Krypto-Exportkontrolle: Knieschuss für den E-Commerce

Ärger und Verunsicherung bei Software-Firmen in den Wassenaar- Unterzeichnerstaaten

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Wie weitreichend die Konsequenzen der Änderungen im Wassenaar-Vertrag tatsächlich wirken werden, hängt davon ab, wie die EU-Mitglieder die neuen Restriktionen des Arrangements, das nicht bindend ist, in Verordnungen giessen werden. Das soll bereits in dieser Woche passieren.

Eins wurde jedenfalls schon jetzt erreicht, nämlich eine Verunsicherung der Software-Branche in allen Unterzeichnerstaaten. Beim kanadischen Unternehmen Zero Knowledge, dessen Anonymisierungs-Software zu den aktuellen Geheimtips für Venture-Kapital gehört, ist man fassungslos darüber, dass die eigene Regierung einen möglichen Markt von etwa 120 Millionen mit einer Unterschrift mehr als halbiert hat.

Am härtesten trifft die internationale Regelung kleine und mittelständische Unternehmen, die - im Unterschied zu internationalen Banken, die sichere 128bit-Programme relativ unbürokratisch weltweit anwenden können - nun vor unübersehbaren Sonderregelungen stehen.

"Enorme Mehrkosten in Qualitätskontrolle, Marketing und Vertrieb" sieht Michael Grinner auf seine Firma zukommen, die mit Partnern in Holland, Kanada und anderen Ländern an Lösungen für den E-Commerce werkt. Die Probleme betreffen nicht nur die Distribution, sondern auch die laufende Kommunikation rund um dieses länderüberschreitende Projekt, das stellvertretend für viele andere steht. "Wie sollen wir unsere Marketingstrategien koordinieren, wenn wir nicht alle über die gleiche, sichere Verschlüsselung verfügen?" fragt sich Grinner, der für den E-Commerce in Europa schwere Zeiten kommen sieht.

Was die Washington Post als einen "ahnsehnlichen Erfolg" für das Bemühen der Regierung Clinton bezeichnet, ist für Stewart Baker, Ex-Berater der NSA und Security-Consultant für namhafte Unternehmen aus der Hightech-Industrie, bestenfalls "ein sehr gemischtes Ergebnis". Die einzige greifbare Konsequenz aus dem Wassenaar- Beschluss, schrieb Baker an Telepolis, sei nun, dass Staaten, die ohnehin schärfere Exportrestriktionen einführen wollten, diese nun verstärkt umsetzen würden.

Von Wassenaar sicher profitieren wird jedenfalls die Krypto-Industrie in Staaten, die ausserhalb des Arrangements stehen. Seit Monaten sind in der EU heftige Aktivitäten von Software-Firmen aus Israel zu beobachten, die nach ihren grossen Erfolgen in den USA seit 1996 nun den viel leichter aufrollbaren Markt in Europa anvisieren.