Loppsi und der "Franzosentrojaner"

Sarkozys neues Gesetzespaket für die Innere Sicherheit: Onlinedurchsuchung, Sperren von kinderpornografischen Webseiten und eine besser ausgestattete und organisierte Exekutivgewalt, die mit schärferen Strafen arbeiten soll

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Das Gesetz mit dem langen trockenen Namen und der nett klingenden Abkürzung Loppsi ist symptomatisch für die Präsidentschaft Sarkozys. Ziel des gestern im Ministerrat vorgestellten Gesetzespaketes mit der amtlichen Bezeichnung Loi d'orientation et de programmation pour la performance de la sécurité intérieure ist die massive Verstärkung der inneren Sicherheit Frankreichs. Das war schon immer eine der politischen Prioritäten von Nicholas Sarkozy.

Wenn seine Innenministerin Michèle Alliot-Marie die Notwendigkeit des neuen Sicherheitspaketes in der Öffentlichkeit und vor dem Ministerrat mit den Worten begründete, dass man die Ordnungskräfte dazu befähigen müsse, dass sie sich den neuen Entwicklungen der Kriminalität besser anpassen können, so könnte man sich nur darüber wundern, warum dergleichen so spät kommt unter der Präsidentschaft Sarkozy. Doch mittlerweile hat man auch die andere Seite von Sarkozy mit den markigen "Innenpolitik mit dem Kärcher-Sprüchen" kennengelernt: Dass seinen vielerlei Ankündigungen manchmal der lange Atem zum Durchbringen eines Gesetzesvorhaben fehlt. Und so ist Lappsi auch in diesem Sinne ein echter Sarkozy: das Vorhaben ist schon eine ältere Baustelle - fertig sei das Gesetz doch eigentlich schon seit 2007, lästerte Le Monde gestern.

Die Zeitung fand für das Gesetz eine Bezeichnung, die ein anderes Charakteristikum Sarkozys gut trifft, nämlich das schnelle, sprunghafte Moment, das Stückwerk seiner Einfälle: eine „Rumpelkammer neuer Mittel und Werkzeuge“ nannte Le Monde das, was die geschätzten vierzig Paragrafen des Loppsi der inneren Sicherheit hinzufügen wollen.

Von der Konzeption her ist Loppsi - wie sollte das unter Sarkozy auch anders sein - groß und modern angelegt. Bei der Armee wird dort gespart, wo sie an historische überkommene Ideen erinnert, etwa bei der dauerhaften Präsenz von französischen Militärkontigenten in „Outre-Mer“. Das im modernen Militärmanagement angesagte Prinzip der schnellen, kleinen Armeeeinheiten statt schwerfälligen Dauerpräsenztruppen gefällt auch Sarkozy. Mit dem eingesparten Geld für feste Anlagen will er in schnelle Truppen der French Homefront investieren – in der Auffassung Sarkozys gehören dazu nicht nur Polizei und Gendarmerie, sondern erstmalig auch Einheiten der sécurité civile , also Feuerwehr und andere zivile Einsatzkräfte. Insgesamt 2,5 Milliarden Euro für die nächsten Jahre bis 2013 sind dafür in jährlichen sukzessiven Steigerungen vorgesehen.

Loppsi bekommt also viel und will viel: von schärferen Regelungen im Straßenverkehr (härtere Strafen bei Alkoholvergehen und Geschwindigkeitsüberschreitungen) und schärferen Sanktionen der Gewalt in Fußballstadien, einer Neuorganisation der Polizeiarbeit - geplant ist eine effektivere Führung - Verfahrenserleichterungen bei DNA-Proben-Prozeduren, besser regulierter Videoüberwachung, die nun auch private Unternehmen einschließt, bis hin zu den heiklen IT-Projekten: der Verstärkung der Onlineüberwachung, dem „Franzosentrojaner“, und der neu formulierten Cyberkriminalitätsbekämpfung, angesprochen wird hier vor allem Identitätsdiebstahl und Kinderpornographie.

Zu den neuen technischen Mitteln, mit denen Strafverfolger laut Loppsi künftig ausgestattet werden sollen, gehört allen voran die Möglichkeit mittels einer „Spionage-Software“ die Computer von verdächtigen Personen zu überwachen – nach erteilter Befugnis durch einen Magistratrichter. Die „Cyber-Hausdurchsuchung“, die vom Innenministerium französischen mit dem Abhören des Telefons verglichen wird, sei vor allem für Fahndungen in Fällen von Terrorismus und Schwerkriminalität gedacht. Bürgerrechtsgruppen und andere Kritiker werden das nicht leichtgläubig hinnehmen. Die Diskussion über Edvige (siehe Adieu Datenbank Edvige! Adieu? und das kürzlich abgesegnete Hadopi-Gesetz (siehe Gruselkabinett der Ideen), das Internet-Sperren für Urheberrechtsverstöße vorsieht, zeigten, dass man der Regierung misstraut und die Öffentlichkeit sich wehren kann.

Die vom Projekt Loppsi beabsichtigten Sperren von Seiten mit kinderpornographischen Inhalten dürften auch in Frankreich zu einigen Diskussionen führen. Die Liste für die zu sperrenden Seiten werden den Internetprovider laut Gesetzesentwurf künftig vom Innenministerium zugeschickt.

Eine Neuerung gibt es auch beim Idenditätsdiebstahl: So sollen auch dann Gefägnisstrafen (bis zu einem Jahr) und Geldstrafen bis zu 15.000 Euro verhängt werden, wenn dem Geschädigten ein „moralischer Schaden“ entstanden ist. Bislang orientierte sich das entsprechende Gesetz einzig am finanziellen Schaden.

Der Gesetzesentwurf wird nicht vor Mitte Juli zur ersten Lesung vor dem Parlament erwartet, bis dahin darf man sich eine rege öffentliche Diskussion erwarten.