Löschanspruch nach Beziehungsende

Der BGH hat entschieden, dass Nacktfotos nicht über das Ende einer Affäre hinaus aufbewahrt werden dürfen, wenn die Zustimmung dazu "konkludent" zeitlich begrenzt war

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Urteil mit dem Aktenzeichen VI ZR 271/14, das der Bundesgerichtshof (BGH) gestern veröffentlicht hat, erinnert ein wenig an die Serie House of Cards: Darin geht es nämlich um einen Fotografen, der ein sexuelles Verhältnis zu einer (nicht mit ihm) verheirateten Frau unterhielt, wie Claire Underwood das mit dem Fotografen Adam Galloway tat. Und ebenso wie der Fotograf in der Serie fertigte auch der im richtigen Leben intime Fotos von seiner Gespielin an, die diese nach dem Ende des sexuellen Verhältnisses gelöscht haben wollte.

Weil der Fotograf in der realen Welt der Meinung war, die Frau habe zwar einen Anspruch darauf, dass er die Fotos nicht verkauft, veröffentlicht oder sonst wie weitergibt - aber nicht, dass er sie löscht, ging der Fall durch die Gerichte und bis zum BGH. Der entschied, dass die Fotografierte aufgrund ihrer Persönlichkeitsrechte einen Anspruch darauf habe, dass bestimmte Fotos von ihr gelöscht werden: Nämlich solche, die sie "vor, während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr" zeigen und solche, auf denen sie nur Unterwäsche an hat oder auf denen man ihre nackten Brüste oder ihre Vagina sieht.

Voraussetzung für so einen Löschanspruch ist dem BGH nach, dass der Abgelichtete "seine Einwilligung in die Anfertigung und die Verwendung der Aufnahmen auf die Dauer der Beziehung - konkludent - beschränkt hat". Auf die in der Rechtswissenschaft umstrittene Frage der Möglichkeit eines Widerrufs einer Einwilligung zum Fotografiertwerden musste der BGH deshalb gar nicht eingehen.

Ob eine konkludente - also nonverbal durch schlüssiges Handeln ausgedrückte - Einwilligung vorliegt, wird dem BGH zufolge nach den Umständen des Einzelfalles entschieden. Im vorliegenden Einzelfall sah er es als glaubhaft an, dass eine verheiratete Frau keine dauerhafte Einwilligung abgeben wollte, als sie sich beim Ehebruch fotografieren ließ. Wäre das Modell eine professionelle Pornodarstellerin oder eine Prostituierte, dann käme man in einer Einzelfallentscheidung wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis - abgesehen davon, dass in solchen Fällen regelmäßig schriftliche Verträge vorliegen.

Hier fungierte der Zahn der Zeit als Zensor: Geschlechtsaktsdarstellungen aus Pompeji.

Bei der Abwägung der geschützten Rechtsgüter auf beiden Seiten kam der BGH zum Ergebnis, dass die Persönlichkeitsrechte der Ehebrecherin den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Fotografen überwiegen. Auf den Eigentumsschutz in Artikel 14 und auf die Kunstfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes kann sich der Beklagte nach Meinung des BGH nicht berufen, weil die Einwilligung nur zeitlich begrenzt abgegeben wurde. Beim Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes, der freien Berufsausübung, sehen die BGH-Juristen nicht einmal den Schutzbereich eröffnet, weil die Zustimmung konkludent nur für private Fotos erfolgt sei.

Bei den Persönlichkeitsrechten der Klägerin berücksichtigten sie, dass der Schutz insbesondere "Angelegenheiten" umfasst, "die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als 'privat' eingestuft werden, [...] weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es gerade im Bereich der Sexualität der Fall ist." Außerdem glauben die drei Richter und zwei Richterinnen des VI. Zivilsenats auch an ein "Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner nicht offenbaren zu müssen, sondern selbst darüber befinden zu können, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird."

Inwieweit das Urteil lebensnah ist, ist allerdings fraglich: Wer der Überzeugung ist, dass Aktfotos künstlerisch wertvoll oder wichtige Erinnerungen sind, der wird wahrscheinlich Kopien behalten, auch wenn er behauptet, alle gelöscht zu haben. Verwahrt er diese Kopien entsprechend verschlüsselt, lässt sich das faktisch auch mit (hier wahrscheinlich grob unverhältnismäßigen) Durchsuchungen und Beschlagnahmen nicht verhindern.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.