Linkes E-zine Trend vom Provider abgehängt

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Wieder einmal ist in Deutschland eine linksradikale Website in Schwierigkeiten. Doch diesmal ist ist es nicht die Bundesanwaltschaft, die für Recht und Ordnung im Internet sorgen will, sondern der Provider.

Wieder einmal ist in Deutschland eine linksradikale Website in Schwierigkeiten. Doch diesmal ist ist es nicht die Bundesanwaltschaft, die für Recht und Ordnung im Internet sorgen will. "Trend - die Onlinezeitung für die alltägliche Wut" ist vom eigenen Provider aus dem Netz befördert werden. "Trend", die seit zwei Jahren "linke Gegenöffentlichkeit" im Internet bieten, sind vom Server von BerliNet verschwunden - nach Ansicht ihres Redakteurs Karl-Heinz Schubert, ohne genug Zeit zu haben, sich einen neuen Provider zu suchen.

Außer eigenen Artikeln hat "Trend" auch redaktionelle Beiträge von einigen der bekanntesten linksradikalen Blättern online zugänglich gemacht: außer den letzten Ausgaben der "Interim", deren Redaktionsräume Ende des vergangenen Jahrs von der Berliner Polizei durchsucht worden waren, auch von Kalaschnikow, der Sozialistischen Zeitung (SOZ), A-Kurier, Bahamas und der Linkskurve. Als Anfang 1997 die Bundesanwaltschaft Jagd auf Web-Sites machte, die Hotlinks zu der Online-Ausgabe von "Radikal" auf einem holländischen Server anboten, hatte "Trend" die einzigen deutsche Mirrorsite des linksradikalen Blattes. Außerdem gab es neben Material zur Geschichte der APO, dem KPD- Verbot, und dem "deutschen Herbst" auch eine komplette Ausgabe des Marxschen Kapitals zum Download.

Die insgesamt 35 MB Daten sind nun bis auf weiteres nicht mehr online zugänglich. Zwar hat "Trend" bei "Ourworld", von Compuserve eine Notseite eingerichtet. Aber der größte Teil des Materials, das bei "Trend" gespeichert war, ist vorerst offline, weil bei Compuserve nur zwei MB abgelegt werden können.

Wer die alte URL von "Trend" in den Browser eingibt, findet nur noch eine Pressemitteilung von BerliNet, die den Abgang von "Trend" kommentiert. Einen Link zu der neuen Site von "trend" gibt es nicht. Für Karl-Heinz Schubert von "trend" ein Fall von Zensur: Berlinet habe befürchtet, wegen der "Interim"-Ausgaben strafrechtlich verfolgt zu werden.

Bei BerliNet sieht man das ganze freilich etwas anders: Für einen "ganz normalen Geschäftsvorgang" hält Andreas Baumann, der Vereinsvorsitzende von BerliNet, die Entfernung der gesamten "Trend"- Site. Seine Version der Geschichte: "Trend" habe den dem Magazin zustehenden Platz auf dem Server mehr als ausgeschöpft; die Redaktion habe nur drei Email-Accounts bei "BerliNet" gehabt, aber trotzdem 35 MB auf dem BerliNet-Computer beansprucht. Auf eine schriftliche Abmahnung im Mai des vergangenen Jahres habe die Redaktion nicht reagiert. Daraufhin habe man nun die gesamte Site entfernt - nicht gelöscht, wie er hervorhebt, von den Daten gäbe es eine Sicherheitskopie.

Daß der ehemalige Vereinsvorsitzende Bernd Rockmann "Trend" unbegrenzten Platz auf dem Server-Computer von Berlinet zugesagt haben soll, wie die "Trend"-Redaktion behauptet, ist nach Baumanns Ansicht nicht relevant: "Jede mündliche Abmachung bedarf der Schriftform", erinnert er. "Trend" hat allerdings auf seiner Notseite die Kopie einer Email aus dem Juni 1996 von Rockmann, der ihnen Webspace anbietet - allerdings nur 10 MB. Eine schriftliche Abmahnung will man weder im Mai 1997 noch in den letzten Tagen erhalten haben.

BerliNet ist ein Zusammenschluß von Berliner Mailboxen, der ein Gateway zum Internet bietet. Erst kürzlich hat der Verein seine Räume an der Friedrichstrasse in Kreuzberg aufgegeben, und war nach Reineckendorf in die Flottenstrasse gezogen. Unter der selben Andresse wie der Verein befindet sich auch die Computerfirma IMU, die dem Vereinsvorsitzenden Baumann gehört, und in deren Büro nun der Server von BerliNet steht.

"Trend" will auf jeden Fall weitermachen. Andere linke Projekte wie "Squat.net" und "Nadir" haben dem Magazin bereits angeboten, die verschwundenen Daten zu spiegeln. Bei "Trend" denkt man darüber nach, langfristig zusammen mit anderen linken Blättern eine eigene Domain einzurichten.