Licht ins Dunkel des Quantenrechnens

In "dark states" gefangene Photonen könnten den Weg zur Realisierung eines Quantencomputers zeigen

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Einen Quantencomputer zu konstruieren ist ein, wenn auch nicht uralter, Menschheitstraum. In Quantenzuständen gespeicherte Bits (Qubits) sind den herkömmlichen Nullen und Einsen des Binärzeitalters überlegen: Quantenzustände lassen sich verlustfrei mischen und überlagern, was massiv parallele Verarbeitung zum natürlichen Rechenweg macht. Über Geschwindigkeitsgewinn, neue Anwendungen, womöglich eine neue Theorie der Berechenbarkeit, lässt sich nur spekulieren.

Wer einen Quantencomputer bauen möchte, hat allerdings ein Problem: Wie speichert man Quantenzustände dauerhaft und stabil? Nehmen wir als Beispiel für ein Quantenbit, ein Qubit die Polarisation eines Photons. Das Photon kann auf genau zwei Arten polarisiert sein, die Polarisation lässt sich problemlos einstellen und später messen – perfekt. Es gibt aber eine Schwierigkeit: Das Photon bleibt nicht an Ort und Stelle, sondern bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit durch die Gegend. Fängt man es jedoch ein, sagen wir mit Hilfe eines CCD-Elements, geht bei der Absorption die Information über den Quantenzustand verloren – das Qubit ist zerstört.

Aber ist denn die Lichtgeschwindigkeit ein Problem? Nein, denn schon 1999 gelang es der Physikerin Lene Hau an der Harvard University, Lichtpulse auf die Geschwindigkeit eines Fahrradfahrers einzubremsen, und 2001 wurde Licht von ihr "angehalten". Ist jetzt die Lichtgeschwindigkeit c = 0 ? Nicht ganz; was tatsächlich geschieht, ist, dass die Information über die Modulation eines Lichtpulses von einigen Mikrosekunden Dauer, und damit einer Länge von wenigen Kilometern, in einer Wolke von Natriumatomen festgehalten wird, die nur einen Zehntelmillimeter groß ist.

Lene Hau in der Harvard Gazette vom 24.01.01 (Bild: Kris Snibbe)

Die Realisierung sieht im Prinzip folgendermaßen aus: Eine Anzahl von Atomen im energetisch niedrigsten Zustand (Grundzustand) wird von zwei Laserstrahlen beleuchtet, dem sogenannten "coupling beam" und dem "signal beam". Dabei koppelt der "signal beam" an die beleuchteten Atome, es entsteht eine quantenmechanische Verschränkung – "dark state" (Dunkelzustand) genannt. Der "coupling beam" sorgt dafür, dass die Verschränkung nicht wieder zerfallen kann. Die Geschwindigkeit des Lichtimpulses nimmt dabei ab (wie in einem optisch dichten Medium mit hohem Brechungsindex).

Das absolut Merkwürdige geschieht, wenn man den "coupling beam" herunterdimmt: Je schwächer dessen Intensität, desto langsamer scheint sich der "signal beam" zu bewegen, und wenn der "coupling beam" ausgeschaltet ist, wird der "signal beam" komplett eingefangen und "hält an"! Fährt man den "coupling beam" dann wieder hoch, verlässt der "signal beam" die Atomwolke wieder, genauer gesagt, anhand der Atomzustände – in denen die Information des "signal beams" noch vorhanden ist – wird ein identischer Lichtpuls generiert. Diese begrifflich kaum zu erfassende Möglichkeit, Licht zu kontrollieren, lässt die Realisierung eines Quantencomputers möglich erscheinen.

Wie die Schildbürger: Licht einfangen

Auf dieser Fährte jagen, wie die Zeitschrift New Scientist in ihrer Ausgabe vom 22. Mai 04 berichtet, neben Hau und ihren Kollegen eine Reihe von Forscherteams, unter anderem das von Jeff Kimble am California Institute of Technology (Caltech). Dort gelang es sogar, einzelne Photonen (in ultrakaltem Cäsium) zu speichern und wieder auszulesen, insbesondere dabei das Rauschen vom Signal zu trennen und die Korrelation zwischen ihnen einzeln nachzuweisen.

Einen anderen Ansatz verfolgt Michail Lukin, ebenfalls von der Harvard University. Lukin experimentierte mit zwei "coupling beams", die er zur Interferenz brachte, so dass Verstärkungs- und Auslöschungszonen miteinander abwechselten. Für den "signal beam" bedeutete das Zonen vollständiger Kopplung an die Atome des Gases (Geschwindigkeit Null) und Freisetzung in den dazwischenliegenden Bereichen. Es bildeten sich stehende Wellen – wirklich und wahrhaftig "gefangenes Licht". Der nächste Schritt wäre, mehrere "signal beams" zu verwenden und herauszufinden, ob sie sich kontrolliert zur Wechselwirkung bringen lassen, um tatsächlich Informationsverarbeitung zu erreichen.

Noch ist die "Lichttonne" schwierig zu realisieren

Eine der vielen Schwierigkeiten bei einer Realisierung des Quantencomputers auf diesem Weg ist natürlich, dass die Speichermedien, die Tieftemperatur-Gaswolken (die nur bei extrem tiefem Druck gasförmig bleiben, also eine Vakuumkammer brauchen) sich nicht so recht für die Massenfertigung eignen. Es gibt aber Hinweise, dass sich die Phänomene in Kristallen ebenso erzeugen lassen, also bleibt es ein Ansatz mit Realisierungspotenzial. Davon abgesehen, bietet die Möglichkeit, verschränkte Quantenzustände dauerhaft stabil zu halten, noch ganz andere Ausblicke, zum Beispiel für hochpräzise Zeitmessung an der Universität Bonn.

Bei den "dark states" sind noch viele Überraschungen zu erwarten.