Kosmischer "Segelflieger" bis zu 360.000 Kilometer in der Stunde schnell

Neuer revolutionärer Antrieb für Raumsonden und Raumschiffe startet Jungfernflug 2004

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Das schnellste "Segelschiff" der Welt wird seine Jungfernfahrt nicht im irdisch-maritimen, sondern im kosmischen Ozean feiern. Bereits auf der Ila Berlin 2000, der diesjährigen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung stellten die Europäische Weltraumagentur (ESA) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit den Industriepartnern Kayser-Threde GmbH und Invent GmbH der Öffentlichkeit erstmals den wohl ungewöhnlichsten Segler aller Zeiten vor: den DLR-Sonnensegler Solar Sail.

In gut vier Jahren soll das futuristisch aussehende 20 mal 20 Meter große und ultraleichte Gerät (Gesamtgewicht: zehn Kilogramm) mit hochsensorischen Mikrosatelliten an Bord zum ersten Mal auf Forschungsexpedition gehen. Den Grundstein für diese Entwicklung legten die DLR-Ingenieure am 17. Dezember des vergangenen Jahres in Köln-Porz, als es gelang, die separaten Dreieckssegel mit Hilfe von Leichtbaumasten aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff (CFK) auszufahren und aufzuspannen.

Die visionäre Idee des Sonnensegelns im Weltraum wurde schon von dem russischen Raumfahrtpionier Konstantin Ziolkowski sowie vom deutschen Ingenieur Hermann Oberth in den zwanziger Jahren angedacht. Doch für den damals höchst exotischen Vorschlag fehlte seinerzeit noch das technische Know-how. Dieses steht heute indes in Gestalt modernster High-Tech zur Verfügung. So verwundert es nicht, dass auch andere Raumfahrtnationen an der Entwicklung eines Sonnenseglers engagiert arbeiten, allen voran die NASA, die den innovativen Charakter eines solchen Fortbewegungsmittels nicht verkennt.

Angetrieben wird der Sonnensegler durch den Sonnenwind. Treffen die von der Sonne ausgesandten Photonen auf die 400 Quadratmeter große aluminiumbedampfte 7,5 Mikrometer dicke Hochleistungsfolie des Seglers, erreicht das Leichtbauraumschiff durch den Rückstoß eine überraschend hohe Geschwindigkeit. Wie beim klassischen Segeln nach dem Wind muss sich eine segelnde Raumsonde am Stand der Sonne orientieren, von der die antreibenden Lichtstrahlen kommen. Hierbei kann sie ein enorm hohes Tempo erreichen. "Auf dem Weg zum Planeten Pluto könnte der Sonnensegler bis auf zu 360 000 Kilometer in der Stunde beschleunigen", verdeutlicht Manfred Leipold vom DLR (siehe Der wohl ungewöhnlichste Segler aller Zeiten).

Da das treibstofflose Raumschiff auf unbegrenzte Antriebsressourcen zurückgreifen kann, eignet es sich besonders für interplanetare und mitunter sogar interstellare Langzeitmissionen. Um die neue Technologie des Sonnensegelns im All zu kommerzialisieren, wurde die neue Firma HPS High Performance Space Structures GmbH gegründet.