Künstliches Fleisch statt Sprit aus Mais

Der Klimawandel als Chance, sich vom Wetter unabhängiger zu machen

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Auch wenn der Klimawandel im 21 Jahrhundert wahrscheinlich zum großen Teil durch einen verstärkten CO2-Ausstoß mit verursacht ist, so ist er doch ein Phänomen, mit dem die Menschheit bereits seit ihrer Entstehung kämpft. Denn das Klima veränderte sich auch ohne ihr Zutun und sorgte so dafür, das Produktionsmodelle nicht mehr funktionierten und ganze Kulturen – wie beispielsweise die der Moche und der Maya – aufgrund von Dürren untergingen. Eine am 24. August in der Zeitschrift Nature veröffentlichte Studie unter Führung des Geoforschers Solomon Hsiang machte unlängst sogar einen Zusammenhang zwischen durch das natürliche Klimaphänomen El Niño versursachte Dürren und Bürgerkriegen in Südamerika und Afrika aus.

Den Klimawandel durch CO2-Vermeidung aufzuhalten, scheint eine Strategie, die zwar viel kostet, deren Erfolgsaussichten aber schon alleine durch die weltweite Uneinigkeit über die jeweiligen Beiträge mehr als zweifelhaft sind. Statt davor die Augen zu verschließen und diesen Weg trotzdem zu gehen, wäre es vernünftiger, die Ressourcen dafür zu nutzen, sich vom Klima unabhängiger zu machen. Dies könnte auf mehrerlei Weisen geschehen:

Das Geld, das beispielsweise nicht in die Forschung über, sondern in die Subvention von Biosprit aus Lebensmitteln gesteckt wird, wäre möglicherweise sinnvoller in Entschädigungsfonds angelegt, die im Falle von Überflutungen der Elbe oder des Indus einen Wiederaufbau fördern, der die Bewohner vom Wetter unabhängiger macht. Früher entstanden Städte des Handels wegen an Flüssen und Küsten. Heute gibt es Straßen, Flugzeuge und das Internet. Deshalb ist es nicht mehr notwendig, dass Städte dort stehen, wo sie früher standen. Und da die Möglichkeiten, Fluten durch Deiche, Dämme und anderen Schutzmaßnahmen vorzubeugen, begrenzt sind, wäre es ausgesprochen sinnvoll, Umsiedlungen in überschwemmungssichere Gebiete beispielsweise durch Baugenehmigungen beziehungsweise –verbote zu steuern.

Etwas schwieriger als der bessere Schutz von Wohnungen und industriellen Produktionsstätten vor dem Wetter ist der Aufbau einer klimaresistenteren Landwirtschaft. Sie ist nicht nur durch Überflutungen bedroht, sondern auch durch Dürren. Das Prinzip, wie man einem Ausbleiben von Regen begegnet, entdeckte der Mensch bereits vor Jahrtausenden: Durch künstliche Bewässerung. Allerdings hilft es gegen die Abhängigkeit vom Wetter nur bedingt, wenn man, wie im Jemen, immer tiefere Brunnen in ein absehbar endliches Grundwasser bohrt, mit denen man Kath-Sträucher bewässert. Nicht jede Gegend ist für jede Art von Landwirtschaft geeignet. Ob die großen Fortschritte, die die Meerwasserentsalzung machte, zusammen mit dem Einsatz von Wind- und Sonnenenergie zukünftig auch einen ökonomisch lohnenden Einsatz in der Landwirtschaft erlauben, wird sich zeigen.

Eine andere Möglichkeit, dem Wetter zu begegnen, ist die Zucht klimaresistenter Pflanzen. Der Erfolg von Konzernen, die daran forschen, war in den letzten Jahrzehnten jedoch begrenzt. Angesichts der verhältnismäßig großen Sprünge, die staatliche Institute im 20. Jahrhundert machten, würde es dem Fortschritt möglicherweise mehr nutzen, wenn die indirekten Subventionen, die Verbraucher derzeit über das Patentsystem zahlen, eher einer öffentlichen Forschung zu gute kommen, die ihr Hauptaugenmerk nicht darauf legt, Landwirte technisch in möglichst große Abhängigkeit zu treiben. Dies würde möglicherweise auch der Totalverteufelung der Gentechnik entgegenwirken, in der durchaus Potenzial steckt, das ungenutzt bleibt, wenn die Bevölkerung Angst davor hat, dass Manager großer Unternehmen eher auf den kurzfristigen Shareholder Value als auf Gefahren achten.

Relativ große Fortschritte macht derzeit die Entwicklung von klimaunabhängigem Fleisch, wie es sich Frederik Pohl and Cyril Kornbluth für ihre 1952 erschienene Science-Fiction-Erzählung The Space Merchants erdachten: Auf der am Mittwoch beginnenden European Science Foundation in Göteborg präsentiert der Mediziner Vladimir Mironov einen Truthahnschinken, der nicht von einem lebenden Tier stammt, sondern ganz aus embryonalen Muskelzellen erzeugt wurde, die man mit Chitosan wachsen ließ. Wenn ihm die Anti-Stammzellen-Hysterie keinen Strich durch die Rechnung macht glaubt der Forscher, dass er in Zukunft auch das Problem der Fleischstruktur in den Griff bekommt, die sein nicht marktreifes Produkt bisher noch von durch Bewegung gefestigtem Fleisch unterscheidet. Dann könnte Fleisch ganz nach Geschmack und Wunsch des Verbrauchers Just-In-Time erzeugt werden, ohne dass lange Transporte das Produkt verteuern.

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