Kristallines Möbiusband gezüchtet

Wichtige Funktion bei der Erforschung topologischer Effekte der Quantenmechanik

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Japanischen Physikern ist es gelungen, das Mathematik und Kunst seit Jahrzehnten faszinierende Möbiusband aus Kristallen herzustellen.

Skulptur von Max Bill, 1953-56, Foto: Middelheim Open Air Museum of Sculpture

Das Möbiusband (auch Möbiusschleife genannt) ist ein Streifen, der einmal um 180 Grad gedreht an seinen Enden zu einem geschlossenen Band verbunden wird. Eine klassische Konstruktion, die nach dem Professor für Astronomie und Mechanik August Ferdinand Möbius) (1790-1868 ) benannt ist, der sie als erster wissenschaftlich beschrieben hat. Das Faszinierende an der Möbiusschleife ist die Tatsache, dass sie die Vorstellungen von rechts und links, Vorder- und Rückseite auf den Kopf stellt. Fährt man mit dem Finger oder einer Kugel (Animation) an dem Band entlang, gelangt man auf die Rückseite des Ausgangspunkt. Der Rand wird nicht überschritten und doch befindet man sich auf der anderen Seite der Form. Die Begriffe vorne und hinten werden scheinbar sinnlos. Die endliche, gekrümmte Fläche mit nur einer Kante im dreidimensionalen Raum basteln Lehrer im Mathematik-Unterricht gerne mit ihren Schülern (Bastelanleitung), um ihnen zu beweisen, dass es zwar zwei Seiten hat, das aber ein einmal angesetzter und durchgezogenen Stift beide in einem Zug bemalt, als hätte es nur eine Seite. Populär sind auch mathematische Unterhaltungsfragen zum Thema wie: Was geschieht, wenn ein Möbiusband längs der Mittellinie zerschnitten wird? Die richtige Antwort dazu lautet: Man erhält zwei Bänder, die untrennbar ineinander verschlungen sind, wie zwei Glieder einer Kette.

Dieses geometrische Gebilde hat Mathematiker, Philosophen, Ingenieure. Filmemacher und bildende Künstler in seinen Bann gezogen. Der Bildhauer Max Bill hat das Motiv in verschiedenen Plastiken variiert, der Zeichner M.C. Escher stellte entsprechend in seinen Grafiken immer wieder die Vorstellungen von Anfang und Ende, oben und unten in Frage. Der Regisseur David Lynch bezeichnete in Interviews seinen Film "Lost Highway" als eine Art Möbiusband, denn er sei ein in sich verschlungenes Gebilde, das kein Innen und Außen, kein Vorne und Hinten hat, sondern nur eine durchgehende Oberfläche.

M.C. Eschers Möbiusschleife mit Ameisen

Das verdrehte Band ist nun von japanischen Wissenschaftlern zum ersten Mal aus Kristallen hergestellt worden. Satoshi Tanda, Taku Tsuneta, Yoshitoshi Okajima, Katsuhiko Inagaki und Kazuhiko Yamaya vom Physik-Institut der japanischen Hokkaido University) sowie Noriyuki Hatakenaka von den NTT Basic Research Laboratories in Atsugi ist es gelungen, auf einem Tropfen aus flüssigem Selen einen Kristall aus Niobium und Selen wachsen zu lassen. Das ist ein echtes Novum, denn bislang war nicht möglich, die aus regelmäßig angeordneten Molekülen bestehenden Kristalle in Ringform, geschweige denn in der Form verdrillter Ringe zu züchten. In einem Vakuum verdampfen bei hohen Temperaturen Niob und Selen, dabei bilden sich sphärische Selen-Tropfen, an deren Außenseite die Niobselenid-Kristalle wachsen. Zunächst entsteht ein schlichtes Band, das sich dann zu einem nahtlosen Ring schließt. Diese Ringe haben etwa den Durchmesser eines menschlichen Haares, klassische Kristalleigenschaften und können einfach vom Tropfen abgezogen werden.

Die verschiedenen erzeugten Kristallbänder, Aufnahmen mit dem Elektronenmikroskop und schematische Modellbänder jeweils auf roter Kugel, Abbildung b) zeigt die klassische Möbiusschleife, Bild: Hokkaido University

Diese Ringe haben etwa den Durchmesser eines menschlichen Haares, haben klassische Kristalleigenschaften und können einfach vom Tropfen abgezogen werden. Durch Veränderung der Parameter der Wachstumsbedingungen, z.B. indem der Tropfen in Rotation versetzt wird, verändert sich die Form der Ringe, sie werden zu den verdrehten Möbiusschleifen oder sogar zu einer achtförmigen Bandstruktur. Der typische entstehende "Möbiusbandkristall" misst 50 Mikrometer im Durchmesser und ist weniger als einen Mikrometer breit. Die Forscher gehen davon aus, dass die kristallinen Möbiusschleifen bei der Erforschung topologischer Effekte der Quantenmechanik eine wichtige Funktion haben und auch beim Aufbau bisher unbekannter Molekularstrukturen nützlich sein können.