Live-Berichterstattung von den 1. Mai-Krawallen in Berlin

Internet-Newsticker mit Redaktionssystem für schnelle Berichterstattung vor Ort

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Big Brother ist überall. Und trägt meistens eine grüne Uniform. Aber jetzt hat der allwissende Überwacher Konkurrenz bekommen. Wurde bisher nämlich bei Demonstrationen, ob gewalttätig oder nicht, fast alles von polizeilichen Dokumentationsgruppen in Bild und Schrift festgehalten, so schwirrten nun zum ersten Mal bei den Berliner 1. Mai-Krawallen gleich zwei Gruppen aus, um in Konkurrenz zur Polizei und zu den traditionellen Medien über die Ereignisse zu berichten. Schneller und lebendiger - dank des Internet. Und erstaunlich seriös und objektiv - trotz offenkundiger Sympathie mit den Demonstranten.

Zum einen war dies die Gruppe um die hannoversche Chaos-Tage-Legende Karl Nagel, der auf seiner Netzseite zwei Tage lang rund um die Uhr einen wirklich schnell tickenden Newsticker geschaltet hatte. Eigens zu diesem Zweck wurde von ihm zuvor ein kleines Redaktionssystem entwickelt, ein Programm, das ähnlich arbeitet wie man es beispielsweise von Netz-Gästebüchern kennt und das erstaunlich einfach funktioniert.

Nagels Berichterstatter vor Ort mussten, um ihre Neuigkeiten von den Krawallen ins Netz zu stellen, dabei lediglich eine Passwort geschützte Netzseite aufrufen. Dort wiederum dann in eine Maske ihre Texte eintippen, danach reichte wiederum ein Mausklick und schon war die Nachricht auf der dafür eingerichteten Internet-Sonderseite. Und wer nun erwartet hatte, dass es genau dort dann sprachlich martialisch zur Sache gehen und polemisch über "Bullenschweine" usw. hergezogen würde, der wurde überrascht von einer betont sachlichen Sprache und äußerst detaillierten Berichten. Die zuweilen sogar Infos enthielten, von denen in den traditionellen Medien kein Wort zu lesen war. Beispielsweise vom Aufruf der Berliner Antifa, die Eröffnung der Expo 2000 massiv zu behindern.

Genau dort, also bei der Anfang Juni anstehenden Anti-Expo-Aktionswoche und den für den August geplanten Chaos-Tagen in Hannover, will Karl Nagel nach dieser tatsächlich gelungenen Generalprobe wieder mit seinem ungewöhnlichen Infodienst mitmischen.

Mitgemischt hat am 1. Mai in Berlin auch eine Videogruppe, die die Geschehnisse fast live ins Internet übertrug. Mit fünf Kameras wurden die Auseinandersetzungen im Bild festgehalten, dann von einem Kurier in die Sendezentrale gebracht und dort auf den Seiten von www.kanalb.de als Video ins Netz gestellt - unter dem ironischen Motto: "Wir bringen die Revolution ins Wohnzimmer!" Bleibt zu hoffen, dass zumindest dort die revolutionäre Auseinandersetzung friedlich abgelaufen ist.

Dennoch ist es wohl mehr als eine kleine Überraschung, dass beide Gruppen keineswegs eine Art von Gegeninformationsdienst ins Netz gestellt hatten, sondern auf ihren Seiten eher zusätzliche und ergänzende Informationen zu der Berichterstattung der traditionellen Medien lieferten.