Kriegsursache Brautpreis

Im Südsudan bekämpfen sich Nuer und Murle

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Am 9. Juli wurde der Südsudan offiziell das 193. unabhängige Land der Welt. Dass die Region mit der Trennung vom arabisch geprägten Nordsudan nicht unbedingt befriedet ist, hatten Beobachter bereits vorher befürchtet. Denn auch der neue Südsudan ist ein Vielvölkerstaat, in dem zahlreiche kulturelle wie ökonomische Faktoren auf Konflikte hinwirken.

Ein wenig bekannter Faktor ist die Tradition des Brautpreises, die sich bei zahlreichen viehzüchtenden Völkern Afrikas findet – darunter auch bei den Murle, die in Äthiopien und im südsudanesischen Teilstaat Jonglei leben. Will ein junger Murle heiraten, dann muss er dem Vater einer dafür geeigneten Frau eine größere Zahl an Rindern zukommen lassen.

Südsudan. Karte: Daniele Mezzalira. Lizenz: Public Domain.

Diese Tradition wird von Kritikern nicht nur als eine Art Sklavenhandel kritisiert, sondern schafft auch einen beträchtlichen Anreiz, sich die Tiere nicht über eine jahre- oder jahrzehntelange Zucht, sondern durch Raub zu verschaffen. Weil das innerhalb einer Gruppe häufig unmittelbar unangenehme Folgen hat, schließen sich junge Männer zu Raubkommandos zusammen und holen sich die Tiere bei benachbarten Völkern wie den Nuer. Da jedoch auch bei diesen Rinder eine kulturell wie ökonomisch enorm wichtige Rolle spielen, bleiben solche Raubzüge selten ungesühnt.

Nun ist eine solche Fehde um Rinderraub offenbar zu einem Bürgerkrieg eskaliert, der über 1.100 Todesopfer forderte und zwischen 20.000 und 50.000 Menschen in die Flucht trieb. Die Auseinandersetzungen begannen am 18. August 2011 mit einem Überfall von Murle auf die Ortschaft Pierri und etwa ein Dutzend Nuer-Dörfer in der Umgebung. Dabei soll die Murle-Jugend nicht nur 8.000 Häuser gebrandschatzt, sondern auch 700 Nuer getötet, 180 Kindern entführt und 38.000 Rinder geraubt haben.

Daraufhin drang die Weiße Armee, eine Mischung aus Nuer-Miliz und Jugendbande, in das Gebiet der Murle vor. Am 31. Dezember eroberten zwischen 3.000 und 6.000 Nuer die Flugpistenortschaft Pibor, zogen aber am 2. Januar nach Südosten weiter, wo sie offenbar die Räuber mit ihren Rindern vermuten. Dass UN-Truppen in Pibor stationiert waren, hatte niemanden von Kampfhandlungen abgehalten.

Nun soll eine vierstellige Zahl von zusätzlichen Regierungssoldaten den Konflikt beenden. Das jedoch könnte insofern nach hinten losgehen, als die South Sudan Armed Forces nach Abschnitt 10, Kapitel 1 der Verfassung des neuen Staates vor allem aus der Dinka-dominierten ehemaligen Rebellentruppe Sudan People's Liberation Army (SPLA) bestehen. Und das neue Quasi-Staatsvolk der Dinka kann auf eine lange und intensive Konfliktgeschichte mit den Nuer zurückblicken. Den Murle sind die Dinka traditionell allerdings mindestens ebenso wenig gewogen.

Internationales Interesse weckt der neue Bürgerkrieg aber auch deshalb, weil der größte Teil des betroffenen Teilstaates Jonglei zum "Block B" gehört – einem bisher noch unerschlossenen potenziellen Ölfördergebiet, für das unter anderem die französische Firma Total SA eine Konzession erwarb.

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