Kontamination in Zukunft einsparen

Arbeiten am Reaktor 1 von Fukushima. Bild: Tepco

Die Energie und Klimawochenschau: Beginn der Dekontamination in Japan, Energieeffizienz statt Atomkraft in Frankreich und Windstrom wird Hauptsäule der Energieversorgung

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In Japan beginnt nun der Versuch, die Region um Fukushima oberflächlich zu dekontaminieren. Die Regierung hat den Start der Arbeiten in Auftrag gegeben. Die Kosten werden, natürlich, nicht von den Kernkraftwerksbetreibern getragen, sondern vom japanischen Umweltministerium, also den Steuerzahlern. Damit die Aufgabe irgendwie überschaubar bleibt, wurden zudem die offiziell von Kontamination betroffenen Flächen reduziert.

So wurde die Evakuierungsbereitschaft für fünf Gemeinden im Umkreis von 30 km um die zerstörten Reaktoren aufgehoben. Begründung: die Strahlung liege dort unter 20 Millisievert pro Jahr. Öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser werden deshalb wieder geöffnet. In den weiterhin über den Grenzwerten kontaminierten Zone soll aber eine oberflächliche Reinigung stattfinden und zwar überall dort, wo die Strahlung über 5 Millisievert pro Jahr oder 1 Mikrosievert pro Stunde liegt, darunter sei "der Effekt" nicht groß genug wie ein Sprecher des Umweltministeriums erklärte.

Doch auch nach dieser Reduktion der zu reinigenden Fläche per Grenzwert ist das Areal immer noch drei mal so groß wie Tokio. Die Kosten dafür werden zunächst auf 4,3 Mrd. Euro geschätzt - nach oben hin offen. Die Idee dabei: durch Entfernen der obersten Erdschichten und Reinigen von Bauteiloberflächen sollen Siedlungsgebiete, in denen seit der Fukushima-Reaktorkatastrohe radioaktive Partikel niedergingen, wieder bewohnbar werden.

Das so entfernte Material soll dann an zentralen Orten gelagert werden. Für die erste Stufe wird mit einem Materialanfall von 29 Mio. Kubikmetern gerechnet. Die Reinigungsmethoden klingen simpel, aber es gibt keine Alternativen. Wände und Bauteiloberflächen etwa werden mit Hochdruckreinigern abgewaschen. Von Straßenbelägen soll die oberste Schicht abgefräst werden. Organisches Oberflächenmaterial wie Gras und Laub soll eingesammelt werden und dort, wo der Boden unbedeckt ist, sollen die obersten fünf Zentimeter Erdschicht, die das meiste Cäsium enthalten per Schaufel abgehoben und entfernt werden.

In Waldgebieten, die 70 Prozent der projektierten Fläche ausmachen, soll nur das Laub eingesammelt und die Bäume beschnitten werden. In Fukushima selbst sollen 110.000 Häuser, die in radioaktiven Hotspots liegen, durch beauftragte Firmen gereinigt werden, die übrigen Gebäude und Flächen sollen in einer Art Bürgerselbsthilfe die Bewohner selbst bearbeiten. Der Verein "Radiation Safety Forum" hat diese Methoden in der Provinz Fukushima bereits testweise angewandt. Wie effektiv das Ganze sein wird, ist noch ungewiss, ganz zu schweigen von der sicheren Einlagerung der dabei anfallenden Oberflächenmaterialien.

Für das anfallende Oberflächenmaterial gibt es noch kein Lagerkonzept. Vielmehr soll es vorerst an zentralen Sammelplätzen auf Halden gelagert werden, ob danach eine Umlagerung unter Tage oder einfach eine Abdeckung wie bei konventionellen Mülldeponien erfolgt ist noch völlig unklar. Doch zuallererst soll die Aktion die ehemaligen Bewohner der Region beruhigen und die rund 100.000 Evakuierten zur Rückkehr bewegen. Glaube allein reicht vielen jedoch nicht, der Bürgermeister von Hirono forderte bereits die Ausgabe von Dosimetern an alle Bewohner, damit sie selbst die Belastung prüfen können und nicht nur glauben sollen.

Verunsicherung bringen dabei auch neue Meldungen wie der aktuelle Nachweis von Plutonium im Boden, das aus den Reaktoren stammt. Das japanische Atomenergie-Forschungsinstitut geht davon aus, dass auch nach Ende der Oberflächenreinigung 132 Quadratkilometer um Fukushima herum wegen zu hoher radioaktiver Belastung langfristig unbewohnbar bleiben werden.

Auch bei uns geht der Protest gegen den Weiterbetrieb der AKWs und die unsicheren Endlager weiter. Peter Dickel von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad kritisiert, dass beim hastigen Atomausstiegsbeschluss zwar einige Reaktoren stillgelegt wurden, aber dann ein Reaktor wie Gundremmingen, der genau wie die Reaktoren in Fukushima ein Siedewasserreaktor ist, oder wie Neckarwestheim, der auf einer Erdbebenspalte errichtet worden ist, weiterlaufen sollen. In Morsleben eröffnet gerade eine Ausstellung des Anti-Atom-Bündnisses zur Geschichte der Atommülldeponie Morsleben. Seit Beginn der 1970 Jahre bis 1998 wurden in dem Salzstock radiaktive Abfälle eingelagert. Zur Zeit sind es geschätzte 37.000 Kubikmeter niedrig- und mittelradioaktive Abfälle, dazu kommen 6.000 hochradioaktive Strahlenquellen, die im Salzbergwerg zwischengelagert werden sollten.

Das seit zehn Jahren zuständige Bundesamt für Strahlenschutz hat seit langem festgestellt, dass Morsleben nicht zur Endlagerung von Atommuell geeignet ist. Als Hauptproblem wird angegeben, dass an mehr als 20 Stellen Wasser in die Schachtanlage eintritt. Dennoch wird bis heute als einzige Lösung das "dauerhafte" Verschließen der Deponie propagiert, um so die dort lagernden radioaktiven Abfälle von der Umwelt zu isolieren - für eine Deponie in einem lecken Salzstock klingt das alles andere als vertrauenerweckend.

Aber es gilt auch die Produktion von weiterem radioaktiven Material zu vermeiden. Am Sonntag fand deshalb am AKW Grohnde (Niedersachsen) eine Demo gegen die de facto Laufzeitverlängerung von Reaktoren statt. Die Aktivisten akzeptieren nicht, dass als Reaktion auf die Katastrophe in Fukushima nur die acht ältesten Atomkraftwerke abschaltet werden mussten. Und fordern dies auch für die verbleibenden neun Reaktoren. Grohnde etwa sollte nach dem Atomkonsens bereits 2018 vom Netz gehen, jetzt aber erst 2021, bekommt also trotz Atomausstieg eine Laufzeitverlängerung von 3 Jahren.

Ausstieg durch Energieeffizienz

Selbst im Kernland der Kernkraft, in Frankreich, findet ein Umdenken statt, trotz einer oft als übermächtig beschriebenen Position der Atomenergie für die Stromversorgung in Frankreich. Nicolas Sarkozy kündigte im Juni an, mittelfristig würde der Anteil der Kernkraft bei der Stromerzeugung auf 40% halbiert werden, doch das Pariser Büro von WISE hält einen kompletten Atomausstieg in Frankreich bis 2033 für machbar.

Noch liefern die Reaktoren vier Fünftel des im Land erzeugten Stroms. Doch die Hoffnung auf eine jederzeitige sichere Stromversorgung per Kernenergie ist brüchig geworden. Das Land ist bereits Stromimporteur und seine einseitige Ausrichtung auf Kernkraftwerke mit ihrem hohen Kühlwasserbedarf führte bereits mehrmals zu Engpässen aufgrund von Wassermangel.

Dazu kommt, dass Strom in Frankreich in einem Drittel aller Gebäude auch zu Heizzwecken eingesetzt wird. Ähnlich wie bei uns die Nachtspeicherheizungen wurden Widerstandsheizungen auch in Frankreich in den vergangenen Jahrzehnten als Abnehmer für die unflexiblen AKWs gefördert. Und hier liegt auch einer der wesentlichen Ansatzpunkte für einen beginnenden Atomausstieg in Frankreich, nicht nur beim Verbrauch für Licht und Elektrogeräte, sondern auch bei den Heizungen, sie machen nämlich rund 75% des Energieverbrauchs von Gebäuden aus.

Weil ein großer Teil der französischen Haushalte mit Strom heizt, wirkt sich ein Kälteeinbruch massiv auf den Verbrauch aus: Wenn heute in Frankreich während der Heizperiode die Temperatur im Winter um ein Grad sinkt, steigt die Last um 2100 Megawatt - doppelt soviel, wie die Millionenstadt Marseille üblicherweise benötigt.

WISE drängt zur Eile denn 80 Prozent der französischen Atomkraftwerke sind zwischen 1977 und 1987 ans Netz gegangen. Bei einer Lebensdauer von 40 Jahren wird es nach 2027 also sehr eng mit der Stromversorgung aus AKWs. Auch wenn bereits die Verlängerung der Laufzeiten auf 60 Jahre angedacht ist so gibt auch dies nur einen zeitlichen Aufschub. In zwanzig Jahren müsse Frankreich des Atomausstieg gepackt haben. Wise propagiert dazu, neben der Umstellung auf andere Energieträger wie Windkraft und den Einsatz der Biomasse, vor allem sein Konzept "Négawatt" also mehr Energieeffizienz als wirksamste Maßnahme Kraftwerke einfach obsolet zu machen.

Als Vorbild können die Erfahrungen aus Deutschland dienen. Das im Energiekonzept der Bundesregierung ausgegebene Ziel lautet derzeit, der Energieverbrauch in Deutschland solle bis zum Jahr 2050 um 50 Prozent sinken. Außerdem soll der Anteil der Erneuerbaren Energieträger 2050 60 Prozent des gesamten Energieverbrauchs und 80 Prozent des Stromverbrauchs abdecken. Instrumente zur Erreichung dieser Ziele sollen u.a. die Drosselung der Stand-by-Verluste, die Etablierung des Passivhaus-Standards (jährlicher Heizwärmeverbrauch nur noch 15kWh pro m²), sowie das Energie-Contracting bei Firmen sein.

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) berichtete diese Woche vom bisher Erreichten in Sachen Gebäudesanierung und Gebäudeenergiestandard. So nimmt der Energieverbrauch in Mehrfamilienhäusern in Deutschland immer weiter ab. Seit 2005 sank der Verbrauch um rund 11 %, von 2009 auf 2010 betrug der Rückgang 2,3 Prozent. Damit liegt der Energieverbrauch im Bundesdurchschnitt derzeit bei 131,1 Kilowattstunden je Quadratmeter Wohnfläche und Jahr (kWh/m2a). Das ist das Ergebnis des ista-IWH-Energieeffizienz-Index für die Abrechnungsperiode 2010. Der Index wird jedes Jahr vom Energiedienstleisters ista und dem Institut für Wirtschaftsforschung in Halle erhoben.

Gebäudesanierung und höhere Neubaustandards zeigen Wirkung. Der Energieverbrauch des Wohnungsbestands in Mehrfamilienhäusern sinkt seit Jahren kontinuierlich. Hier am Beispiel der Jahre 2006 - 2009. Bild: Institut für Wirtschaftsforschung Halle

Die Auswertung ergab auch, dass nach wie vor große Unterschiede zwischen Ost und West existieren, sich die Energiekennwerte aber langsam angleichen. Der Energieverbrauch in den östlichen Bundesländern sinkt danach seit 2005 um durchschnittlich 0,97 Prozent pro Jahr und liegt derzeit bei 122,8 kWh/m2a. In den westlichen Bundesländern liegt der Energieverbrauch derzeit bei 133,6 kWh/m2a und ging seit 2005 um durchschnittlich 2,7 Prozent pro Jahr zurück. Die Dynamik kommt dabei vor allem aus dem Süden, dort liegen sieben der zehn Regionen mit dem deutlichsten Rückgang der Energieverbräuche. Spitzenreiter ist das Allgäu mit 101,6 kWh/m2a

Windstrom zählt bereits zu den kostengünstigsten Energiequellen

Die Niedersächsische Landesregierung hat jetzt ein Energiekonzept für das Bundesland verabschiedet, das auf Windkraft setzt. Danach zählt Windstrom zu den kostengünstigsten Energiequellen und bietet auch in Hinblick auf die nationalen Energieziele ausreichend Ausbaupotenziale. Das Konzept stellt die Planungen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien (Windkraft, Biomasse, Geothermie, Solarenergie, Wasserkraft) vor.

Zudem setzt auch Niedersachsen in seinem Konzept auf die Erhöhung der Energieeffizienz. Ministerpräsident David McAllister erklärte kurzerhand: "Niedersachsen ist das deutsche Energieland Nummer 1." Wirtschaftlich rosige Zeiten werden erwartet, denn besonders die Windkraft hat im Norden ganz neue Branchen entstehen lassen.

Installierte Windkraftanlagen in Niedersachsen. Bis 2020 könnte Onshore- und Offshore-Windkraft nach Angaben des Niedersächsischen Umweltministerium den Stromverbrauch im Bundesland 1,5x decken Bild: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz

Der in Niedersachsen regenerativ erzeugte Strom deckt bereits heute rechnerisch rund ein Drittel des niedersächsischen Stromverbrauchs ab. Niedersachsen stellt ein Viertel der bundesweit installierten elektrischen Windkraftleistung, ein Viertel der bundesweit installierten elektrischen Leistung aus Biogas und belegt bei der Solarenergie trotz seiner geografischen Lage unter den Bundesländern Platz vier. Niedersachsen könnte so bereits ab 2020 bilanziell mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, als im Land verbraucht wird. Bis 2020 soll Niedersachsen durch offensive Nutzung aller Potenziale rechnerisch rund 90 Prozent des Bruttostromverbrauches aus erneuerbaren Energien decken - einschließlich Offshore-Windstrom könnten es sogar 150 Prozent werden.