Kunst_Newsletter Mai 97

Ars Electronica 97, steirischer herbst 97, Atelier van Lieshout, Die Schwerkraft der Häuser

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Ars Electronica Festival 1997 / FleshFactor - Informationsmaschine Mensch

Ars Electronica Center / Linz / 8. September bis 13. September

Der Mensch soll beim diesjährigen Motto 'FleshFactor - Informationsmaschine Mensch' des Ars Electronica Festivals im Mittelpunkt stehen. Der Mensch, das letzte emanzipierte Individuum, das letzte Original (so will es die Presseaussendung) soll als Schnittstelle einer vernetzten und intelligenten Umwelt agieren und interagieren. Klar, dass so gesehen das Subjekt nicht unversehrt bleibt. Spannend kann aber in jedem Fall die dahinterstehende Subjekt-Objekt-Diskussion sein. Die Frage, die sich stellt, und die auch auf dem stattfindenen Symposium diskutiert werden soll, ist, ob sich in einem hybriden Weltbild die klassische Trennung von Subjekt und Objekt noch aufrecht erhalten läßt. Oder ist dieses 'Ich denke' schon längst ausschließlich als ein Objekt der 'vernetzten Subjektivität' zu 'd e n k e n'.

Man darf gespannt sein, worin sich die diesjährige Ars Electronica inhaltlich und künstlerisch-formal von den anderen Festivals wie 'Genetische Kunst - Künstliches Leben' etc. unterscheidet. In jedem Fall, kann, wer will, sich bereits jetzt in die laufende Diskussion auf der Mailinglist einschalten. Das Thema der Mailinglist ist das Festivalthema.

Ort: Ars Electronica Center, Hauptstraße 2, 4020 Linz
Öffnungszeiten Center:
Mi bis So, 11.00 bis 19.00 Uhr
Öffnungszeiten Center:
durchgehend
Festivaldauer:
8. September bis 13. September
Festivalbuch und Buch für Prix Ars Electronica:
Springer Verlag
Bestellung des Ausstellungskataloges:
Ars Electronica Center, Hauptstraße 2, 4020 Linz
web.aec.at/fest/fest.html

Atelier van Lieshout

Kölnischer Kunstverein / Köln / 5. April bis 1. Juni 1997

Eigentlich liegt schon das Programm der Kunst im Künstlernamen: Atelier van Lieshout zeigt vom 17. Mai bis 12. Juni 1997 seine neuesten Produkte im Kölnischen Kunstverein. Es werden 'Produkte' und nicht künstlerische Arbeiten gezeigt, schon alleine deswegen, da sie eben einem Atelier und nicht des Künstlers originärer Hand entspringen. Atelier van Lieshouts Produkte zielen auf einen gänzlich anderen Kunstbegriff jenseits eines Kunstbetriebes mit Galerien, Museen und anderen Dealern ab. Die Kataloge, gestaltet wie Versandkataloge von Einrichtungshäusern, bieten die Ware mittels Bestellnummern und Farbtabellen feil.

Tische, Beistelltische, Regale, Waschbecken, Badewannen, ja ganze Küchenzeilen, Bar- oder Wohnwageneinrichtungen muten wie Designermöbel an, wenn da nicht der zweite Blick auf die Exaktheit der Produktion der Gegenstände fiele: zusammengehämmert oder geschraubt, bei den Abschlüssen kurz einmal mit dem Pinsel herumgefahren - grobschlächtig. Ganz so als ob doch die Obsessivität des Künstlers im Spiel gewesen wäre, als er die Arbeiten schuf. Atelier meint eben doch auch Künstlerwerkstätte. Auch das Colorit der Objekte deutet die Doppeldeutigkeit. Wohl ist nahezu alles monochrom gehalten, was den Arbeiten Designcharackter verleiht, doch ist aus der Nähe betrachtet der Farbauftrag meist auf Fieberglas, was einem wiederrum die Pastosität von gepinselter Farbe vermittelt. Einmal den Widerspruch entdeckt, erkennt man ihn überall. So wird die schnieke Metzgereieinrichtung ein einziges S&M-Kabinett. Selbst die eingelegten Würstchen erinnern an Fäkalien. Sexualität als weitere Methapher für des Künstlers Obsessivität. Die Schlafstätte am Dach der Metzgerei ist daher nicht zufällig des Künstlers Schlafgemach, samt den Spuren der letzten Nächte. Ein umgebauter und gestalteter Wohnwagen, ebenfalls serienmäßig herstellbar, ist ebenso als mobiles Liebesnest auszumachen und die Le-Corbusier-Liege ist wegen ihres zusätzlichen Schalengehäuses - selbstverständlich schön im Design - ein bequemer Platz für Onanie. 'Hausfreund' ist der Titel der Ausstellung. Das Möbelimperium ist dabei wohl nicht alleine gemeint. Das Inkognito eines erotischen Hausfrauenseitensprunges in der Küche ist eben auch eine Form von Obsessivität.

Ort: Cäcilienstraße. 33, 50667 Köln
Öffnungszeiten:
Di bis So, 11.00 bis 17.00 Uhr
Ausstellungsdauer:
17. Mai bis 12. Juni 1997
Ausstellungskatalog:
mit einem Text von Bart Lootsma
Bestellung des Ausstellungskataloges:
Tel.: 0221 / 217021
Fax: 0221 /210651
www.isp.de/koelnischerkunstverein

Steirischer Herbst / Körper in Gesellschaft

Graz / 25. September bis 31. Oktober

Der zum 30sten Mal stattfindende Steirische Herbst zeigt zum Thema 'Körper in Gesellschaft' an verschiedenen Stellen in Kooporation mit der Camera Austria - Labor für Fotographie und Theorie - ein Symposium über Fotographie, mit dem CCW das Hörfest 'Body Limits', mit dem Forum Stadtpark Theater 'Yoko Tawada', dem Grazer Kunstverein die Ausstellung 'Need for Speed' und der Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum die Ausstellungen '2000 minus 3 - Räume der Gegenwart' von Claude Cahun und 'If (Subjekt = virtuelles Subjekt ; Symbolkultur?, 0) von Markus Huemer. Desweiteren werden in der Galerie + Edition Atelier, der Galerie Bleich-Rossi usw. Ausstellungen und Auftragsarbeiten wie 'collaboration' von Sol LeWitt / Roland Dahinden, 'AREAL A' von Granular Synthesis stattfinden. Schwerpunkte des Steirischen Herbstes werden zweifelsohne die Ausstellung 'Zonen der Ver-Störung', welche von Silvia Eibelmayer kuratiert wird (Ko-Kuratoren: Kathy Rae Huffman) und das Projekt Endoscape / Technoscape.

Es scheint dies der Spätsommer der Körper in Österreich zu werden, da sich neben der Ars Electronica auch der Steirische Herbst um dieses Thema annimmt. Die sich infolge der dritten industriellen Revolution verändernden technischen Kommunikationsmedien verschieben den Körper, das menschliche Individuum, in ein neues Gefüge von Privatheit und Öffentlichkeit. Dadurch daß die Technologie soziale Kommunikation bestimmt, definiert sie auch die Orte, an denen Individuen ihre sozialen Bezüge (er)leben. Hybrid und polymorph geschachtelte, vernetzte Gesellschaftsysteme sind die Orte an denen der menschliche Körper die Schnittstelle für Konfliktzonen ist.

Ort: verteilt an mehreren Orten in Graz,
Organisationsbüro Sackstraße 17/I, 8010 Graz
Ausstellungsdauer:
25. September bis 31. Oktober 1997
www.ping.at/members/stherbst

Die Schwerkraft der Häuser / Ars Electronica Center

Linz / 13.Mai bis 25.Juni

'Res publica' wäre der geeignetste Begriff, von dem aus man sich dem Thema der Vorstellungsreihe annähern könnte. Staat und Gemeinwesen sind die eigentlichen Übersetzungen. Öffentlichkeit wird im Handout angeführt. Ob es nun das soziale Zusammenleben beziehungsweise die Organisation dieses ist oder ob es um die Öffentlichkeit in so einem sozialen Gefüge geht, beides soll in Bezug auf den realen und den elektronischen Raum von Architekten, Städteplanern und Medientheoretikern (siehe unten) in einer Vortragsreihe kontroversiell diskutiert werden.

Ort: Ars Electronica Center, Hauptstraße 2, 4020 Linz
Öffnungszeiten Center:
Mi bis So, 11.00 bis 19.00 Uhr
Öffnungszeiten Center: durchgehend

Vorträge:
1. Rüdiger Lainer (Ereignis und Tektonik); Dienstag, 13. Mai 1997, 20.00 Uhr
2. Edouard Bannwart (Cybercity - eine virtuelle Orientierungsumgebung); Dienstag, 20. Mai 1997, 20.00 Uhr
3. Saskia Sassen (A topoggraphy of private digital space), Mittwoch, 28. Mai 1997, 20.00 Uhr
4. Theo Groothuizen (Utor ergo sum. The change from products to services in public domain); Freitag, 13. Juni 1997, 19.00 Uhr
5. Juerg Meister (Nextroom - architektur im netz); Mittwoch, 25. Juni 1997, 20.00 Uhr
6. Emilio Lopez-Galachio (The Able Skin); Mittwoch, 25. Juni 1997, 20.00 Uhr
www.aec.at/schwerkraft

Do It / Kunstverein Gütersloh

Gütersloh / 20. Mai bis 7. Juni 1997

Die Idee der Ausstellungskonzeption, welche Hans-Ulrich Obrist entwickelte, geht zurück auf das »unglückliche Ready-Made« (»ready-made malheureux«) von Marcel Duchamp von 1919, bei dem der Künstler von Argentinien aus Anweisungen für die Balkonarbeit gibt, und auf Aufzeichnungen Duchamps mit dem Titel »Spéculations«, wo man ebenfalls Handlungsanweisungen findet. Auch in der Ausstellung »Do It«, welche vom 20. Mai bis 7. Juni 1997 im Kunsterverein Gütersloh gezeigt wird, gaben Künstler Handlungsanweisungen, die vor Ort realisiert wurden. Die Künstlerliste ist: Christian Boltanski, Maria Eichhorn, Fabrice Hybert, Ilya Kabakov, Mike Kelley, Alison Knowles, Bertrand Lavier, Yoko Ono, Michelangelo Pistoletto, Emilio Prini, Rirkrit Tiravanija, Lawrence Weiner u.a.

Ort: Kunstverein Kreis Gütersloh, Am Alten Kirchenplatz 2, Veerhoffhaus, D-33330 Gütersloh
Öffnungszeiten:
Di bis Fr, 15.00 bis 18.00 und Sa + So 11.00 bis 14.00
Ausstellungsdauer:
20. Mai bis 7. Juni 1997
Tel. & Fax: 0049 - 5241 - 1 34 66
http://www.c-lab.de/~gerd/doit97

Thomas Locher / Galerie Urs Meile

Luzern / 20. Mai bis 7. Juni 1997

Fünf Stühle um einen runden Tisch im Kreis wie ein Tafelbild an die Wand montiert, fünf weitere Stühle, ebenfalls im Kreis, an der Wand und zwei Fenster in den Maßen 140 x 140 cm mit dem Arbeitstitel »langue/parole« sind die neuesten Arbeiten des Künstlers Thomas Locher. Zwei Schriftbilder, welche den Titel »Tür-Text« tragen, sind zudem in der Galerie Urs Meile zu sehen. »Ich; du; er; sie;... irgendjemand; wer auch immer; du da; etc.« steht auf dem runden Tisch geschrieben. Spiegelverkehrt ist dann darauf noch »eine Frage ergeht an jemanden. auf die Frage wer? antwortest du.« zu lesen.

Was auf den ersten Blick wie sinnentleerte Allerweltssätze aussieht, stellt sich nach einiger Zeit als ein exakte Analyse der Ontologie von Kunstobjekten einerseits und der Linguistik andererseits heraus. Locher befragt konsequent die sozialen Systeme und deren Verhältnis zu ihrem Informationsträger, der Sprache. »ich frage dich; Ich frage dich etwas; ich frage dich, weil du da bist; ich erwarte deine Antwort; die Frage richtet sich an dich, und nur an dich; ich weiss, dass ich keine Antwort... «

Ort: Galerie Urs Meile, Rosenberghöhe 4a, CH-6004 Luzern
Öffnungszeiten:
Di bis Fr, 15.00 bis 19.00 und Sa 14.00 bis 16.00
Ausstellungsdauer:
24. Mai bis 5. Juli 1997
Tel.: 0041 - 41 - 4 20 33 18
& Fax: 0041 - 41 - 4 20 21 69