Macron: Lehrstunde in Freiheitsrechten für al-Sisi

Dassault Rafale C. Bild: USAFE-AFAFRICA / CC BY 2.0

Bei seinem Kairo-Besuch erklärt der französische Präsident seinem ägyptischen Amtskollegen, warum das Demonstrationsrecht wichtig für die Stabilität eines Landes ist

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Drei Tage lang ist der französische Präsident Macron in Ägypten zu Gast, "um wirtschaftliche Verbindungen zu verstärken". Die französische Wirtschaftsdelegation gibt Hinweise auf die Art der Geschäfte, die eine wichtige Rolle spielen. Mitgereist sind die Chefs der Firmen: Dassault, Naval Group und Airbus Helicopter.

"Es ist nicht ausgeschlossen, dass Ägypten seine Rafale-Flugzeugflotte in den nächsten Wochen und Monaten vervollständigen will", so die Auskunft aus dem Elysée-Palast in Paris, die vom Online-Magazin Mediapart wiedergegeben wird. Dort steht man Macron um einiges kritischer gegenüber als in Le Monde.

Im traditionellen französischen Referenzmedium wird herausgestellt, wie der Chef des Elyséepalastes seinen ägyptischen Amtskollegen bei einer Pressekonferenz über die Menschenrechtssituation in Frankreich belehrt:

Es gibt in unserem Land eine Freiheit, die durch die Verfassung garantiert wird, das ist die Demonstrationsfreiheit. Und wir passen gut darauf auf, sie zu schützen. Bei den Demonstrationen der Gelbwesten, die niemals verboten waren, haben einzelne Personen, Randalierer und Extremisten manchmal Schlimmes angerichtet, Ausschreitungen, bei denen Geschäfte geplündert und verwüstet wurden, auch öffentliche Gebäude, bei denen Gewalt gegen Sicherheitskräfte oder andere Personen ausgeübt wurde. Sie wurden nach dem Gesetz festgenommen. Sie wurden nicht festgenommen, weil sie etwas sagten. Nicht, weil sie etwas dachten. Sie wurden festgenommen, weil sie etwas zerstörten, weil sie andere Bürger angriffen oder Institutionen.

Emmanuel Macron in Kairo

Die Stabilität eines Landes gehe einher mit dem Respekt der Freiheiten, sagte Macron seinem Gastgeber, dem ehemaligen General al-Sisi. Der antwortete nach der Art von souveränen Herrschern: Man sei in Ägypten nicht wie Europa oder Amerika, man könne nicht allen Gesellschaften einen einzigen Weg aufzwingen. "Vergessen Sie nicht, wir sind in einer unruhigen Region."

Die Antwort war zu erwarten, sie gehört zum rhetorischen Standardrepertoire von Autokraten; die Frage ist, warum Macron die Lehrstunde abhielt. An wen war sie gerichtet? An die Wähler zuhause?

Wie auch in Paris sprach Macron nicht davon, dass auch die Polizei zur Gewalt greift und dabei Unheil anrichtet.

Die alte Welt

Beide Staatsoberhäupter bemühen sich, die Polizei so darzustellen, als ob es sie bei Demonstrationen gar nicht gebe: "Sisi verneinte, dass die ägyptische Polizei Waffen oder Gewalt benutzte, um Demonstrationen aufzulösen", berichtet die Zeitung Egypt Independent. Beide Präsidenten scheinen der Auffassung zu folgen, dass die Öffentlichkeit so simpel wie in früheren Jahrhunderten belogen werden will.

Im Mediapart-Bericht ist von Schwierigkeiten die Rede, die Mitglieder des französischen diplomatischen Corps mit dem politischen Klima in Ägypten haben.

Von Albträumen der Diplomaten wird berichtet, davon, dass ein Klima der Angst in Ägypten herrsche, seit das Militär wieder die Macht übernommen habe. Dass nicht nur Muslimbrüder zu Tausenden, sondern auch liberale Kritiker, Journalisten, Anwälte, Satiriker, Politiker in Gefängnis geworfen würden, wo es brutal zugehe. Überall herrsche Schweigen, weil die Angst vor Verhaftungen groß sei. Jeder Kritiker al-Sisis müsse fürchten, eingesperrt zu werden, auch höhere Ränge bleiben nicht verschont.

60.000 politische Gefangene in Ägypten

Laut Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen gibt es 60.000 politische Gefangene in Ägypten; die ägyptische Menschenrechtsorganisation ECRF habe über 1.500 Fälle von Verschleppungen und ein Dutzend Fälle von Folterungen und Hunderte von Gefängnisinsassen gezählt, die während ihrer Haft ums Leben gekommen sind. Man stellt eine beunruhigende Steigerung der Zahl festgenommener säkularer Aktivisten, Journalisten und Bloggern fest.

Die Mitglieder der französischen Vertretung würden sich dem Klima des Schweigens fügen, so Mediapart. Die meisten würden mit Blick auf die Karriere aushalten. Die Einsicht, dass vor allem Geschäfte wichtig sind, gilt. Nur einer aus dem Corps, die mit Mediapart gesprochen haben, weicht mit seiner Wahrnehmung ab. Er spricht davon, dass nicht alles nur brutal sei, dass auch eine Entwicklung zu sehen sei, die anders ist als unter Mubarak. Aber es sind die Uniformen, die in der ersten Reihe stehen, und deren Risiko sei hoch. Wenn ihr "Coup" nicht funktioniert, werde die Reaktion schlimmer ausfallen als 2011.

Waffen und Überwachungstechnologie

Das ist das Klima in Ägypten, in dem Macron, wie schon andere Präsidenten vor ihm, Waffen verkaufen will. Unter Präsident Hollande wurde Frankreich zum größten Waffenlieferanten Kairos, so die Zeit im August 2018. Und die Internationale Vereinigung der Ligen der Menschenrechte (Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme - FIDH) gab in verschiedenen Berichten Auskunft darüber, wie Frankreich mit Waffenlieferungen und Überwachungstechnologie der Repression in Ägypten bei der Arbeit half.

Mit Waffenlieferungen im Wert von zuletzt 1,3 Milliarden Euro beteiligten sich der französische Staat und Rüstungsunternehmen an der "blutigen Unterdrückung" der ägyptischen Bevölkerung durch Präsident Abdel Fattah Al-Sisi.

Junge Welt

Wie französische Medien vor dem Besuch Macrons in Kairo berichteten, sollen keine Verträge zum Verkauf von Kampfjets Rafale unterzeichnet werden. Laut Le Monde geht es diesmal auch um andere Wirtschaftsbeziehungen, in den Branchen Transportwesen, erneuerbare Energie und Lebensmittel. In der Delegation von Macron würden rund 50 Unternehmenschefs mitreisen.

Aber auch diese Zeitung kommt nicht umhin festzustellen, dass Ägypten die Nummer 1 für den Export französischer Rüstungshersteller geworden ist. Seit 2014 seien Geschäfte im Volumen von 7 Milliarden Euro getätigt worden.