Krieg auf DVD

Arnold, der Terminator oder: Wie sich filmische Rezeption in Richtung Computerspiel verändert

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Filmemacher und Medienkonzerne haben sich ins DVD-Geschäft gestürzt. Große Filme und spektakuläre Szenen sind Zugpferde dieses Marktes der Rezeption hoher Bild- und Tonqualität. Die DVD ist aber weit mehr als ein Abspielmedium, sie wird zunehmend zur komplexen Dokumentation und Präsentation von Kinowerken benutzt, zur Zusammenstellung von verschiedenen Schnittversionen, dem Making-Of, Kommentaren und weiteren Zusatzmenüs. Gerade die seit Anfang der 90er Jahre digitalisierten Produktionen von Science-Fiction- und Kriegsfilmen erhalten mit der DVD ein angemessenes Heimkinomedium: Denn in diesen Filmgenres erhält die detaillierte audiovisuelle Charakterisierung von unwahrscheinlichen und phantastischen, zunehmend technoiden Figuren und Szenarien den Vorrang über eine lineare Handlungslogik. So ändert sich auch die filmische Rezeption durch die direkte Anwählbarkeit von Menüs und Szenen in Richtung Computerspiel: Die Handlung wird in ein digitales Drehbuch von panoptischen Episoden zerlegt, in denen Figur und Umfeld in dreidimensionaler Plastizität interagieren.

Im Dickicht der Zusatzfunktionen und Extras, vor allem durch die Audio-Kommentare der Produktion, wuchern seltsame Produktphilosophien heran. Im Tagesgeschäft von Kino und in der Öffentlichkeit werden sie selten so deutlich propagiert. Auf die silberne Scheibe "für die Ewigkeit" gebannt erhalten auch die Kriegs-Ideologien den letzten testamentarischen Schliff. Die digitalen Blumen des Bösen nehmen absonderliche Formen an. Beim Druck auf den Menüknopf fährt man in die terroristischen Gehirne der Autorenfilmer. "Möchten Sie gerne mehr wissen?"

Kreisförmiger Mythos

Die Konvergenz der Medien gilt auch für die 2001 erschienene Doppel-DVD "T 2 - Terminator 2 - Judgement Day", "German Ultimate Edition". Denn in der digitalen Version des zweiten, 1991 in Deutschland angelaufenen Erfolgsfilms mit Arnold Schwarzenegger und vom Regieteam um James Cameron ("T 1" 1984) erscheint die chromgestanzte Cyborg-Action in ihrer visuellen Präsenz ungebrochener denn je. Sie ist deutlich dem Video mit seinen Vor- und Rücklaufzeiten und dem Kinowerk mit seiner unumkehrbaren Abfolge überlegen. Die Filmschnitte und Anwählvorgänge der um 17 Minuten längeren, in 80 Kapiteln gegliederten Fassung arbeiten nun Hand in Hand, um die Kreisförmigkeit des Filmmythos auf die digitale Spitze zu treiben. Diese Wirkung unterstützen die Begleitinfos mit 574-seitigem Original-Drehbuch, 700 Grafiken, 60 Videoclips und Interviews, sowie vielen weiteren Einzelheiten zur Produktion und Vermarktung. Ähnlich differenziert und verzettelt gibt sich der Audiokommentar, kein Zufallswerk weniger Stimmen, sondern eine sorgfältige Arbeit einer 26-stimmigen Truppe, von Creative Director Van Ling exakt gelenkt.

Im Terminator-Mythos geht es um einen Krieg zwischen Zukunft und Gegenwart, zwischen Maschinen und Menschen, zwischen dem unsichtbaren Netzwerk Skynet und einer verarmenden materiellen Welt des postindustriellen Zeitalters. Auf der Ebene der Inszenierung geht es um den genussvollen Abschied vom traditionellen Schauspieler und seinen Aktionen, um die Verwandlung von Protagonisten in reflexhafte Opfer von Robotern als charakterlosen Hauptdarstellern, die als bedrohliche Wesen vorgeführt werden und dennoch zur Not "human" umprogrammierbar sind. Die Geschehnisse des Films werden von den Special Effects geradezu aufgesogen. So wird ein zivilmilitärischer Terrorkrieg mitten im Frieden dargestellt, der wiederum die symbolische Dimension eines Vor- und Nebenkriegs um den Hauptschauplatz eines nuklearen Cyberwar hat. In gewisser Weise wird der Rambo-Mythos des Vergeltungskriegers durch sein mechanisches Double, den digitalen Präventiv-Killer, parodiert und ersetzt. Und ihm haben alle anderen Figuren lebend und sterbend nachzueifern.

Interaktive Robotisierung des Helden auf DVD

Dass die technische Herstellung eines massenweisen Serienhelden die individuelle Charakterisierung gleichsam ablöste, war ein Triumph der Trivialkultur über anspruchsvolle Drehbuchplots. In Arnold Schwarzeneggers ausdruckslosem Fuchs-Face mit dem roten ILM-Sensorauge feiert die High-Tech-Industrie den Sieg über die Biologie und Kultur des Menschlichen. Die DVD-Konsumenten verschmelzen nun interaktiv über die Fernbedienung mit dem T-800. Die DVD ist der "kybernetische Organismus", das lebende Gewebe über dem "metallischen Endoskelett".

Gerade durch die Abstraktion der Hauptfigur zwischen Leben und Tod, Wahnsinn, Dummheit und lernender Vernunft kann eine Wunschfläche geschaffen werden, die wie nie zuvor mitleidlose Politik und sentimentale Unterhaltung kombiniert, gerade weil die projektiv mitspielende Rezeptivität des Zuschauers gefragt ist. So soll man funktionieren. Im Krieg und im Frieden. Arnie ist immer noch das militärische Supersoldatenspielzeug amerikanischer Golfkriegspatrioten, die vom sauberen, chirurgischen Video-Computer-Krieg in der Wüste gegen politische Schurken träumen und jetzt die beliebige Wiederholung durchsetzen wollen. Als reprogrammierbare Figur von Null auf Hundert ist Arnold eine humanoide Marionette, die ziviles Äußeres (Harley-Davidson-Rockerkluft, Ray-Ban-Brille) und militärisches Innenleben kongenial in begrenzbaren Gewaltinterventionen vereinigt. Auf seinen Kampagnen landauf, landab begrüßte George Bush Senior schon vor einem Jahrzehnt ganz eindeutig "Mister Schwoarzenegger, the Terminator!!!" in republikanischen Diensten. Auch das ist auf der DVD stolz verzeichnet.

Kollateraleffekte

Die technische Brillanz der DVD entspricht auf beklemmende Art ihrer politischen Aktualität. Denn als Terminator ist Schwarzenegger präsenter denn je. Und der Charakter eines Killerroboters bemisst sich weniger nach direkten moralischen Maßstäben oder vermeintlich "uneingeschränkter Solidarität", sondern in der nach einer zivilmilitärische Ausbalanzierung von Gewalt und Gegengewalt. "Collateral Damage" - das hätte auch der Untertitel zum zweiten "Terminator"-Film sein können. Denn mitten im Actiongetümmel muss Terminator Arnold schwören, dass er kein menschliches Wesen töten (sondern höchstens verletzen) werde. Und dies im vollen Bewusstsein, dass er unter allen Umständen seine Mission zu erfüllen hat.

Die Kriegsphilosophie präsentiert sich in der kommentierten Langfassung als ein Memento eindrucksvoller, in sich geschlossener Bilder und Sequenzen, die im Gesamtzusammenhang ebenso plastisch wie metaphorisch wirkt. Der vom Stau überfüllte Highway im Los Angeles der Jetztzeit (vor dem Katastrophentag 1997), der sonnenüberflutete Kinderspielplatz u.a. mit dem Karussell, der delikat überblendete Sound mit Brad Fiedels transparenten musikalischen Loops, die katastrophischen Feuerbilder vom brennenden Spielplatz und der explosiven Feuerwand in Zeitlupe im Prolog ("gedacht für eine ... Vision des sterbenden Dyson"), all dies ist nun als Reigen, als Kreis einer nur angedeuteten Gesamtgeschichte mit zahllosen Leerstellen aufzufassen. Einer Story, die ihr Hauptthema Krieg und Krieger zwar beschwören und ihm aber ständig, wie einer metaphysischen Schuld auch ausweichen will. Manchmal wirken die Storyboard-Zeichnungen vom Krieg der Maschinen um einiges eleganter und zukunftsbewusster.

Die DVD-Fassung des Films hat noch stärker mit paranoischen und schizophrenen Visionen, mit religiöser und apokalyptischer Symbolik zu tun, gerade mitten in den antiseptischen Räumen der positivistischen Wissenschaft. Zu den schroffen "Zukunftspsychosen" gehört auch, dass der Krieg bereits in seinem Vorstadium in vollendet maskierten Verschwörungen anläuft.

Auf der DVD lassen sich die Duellszenen zwischen dem metallischen T-800 und dem gestaltlosen T-1000 jetzt in ihrer Perfektion aber auch mit allen kleinen Webfehlern fotografisch sezieren: ein gnaden- und seelenloser körperlicher Schaukampf, ohne Gefühle, mit leerem Gesichtsausdruck und insektenhafter Sonnenbrille. Wenn man so will, reift im Zuschauer der Typus des "angstlosen, trauerfreien, wiederverwendbaren Soldaten und Selbstmordattentäters" heran. Die Figuren verkörpern den Tod, um ihn zugleich zu heroisch zu brechen und abzuschaffen. Neu ist die Idee, am Ende die völlig unwahrscheinliche Schwächung dieses Terminators mit Funktionsstörungen anzudeuten: Die perfekte Simulation beginnt zu bröckeln, der Körper beginnt die Muster und Farben der Umgebung anzunehmen. Die aktive Simulation wird zur passiven Prägung. Die Phase der Verwundbarkeit ist erreicht.

Kommentar zwischen Aufklärung und Propaganda

Einer der verrücktesten Effekte der DVD-Präsentation von Kinofilmen neben der episodischen, räumlichen Zerstückelung der Handlung ist die Ergänzung durch einen Kommentar. Dadurch konvergiert die technologisch avancierteste Produktion plötzlich mit zwei älteren Medienformen: dem Stummfilm und der Wochenschau. Bilder und ihr Audiosound werden plötzlich mit einem trockenen Kommentar versehen: Und dieser Kommentar legt entweder die Propaganda der Bilder und Effekte offen ("Wir knackten Nüsse" bei den Schädelbildern im Prolog) oder sorgt für weitere ideologische Überhöhung - vor allem in der unschuldigen Kriegermoral, zur Jungfrauengeburt des jungen Erlösers John.

James Cameron verrät im Kommentar, dass John in dem mexikanischen Waffenlager mit palästinensischen Untertönen zum späteren Terroristen ausgebildet wurde. Aber diese Hintergrundgeschichte wurde später zurückgenommen:

"Ich wollte einen moralischen Standpunkt einnehmen, bevor ich mit dem Film anfing, beschloss ich, dass John Connor nie eine Waffe auf jemand richten würde. In der Langfassung reinigt er Waffen und weiß genau, was er tut. Aber ich wollte kein Bild von einem 12jährigen, der eine Waffe auf jemanden richtet. Die Geschichte musste ohne das auskommen, egal was passierte."

"Terminator 2" ist ein Propaganda-Film, dessen Bilder lügen. Und der kleine John ist eine verlogene Müsli-Ausgabe eines demilitarisierten Hitlerjungen, dessen V2 in einem Gameboy steckt. Cameron hat seinen Schwur gehalten. Wie so mancher Künstler und Politiker, der etwas für sich und andere beschloss. Dafür wurden die anderen Charaktere um so stärker bedarfsmilitarisiert. Nun werden wir bald erfahren, wer im folgenden Teil "T3 - The rise of the machines", dem "Krieg der Maschinen" gegen die Menschen, zuletzt "Hasta la vista" sagt. Schwarzenegger wird in Famke Janssen ein dämonischer weiblicher Android gegenüberstehen, die alle Qualitäten einer Cyberkriegerin aufweist, die schon James Bond in "Golden Eye" das Leben schwer gemacht haben. "Dark Angel"-TV-Produzent Cameron aber hat sich schon verabschiedet, er steht für die Regie nicht mehr zu Verfügung.