Krokodilstränen im Haifischbecken

Die Welt der Manager

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Sagte man früher, dass alles Politik ist oder auch Sex, so ist seit den 80ern schon eigentlich alles Management. Manager ist ein Begriff, bei dem es Normalgebildeten übel wird, weil er vollkommen verwässert und verbreit ist und auf jeder zweiten Visitenkarte steht . Oder es wird ihm unheimlich zumute. Ungeachtet dessen dass Transparenz und Information Leitwerte der Jetztzeit sind: Was in der esoterischen Welt der Manager geschieht, darüber weiß niemand genaueres, es sei denn er lebt in solchen Zirkeln oder er konsultiert entsprechende Bücher.

Was ja weiter nicht schlimm wäre, wäre da nicht Anmaßung der Protagonisten unter den Managern, die wie etwa Ackermann gerichtsnotorisch oder vor der Presse unermüdlich erklären, dass sie das immens viele Geld, das sie sich gegenseitig zuschustern, zu Recht verdienen, weil sie Werte schöpfen, weil unsere Wirtschaft von ihnen lebt und damit wir, die ihnen den Arbeitsplatz, die Wohnung, das Essen, die Miete, die Versorgung der Kinder, das Auto und den Dispokredit verdanken. Doch nicht nur materiell sind die Manager Herren und Schöpfer des weltbesten Systems, sondern auch ideell, als die wahren Philosophen der Meritokratie mit der vernünftigsten und besten Regel der Welt: Jeder bekommt genug, wenn er nur genug leistet.

Ganz sicher weiß Porsche-Manager Wiedeking sein Mehr-als-50-Millionen-Euro-Gehalt auch mit Leistung zu begründen, wie auch Zumwinkel. Richtig geglaubt wird das aber nur in der esoterischen Welt von Ihresgleichen, die Geld einen völlig anderen Wert bemessen als etwa Supermarktkunden.

Dass daran etwas faul ist, daran wird nicht gern gerüttelt. Gleich wird das ganze System herbeizitiert, um sich gegen Kritik an "höheren Gehältern" zu wappnen. Kritik an Jahreseinkünften in Millionenhöhe ist irgendwie Kritik an den Fundamenten unserer Wirtschaft selbst. Sehr bequem für die Managereelite, dass es diese Ansicht in die breiteren Schichten geschafft hat, von wo aus die entsprechenden Formeln und Phrasen millionen mal zurückschallen:

Tatsache ist, dass wenn wir weiter Erfolg bestrafen, die Erfolgreichen sich bessere Bedingungen suchen. Und wo das hinführt, haben die Sozialisten/Kommunisten in Ostdeutschland, Russland, China, etc. mehr als 50 Jahre demonstriert. (...) Was Managergehälter angeht, so ist das eine Sache zwischen den Eigentümer der Firmen und den Managern. Da hat der Staat sich nicht einzumischen und wer kein Aktionär ist, dem kann es egal sein. Also wenn sich jemand beschweren will, soll er Aktien kaufen und sich auf der Aktionärsversammlung beschweren. Wer kein Risiko auf sich nimmt - und damit auch keinen Beitrag leistet - sollte sich im Schweigen üben.

Ausschnitt aus einem Leserkommentar in der Welt.

Meritokratisch spricht nicht nur der Porschechef, sondern auch der BMW-Fahrer, der in seinem Geschäft Schnitzereien aus Südtirol verkauft, und der Handwerksmeister-Opelfahrer am Stammtisch. Natürlich gibt es ein Wissen darüber, dass im Namen der Gleichheit aller Wertschöpfer und Leistungsstarken Birnen mit Trüffel verglichen werden, aber es geht ums prinzipielle: Leistung muss sich lohnen, alles andere ist Mauer, Gulag, Sowjetunion und unterernährte Kinder. Auf jeden Fall aber moralinsaures Zeugs, dass die Freude am Leben verdirbt.

Dass die millionenstarke Leistungsentlohnung auch unverhaltnismäßig viel kosten könnte, ganz eindeutig z.B. wenn die Jackpot-Abfindung über Manager ausgeschüttet wird, welche das Geschäft der Firma beinahe oder tatsächlich ruiniert haben, darüber wird nicht ernsthaft geredet, nur Betroffenheit gemimt (vorneweg von Kanzlerin Merkel). Zu fordern, dass Gehälter über eine Million Euro eine ordentliche Steuer verdienten – 80 bis 90 Prozent1 -, damit auch die Allgemeinheit davon Nutzen hat, ist hierzulande ein ordentlicher Tabubruch.

Man muss sich hier schon mit kleineren Brötchen zufrieden geben. Mit Einsichten zum Beispiel, am besten mit selbstkritischen Einsichten von Managern, die darauf hinwiesen, dass sie doch eine Ahnung davon haben, dass etwas nicht ganz so gut läuft in ihrer esoterischen Welt: So sollen einer Untersuchung mit dem Titel "Geld verdirbt den Charakter- oder?" zufolge, 47,2 Prozent der deutschen Topmanager "in ihrem beruflichen Umfeld regelmäßig moralisch verwerfliches Handeln beobachten".

56, 7 Prozent der Manager gaben an, dass sie von schlechtem Gewissen geplagt werden, weil ihr Handeln mit früheren Wertvorstellungen nicht mehr vereinbar ist. Bei einem Bruchtteil – 0,7% -, ist das "sehr häufig" der Fall, bei 11,3% "häufig" und bei der relativen Mehrheit (44,7%) nur "selten". Ein reines Gewissen hatten dagegen immerhin 13,6 Prozent.

Bemerkenswert ist, dass 72,1 Prozent der Manager angaben, dass sich die moralisch-ethischen Maßstäbe im Laufe ihres Berufslebens verschoben hätten, für 51,1 Prozent nur "ein wenig" und für immerhin jeden Fünften, 21 Prozent, "sehr deutlich".Die Gefahr, "dass moralisch verwerfliche Praktiken im Joballtag die moralischen Maßstäbe und Wertvorstellungen verdrängen", wächst laut Selbstzeugnis der Manager mit der Position.