Krisenherd Westbalkan: Bundeswehr soll in neuen Einsatz ziehen – auch gegen Moskau

Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik im Jahre 2016 zu Besuch in Moskau. Bild: Kremlin.ru, CC BY 4.0 via Wikimedia Commons

Die Konflikte in Bosnien konnten in den letzten drei Jahrzehnten nicht gelöst werden. Nun soll die Bundeswehr helfen und vermeintlichen russischen Einfluss abwehren

In Bosnien-Herzegowina brodelt es – und die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) erwägt, dort die Bundeswehr wieder einzusetzen. Sie reiste am Mittwoch in die bosnische Hauptstadt Sarajevo, um sich mit Vertretern der bosnischen Regierung und der EU-Militärmission Eufor Althea zu besprechen.

Hintergrund des deutschen Engagements ist, dass die bosnische Serbenrepublik (Republika Srpska/RS) den Weg der Abspaltung beschreiten könnte. Ob sie das tatsächlich anstrebt, ist unklar; aber so manche ihrer Gesetzesvorhaben hatten zuletzt die Spannungen in Bosnien-Herzegowina verschärft. Vermutet wird, dass die russische Regierung ihre Finger im Spiel haben könnte.

Schon im April hatte das Auswärtige Amt in Berlin bestätigt, dass geprüft werde, die Bundeswehr wieder an der EU-Mission in Bosnien-Herzegowina zu beteiligen. Seit 2012 waren nach offiziellen Verlautbarungen keine deutschen Soldaten an der EU-Mission beteiligt.

Ins Leben gerufen wurde Eufor Althea im Jahr 2004 und ihre Aufgabe sollte sein, die Sicherheit in Bosnien-Herzegowina zu gewährleisten. Der 1995 geschlossene Friedensvertrag von Dayton, mit dem der Bürgerkrieg zu Ende ging, sollte durch die Eufor überwacht werden.

In einem umstrittenen Referendum löste sich das Land 1992 aus dem jugoslawischen Staatsverband. Allerdings hatte der serbische Bevölkerungsteil die Abstimmung boykottiert und anerkannte deshalb auch dessen Ergebnis und die neue Republik nicht an. In dem von ihnen kontrollierten Gebiet riefen sie dann ihre eigene Republik aus.

In der Folge entbrannte ein Bürgerkrieg zwischen den Armeen der Republik Bosnien-Herzegowina, der "Serbischen Republik Bosnien-Herzegowina", dem "Kroatischen Verteidigungsrat" und anderen Akteuren. Von 1992 bis 1995 starben bei den Kämpfen etwa 100.000 Menschen, bis der Vertrag von Dayton den Kämpfen ein Ende setzte.

Über Bosnien-Herzegowina wird von anderen bestimmt

Seitdem gleicht Bosnien-Herzegowina einem kolonialen Gebilde. Im Prinzip besteht der Staat aus zwei Staaten: der Föderation Bosnien-Herzegowina und der Republika Srpska. Beide haben ihre eigene Exekutive und Legislative; Spannungen sind deshalb vorprogrammiert.

Über beiden Teilstaaten thront der Hohe Repräsentant, der Gesetze verwerfen und selbst welche erlassen kann; der demokratisch gewählte Amtsträger entlassen kann; und der neue Behörden schaffen kann. Seine Macht, sämtliche demokratischen Einrichtungen zu überstimmen, wurde auch nicht beschränkt, als die Wahlen im Land als "frei und fair" bewertet wurden.

So hatte der aktuell amtierende Hohe Repräsentant, Christian Schmidt, erst im April ein Gesetz der bosnischen Serben kassiert, das ihnen die Übernahme des in ihrem Landesteil gelegenen bosnischen Staatseigentums ermöglicht hätte. Seiner Meinung nach hätte es die Zentralregierung in Sarajevo weiter geschwächt.

Bei den bosnischen Serben kam die Entscheidung nicht gut an. Der ehemalige Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, bezeichnete sie als "komplett unsinnig" und meinte, das Land könne so "überhaupt nicht funktionieren". Schmidts Reaktion bestand in einer Drohung mit seinen "Exekutivrechten", sollte seiner Entscheidung nicht Folge geleistet werden.

Das Land wächst nicht zusammen

Der Hohe Repräsentant, der auch nach fast 30 Jahren nach dem Bürgerkrieg noch immer von der "internationalen Gemeinschaft" eingesetzt wird, hat in der gesamten Zeit eines nicht geschafft: die Interessen der einzelnen Bevölkerungsteile auszugleichen.

Während bosnische Politiker mehr Zentralisation anstreben und einen baldigen Eintritt in die Europäische Union, streben serbische Politiker nach mehr Dezentralisation der Macht. Und die Kroaten streben danach, als dritte staatsrechtliche Entität mit eigener Legislative und Exekutive anerkannt zu werden.

Angesichts des Krieges in der Ukraine werden die seit fast 30 Jahren schwelenden Konflikte in Bosnien-Herzegowina ausgeblendet. Stattdessen wird pauschal behauptet, dass die russische Regierung dort zündeln würde.

So hatte zum Beispiel der US-Senator Chris Murphy erst vor wenigen Tagen behauptet, wenn Putin in der Ukraine in die Enge getrieben werde, dann werde "er sich nach anderen Orten umsehen, an denen er Siege erringen" könne. Und das könne Bosnien sein, sagte er dem US-Sender CNN.

Beweise blieb er schuldig. Aber die braucht der sogenannte Westen auch nicht. Im Januar hatte die Regierung in Washington schon Sanktionen gegen Dodik verhängt. Die britische Regierung zog im April nach.

Die Europäische Union sah noch von solchen Strafmaßnahmen ab, dafür verdoppelte sie ihre Militärpräsenz auf rund 1.100 Mann. Und die Bundeswehr soll vermutlich künftig auch wieder über den Status quo wachen.

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