Leihmutter wider Willen

Die Regel, dass die Mutter eines Kindes immer feststeht, gilt durch die zunehmende Beliebtheit der reproduktionsmedizinischen Hilfen nicht mehr, wie ein Fall in Italien zeigt

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Eine gute Lösung, das Versprechen einer von technischen Möglichkeiten inspirierten Moderne, gibt es in diesem Fall nicht, zumindest nicht für alle Beteiligten. In einer italienischen Klinik, an die sich Paare mit dem Wunsch nach einer künstlichen Befruchtung wendeten, wurden einer Frau versehentlich die falschen Embryonen eingesetzt.

Die Familiennamen zweier Frauen wären sehr ähnlich, heißt es. Das Versehen kam bei einer Untersuchung im dritten Schwangerschaftsmonat zu Tage; die Kinder, Zwillinge, kamen später gesund zur Welt zur großen Freude von zwei Mamas und Papas. Doch stritten sich die zwei Elternpaare seit der Entdeckung des Versehens darum, wer nun jetzt die Kinder zugesprochen bekommt und sie zuhause aufziehen darf, die biologischen Eltern, von denen Eizelle und Spermium stammen, oder das Elternpaar, für das unser Wortschatz noch keine Bezeichnung hat? Von Leiheltern kann man in diesem Fall kaum sprechen, von natürlichen auch nur zum Teil.

Das mit der Lösung der Frage befasste Gericht in Rom entschied zugunsten der Mutter, die die Kinder ausgetragen hat, und des mit ihr verheirateten Mannes.

Weil Italien ein Land mit katholischer Tradition ist, gilt als Mutter die Frau, die ein Kind zur Welt bringt und als Vater der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Frau, die das Kind zur Welt bringt, verheiratet ist, wenn sie dies so in der Geburtsurkunde erklärt. Dass das Embryo von einer anderen Frau als der Gebärenden stammen könnte und es später Streit über das sich daraus entwickelnde Kind geben könnte, hat das italienische bürgerliche Gesetzbuch anscheinend noch nicht berücksichtigt. Streitigkeiten über die Vaterschaft dagegen haben Tradition und das Zeug, Ehen zu zerstören, weswegen man seit jeher auf den durch den "heiligen Bund" ermächtigten Vater achtete.

Wer darf sich binden? Foto: Portraitlady4306; gemeinfrei

Die Richterin tat sich mit ihrer Entscheidung nach einem Bericht des Nouvel Observateur nicht leicht; der Fall hatte in Italien große Emotionen in der öffentlichen Debatte ausgelöst und war entsprechend aufgeladen. Sie hatte in ihrer Entscheidung gegenüber dem oben genannten zivilgesetzlichen Leitsatz "Mutter ist, wer das Kind gebiert" nicht viel Spielraum.

Darüberhinaus machte sie Gefühlsbindung geltend, die schon kurz nach der Geburt zwischen den Kindern und der Familie aufgebaut werde. Daraus lasse sich ein Anspruch des Kindes folgern auf eine "Bewahrung dieser Verbindung". Damit wird der Streit und der dahinterstehende Grundkonflikt der Ansprüche von biologischen Eltern und den "Schwangerschafts-Sakrament-Eltern"(?) nicht beendet sein. Ein Einspruch beim italienischen Verfassunsggericht ist nicht möglich, so der Nouvel Observateur. Aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wäre eine geeignete Adresse.