Macht der Einsatz von Computern in der Schule das Lernen schwieriger?

Texte auf Computerbildschirmen sind schwerer verständlich, uninteressanter und unglaubwürdiger als gedruckte

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Vielleicht ist es ja nur ein Generationsproblem oder möglicherweise ist der Bildschirm dafür nicht gemacht, aber eigentlich weiß es ja jeder - bedauerlich für pure Online-Publikationen wie Telepolis -, dass man Artikel auf dem Bildschirm anders liest als ausgedruckte auf Papier. Amerikanische Wissenschaftler haben jetzt nur das Phänomen in Experimenten bestätigt, das auch den Start in ein papierloses Büro bislang mit verhindert hat: Texte auf Computerbildschirmen sind schwerer zu verstehen, nicht so interessant und überdies weniger glaubwürdig.

Für die Erwartungen im Hinblick auf den boomenden Online-Bildungsbereich ist das Ergebnis der Psychologen von der Ohio State University wahrscheinlich nicht gerade förderlich. Sie hatten insgesamt 131 Studenten (67 Frauen, 64 Männer) zwei Artikel aus Times über den von einem Arzt begleiteten Freitod von todkranken Menschen und über Schulintegration lesen lassen. Dabei handelte es sich exakt um denselben Artikel: um den gedruckten Artikel im Heft und den aus dem Heft eingescannten Artikel, der auf einem Bildschirm gelesen wurde. Vor dem Lesen der Artikel füllten die Studenten Fragebogen zu ihrem Wissen und in ihren Ansichten über die in den Artikel angesprochenen Themen aus. Nach der Lektüre mussten die Versuchspersonen wiederum Fragen beantworten, die ihre Verständnis der Artikel testeten und zu klären suchten, wie interessant und überzeugend sie waren.

Ein Drittel der Studenten las die gedruckten Artikel und beantwortete die Fragen auf dem Papier, das zweite Drittel las die Artikel auf dem Bildschirm, aber füllte den Fragebogen auf Papier aus, nur das letzte Drittel machte beides vor dem Bildschirm. Bei allen drei Gruppen nahm das Wissen über die Themen des Artikel zu und näherte sich die Meinung der Lesenden der der Autoren. Aber es gab eben auch wichtige Unterschiede, beispielsweise fanden die Versuchspersonen, die Artikel auf dem Bildschirm lesen mussten, diese schwieriger zu verstehen - unabhängig davon, wieviel Erfahrung sie bereits mit dem Computer gemacht haben. "Es gibt eigentlich keinen Grund dafür, dass sie schwerer zu verstehen sind. Aber wir denken", so die Psychologieprofessorin P. Karen Murphy, "dass Leser Strategien entwickeln, wie sie gedruckte Texte erinnern und verstehen können. Doch die Studenten waren nicht in der Lage, diese Strategien auf Texte auf dem Computerbildschirm zu übertragen."

Überdies wurden die auf dem Bildschirm gelesenen Artikel als nicht so interessant empfunden, was vermutlich damit zusammenhängt, dass sie als schwerer verständlich beurteilt wurden. Und die Autoren wurden als weniger glaubhaft und deren Argumente als weniger überzeugend empfunden: Auch das könnte wiederum darauf zurückzuführen sein, dass die Studenten den Sinn der Artikel nicht so richtig verstanden haben, weswegen sie diesen dann auch nicht als glaubhaft und überzeugend beurteilen. Wie die Fragebogen beantwortet wurden, schien hingegen keine Rolle gespielt zu haben.

Für die Psychologen ist das Ergebnis dieser ersten Studie ein Hinweis darauf, dass man die Einführung der Computer in den Schulen nicht überstürzen sollte. Wenn schon Studenten zeigen, dass es ihnen schwerer fällt, Texte auf dem Computerbildschirm zu verstehen, dann könnte die Arbeit am Computer für weniger kompetente Leser möglicherweise unnötige Hürden aufstellen. "Wir sollten es den Kindern nicht schwieriger machen, etwas zu lernen", meint Murphy, "weswegen wir sorgfältig überlegen müssen, wie wir Computer in den Klassen einsetzen." Man müsse noch viele Fragen beantworten, bevor man weiter darin fortschreite, Computer in die Lehrpläne zu integrieren.

Für die Lehrer, die bislang nicht vom Computerenthusiasmus mitgerissen wurden und in der Vernetzung das Heil der Schule sehen, hat Murphy auch einen Trost: "Bei all dem Nachdruck, der gegenwärtig auf die Verwendung von Computer in der Schule gelegt wird, eröffnet diese Studie den Lehrern einen Grund, einmal einzuhalten und die angeblichen Vorteile zu überprüfen, die mit der Verwendung von Computern in den Klassen verbunden sein sollen."