Kosmische Teilchen lassen es blitzen

Sie stören sogar den Fernsehempfang, doch so genau schaut niemand hin

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Die neueste Generation der Instrumente, die den Astrophysikern zur Verfügung steht, sorgt immer wieder für Überraschungen. Jetzt ist es einem internationalen Forscherteam mithilfe eines Hochtechnologie-Radioteleskops gelungen, die hellsten und kurzlebigsten Radioblitze zu entdecken, die jemals am Himmel gesehen wurden. Diese blitzartig auftauchende Radiostrahlung scheint fast tausend Mal heller als die Sonne und ist fast eine Million mal schnelllebiger als ein gewöhnlicher Blitz während eines irdischen Gewitters.

Für einen ganz kurzen Moment strahlen die Radioblitze als hellste Quelle am Himmel mit fast dem doppelten Durchmesser des Mondes. Sie entstehen, wenn sehr energiereiche kosmische Teilchen in die Erdatmosphäre einschlagen. Die genaue Herkunft der kosmischen Strahlung ist nach wie vor rätselhaft. Es gibt Hinweise darauf, dass sie von Sternen im Todeskampf, den so genannten Supernovae ausgeht (Woher kommen die Todesstrahlen?). Als potenzielle Quelle der ultrahochenergetischen Strahlung gelten speziell die Radiogalaxien (Galaktische Bremsspur). Die kosmische Strahlung trägt auch zur Entladung der sichtbaren Blitze ganz normaler Gewitter bei (Blitz und Donner aus dem All).

Falschfarbenabbildung eines Ausschnitts des Niederfrequenz-Radiohimmels über dem Lopes-Experiment zurzeit des Einschlags eines Partikels der kosmischen Strahlung. Der helle Fleck in der Mitte zeigt den Radioblitz. Himmelskoordinaten sind als grüne Linien überlagert. (Bild: MPIFR/Nature)

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature zeichnen mehr als siebzig Forscher um Heino Falcke vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und von verschiedenen europäischen Instituten als Autoren des Artikels "Detection and localization of atmospheric radio flashes from cosmic ray air showers".

Die Entdeckung der ultrahellen Radioblitze gelang mithilfe des Lopes-Experiments, das dafür gebaut wurde, höchstenergetische kosmischer Strahlung nachzuweisen. Dafür wurden die pyramidenförmigen Lopes-Radioantennen innerhalb der Anordnung des Kascade-Teilchendetektors am Forschungszentrum Karlsruhe installiert. Die Antennen sind ganz einfache Geräte, ähnlich einer ganz banalen Radioantenne. "Der Hauptunterschied zu normalen Radios liegt in der digitalen Elektronik und den breitbandigen Empfängern, die es uns ermöglichen, eine Vielzahl unterschiedlicher Frequenzen gleichzeitig aufzunehmen", erklärt Andreas Horneffer, der die Antennen als Teil seines Promotions-Projekts an der International Max Planck Research School for Radio and Infrared Astronomy aufgebaut hat.

Durch den parallelen Betrieb der Radioantennen und der Kascade -Teilchendetektoren zeigte sich, dass bei Eintritt eines hochenergetischen Teilchens der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre ganz kurz ein Radiosignal aufscheint. Die Intensität der Radiostrahlung hängt dabei von der jeweiligen Ausrichtung des Magnetfelds der Erde ab.

Lopes-Antennen zwischen den Kascade-Hütten (Bild: Lopes Kollaboration)

Die Forscher setzten Bildverarbeitungsprogrammen aus der Radioastronomie ein und erstellten so digitale Filmsequenzen von den Radioblitzen. Ein online verfügbarer MPEG-Clip verläuft über 100 Nanosekunden, in denen der Radioblitz für ca. 30 Nanosekunden aufscheint.

Die kosmische Strahlung wurde aber auch akustisch hörbar gemacht, indem die Wissenschaftler die digital aufgezeichneten Radiowellen künstlich um den Faktor 10000 verlangsamten. Der Pfeifton im Hintergrund stammt von einem entfernten Fernsehsender bei 62 MHz. Die Kosmische Strahlung ist als Klopfgeräusch in der Mitte der Übertragung wahrzunehmen.

Das Tondokument verdeutlicht, dass einige der aufgezeichneten Radioblitze stark genug sind, um theoretisch den normalen Radio- und Fernsehempfang für einen kurzen Zeitraum zu überstrahlen. Die Radioblitze scheinen allerdings nur jeweils 20 bis 30 Nanosekunden (Milliardstel Sekunden) lang auf – und die leuchtintensivsten überstrahlen den Himmel wahrscheinlich auch nur ungefähr einmal am Tag. Deswegen haben sie kaum Auswirkungen auf das Alltagleben auf der Erde. Heino Falcke freut sich über die spektakuläre Entdeckung:

Es ist schon erstaunlich, dass wir mit einfachen Radioantennen direkt die Energie von Elementarteilchen aus dem Kosmos messen können. Wenn wir empfindliche Radio-Augen hätten, könnten wir den Himmel mit Radioblitzen funkeln sehen.