MCI - von der Telecom-Company zum Internet-Powerhouse

Internetaccess sucht Internetcontent - nach dem Merger mit Worldcom, nun Allianzen mit WebTV und Yahoo

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Im Kampf um die Augäpfel der Surfer verwischen die Grenzen zwischen den beteiligten Industrien immer stärker. Seit das Internet zur Goldquelle für Unternehmen zu werden verspricht und das Web massenmediale Züge adaptiert, gehen Telekommunikationsgesellschaften, Medienunternehmen, Entertainmentproduzenten und Computerfirmen immer gewagtere vertikale und horizontale Verbindungen ein, die früher kein Mensch für denkbar gehalten hätte. Accessprovider verbrüdern sich mit Contentanbietern, Softwareunternehmen mit Set-Top-Box-Herstellern. Und jedes Töpfchen findet irgendwann sein Deckelchen.

Siehe auch Neo-Monopolist auf Expansionskurs.

Man nehme zum Beispiel das Telekommunikationsunternehmen MCI. Als Long-Distance-Carrier in den USA groß geworden, entdeckte das Unternehmen bereits frühzeitig das Internet als neues Geschäftsfeld und baute von Beginn der Privatisierung des einstigen Militärnetzes an ein leistungsfähiges Internet-Backbone auf. Im November vergangenen Jahres wurde dann die Verlobung mit Worldcom für das Frühjahr bekanntgegeben, die MCI-Worldcom zu einem der größten, wenn nicht sogar dem größten Internet-Access-Provider der Welt macht. Im Dezember folgte eine Allianz mit Microsofts WebTV, dessen "Zuschauer" demnächst über MCI für die US-Standardpauschale von 19.95 Dollar im Monat online gehen können. Kunden, die MCI gleichzeitig als Long-Distance-Carrier gewählt haben, zahlen gar nur 14.95 Dollar. Und der Zugang zum Microsoft Network (MSN) ist obendrein kostenlos, auch wenn aus diesem Grunde allein kaum jemand zu WebTV und MCI wechseln dürfte.

Nun hat MCI durch ein neues Bündnis die Marktbeobachter erstaunt: noch im ersten Quartal wird MCI zusammen mit Yahoo - der meistbesuchten Website - einen weiteren Net-Access-Service anbieten und damit zarte Bande zum Content-Business knüpfen. Der Preis für das Angebot ist noch nicht bekannt, wird aber voraussichtlich im Rahmen der üblichen Pauschalrate liegen. Der Vorteil für Kunden soll sein, daß Newbies beim Einstieg ins Netz gleich von den Directory-Funktionen der beliebten Yahoo-Site Gebrauch machen können und nicht erst in den Weiten des Internet herumirren müssen. Auf der personalisierten Startpage des Services sollen die Nutzer jedenfalls gleich auf sie zugeschnittene Nachrichten, Finanzportfolios oder lokale Unterhaltungsangebote vorfinden. Attackiert werden soll damit vor allem der Onlinedienst America Online (AOL), der mit seinen eigenen Angeboten und seiner betonten Bedienungsfreundlichkeit nach wie vor zahlreiche neue Kunden gewinnen kann.

Die Verbindung sieht vielversprechend aus: der technische Internet-Pionier und langjährige Internet-Accessprovider MCI - das Unternehmen stellte in den USA lange Zeit für kommerzielle Kunden die einzige Alternative dar, E-Mail-Anschluß zu erhalten - schließt eine Allianz mit einem Webveteranen auf der Contentseite, der von vielen Surfern als die Internet-Company angesehen wird. Man darf gespannt sein, wie der gemeinsame Service angenommen wird und welchen Platz er sich im hart umkämpften Internetmarkt erobern kann. Schließlich machen sich die beiden Firmen ja nicht nur selber Konkurrenz - MCI bietet weiterhin unabhängig von Yahoo seinen Internetservice an, und auch Yahoo will seine kostenlosen (!) E-Mail-Accounts weiterhin anbieten -, sondern greifen mit Onlinediensten wie AOL Unternehmen an, die seit Jahren erfolgreich eigene Inhalte, Chatforen und Shoppingmalls mit Internetzugang vermarkten.

Everyone is fighting to be the start page. If you can get people to come to you first, provide them with much of what they need, and keep them there for as long as possible, then there is no reason for them to go somewhere else.

Andrea Williams, Marktanalyst bei Volpe Brown Whelan & Company

Und auch auf der Contentseite ist der Kampf um die Startpositionen im Browserfenster voll entbrannt. Snap beispielsweise, ein Ableger des Nachrichtendienstes Cnet, will ebenfalls als Navigations-Service und Startpage für Netizens dienen, die es leid sind, Tausende von Internetseiten einzeln abzusurfen. 9,8 Millionen Dollar hat die Contentfirma aus San Francisco bisher in dieses Unternehmen investiert - und damit sehr viel Geld und Risikokapital auf den neuen Joker im Cnet-Mix gesetzt. Weitere Konkurrenz erwächst dem Yahoo-MCI-Deal aus den Push-Angeboten und Channelplänen der Browserfirmen und zahlreicher anderer Anbieter von Marimba bis Pointcast, auch wenn der Hype rund um das "neue Internet-Paradigma" (WIRED im März 1997) längst wieder abgeklungen ist. Inwieweit MCI mit seiner neuesten Allianz also tatsächlich glücklich und erfolgreich werden wird, bleibt abzuwarten.