophila nötig sind. Schließlich (Leser unter 18 Jahren bitte erst beim nächsten Absatz weiterlesen) entfernten die beharrlichen Wissenschaftler den eigentlich gesunden Probanden sogar die Köpfe, um sie (zur Vermeidung von Dehydrierung) danach mit Vaseline wieder aufzukleben.

Derart behandelte Fruchtfliegen sind, bevor sie nach zwei bis drei Tagen zusammenbrechen, noch immer zu Reflexverhalten fähig: Sie stehen zwar bewegungslos, können aber mit den Füßen treten und mit den Flügeln schlagen. Soziale Interaktion musste dann aber stets von den kurzlebigen Tieren ausgehen - die unter diesen Bedingungen auch kaum länger lebten als ganz ohne Gesellschaft. Nicht entscheidend war hingegen, ob die Helfertiere riechen, sehen oder hören konnten.

Ähnliche, aber nicht ganz so starke Effekte zeigten sich für weibliche Fruchtfliegen. Gemischte Gemeinschaften schlossen die Forscher aus. Interessanterweise lebten die Insekten aber nur länger, wenn ihnen vergleichsweise junge Kollegen Gesellschaft leisteten: Das Beisammensein mit alten langlebigen Fruchtfliegen hatte keine positiven Auswirkungen. Selbst, wenn die Forscher fortlaufend junge (wenn auch kurzlebige) Fliegen zuführten, konnten sie damit das Leben der Insassen noch verlängern.

Nun sollte man nicht versucht sein, gerade den letzten Teil des Versuchs auf menschliche Altersheime zu beziehen. Die eigentliche Parallele besteht nämlich darin, wie die Forscher die mutierten Fruchtfliegen zu einem verfrühten Tod verdammt hatten: Sie hatten ihnen das Gen entzogen, das für die Produktion von Kupfer-Zink-Superoxid-Dismutase verantwortlich ist.

Dieses Enzym ist dafür zuständig, aggressive Sauerstoffverbindungen (Hyperoxide) im Körper abzubauen. Spannenderweise schreibt man Superoxiddismutase beziehungsweise dessen Fehlen auch bei diversen altersabhängigen neurodegenerativen Krankheiten des Menschen eine wichtige Rolle zu - die Autoren nennen hier explizit Parkinson, Chorea Huntington und Alzheimer sowie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Wenn die Lebensspanne der ähnlich eingeschränkten Fruchtfliegen derart plastisch auf soziale Kontakte reagiert, ist ein Rückschluss auf den Menschen zumindest eine Überlegung wert.