Lindner auf Gauweiler-Kurs

Der FDP-Vorsitzende plädiert für einen zeitlich begrenzten Grexit

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In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) fordert der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, kein weiteres Steuergeld nach Griechenland zu pumpen, wenn sich das Land "Reformen verweigert". Stattdessen plädiert er dafür, dass "chronisch unsolide Mitglieder" die Währungsunion "mindestens zeitweise" verlassen. Solch einen Ausstieg auf Zeit hatte bislang vor allem Peter Gauweiler vertreten, der am 31. März sein Bundestagsmandat und seine Parteiämter niederlegte, nachdem ihn die CSU-Führung dazu zwingen wollte, in Euro-Fragen gegen frühere Versprechungen zu stimmen.

Dass Lindner - der sich in der Vergangenheit eher als EU-Euphoriker gab - nun (für viele Beobachter überraschend) für einen temporären Grexit plädiert, könnte damit zusammenhängen, dass die FDP, die es im Februar, März und April in bundesweiten Umfragen über fünf Prozent geschafft hatte, seit einigen Wochen erneut unterhalb dieser Hürde landet. Nachdem letzte Woche auch die EU-kritische Alternative für Deutschland (AfD) wegen eines parteiinternen Machtkampfs unter diese Hürde rutschte, sieht Lindner möglicherweise neues Wählerpotenzial, das er mit entsprechenden Äußerungen für seine Partei abschöpfen kann. Ob eine Partei aus solchen Versprechungen tatsächlich Politik macht, wenn sie wieder die Gelegenheit dazu hat, steht auf einem anderen Blatt.

Christian Lindner Foto: Gerd Seidel. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Machen griechische Regierungen immer neue Versprechungen, die sie nicht einhalten, dann gefährden ausbleibende Konsequenzen Lindners Ansicht nach den "Gedanken des vereinten Europa" stärker als ein Ruhenlassen der Euro-Mitgliedschaft Griechenlands. Auch ein Brexit - ein Ausstieg Großbritanniens aus der EU - würde die Fliehkräfte nach Meinung des FDP-Vorsitzenden in größerem Ausmaß stärken als ein Grexit.

Diesen EU-Ausstieg könnten Engländer, Schotten, Waliser und Nordiren in zwei Jahren beschließen, wenn Premierminister David Cameron nach der Parlamentswahl am Donnerstag wieder der Regierung vorsteht. Cameron betonte am Sonntag, er werde sich auf kein Regierungsbündnis einlassen, dessen Programm keine Volksabstimmung über einen EU-Ausstieg vorsehe. Nick Clegg, der Vorsitzende der EU-euphorischen Liberaldemokraten (die aktuell mit den Tories koalieren) ist gegen ein Referendum, macht den Verzicht darauf aber nicht zur Bedingung für eine erneute Koalition.

Im Dezember hatten 42 Prozent der Briten angegeben, bei einem Referendum für einen Austritt aus der Europäischen Union zu votieren. Deutlich weniger - nämlich 37 Prozent - sprachen sich für einen Verbleib in der EU aus. 21 Prozent hatten sich noch nicht entschieden oder gaben sich grundsätzlich uninteressiert.

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