Männerhorden, Damenkränzchen

Die scheinbar unvereinbaren Ausdrucksformen der beiden zweibeinigen Spezies Mensch unter der Lupe

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Eine Bevorzugung der "typisch weiblichen" Kommunikationsformen glaubt der Berufsintellektuelle und Bestsellerautor ("Der Campus") Dietrich Schwanitz in der heutigen Gesellschaft ausgemacht zu haben. Dagegen muss natürlich etwas getan werden, zum Beispiel ein Buch geschrieben, das dann Männer Eine Spezies wird besichtigt heißt, und klarstellen soll, dass und warum es sich bei dieser Tendenz nur um eine zwar verständliche, aber dennoch rein temporäre Verirrung handelt.

Dietrich Schwanitz

Die Welt war in Ordnung, solange eindeutig klar war, wer sie bestimmt. Seit der erste Mensch sich auf einen zweiten eingelassen hat, herrscht das Chaos. Spätestens seit Frauen sich nicht mehr ausschließlich über Männer definieren, sondern es wagen, eine Umkehrung zu exerzieren, scheint das bis dahin nur sehnlichst vermisste Paradies endgültig verloren.

Beunruhigendes ist zu vernehmen: Die weibliche Spezies, per se friedfertiger und moralischer, hätte als Konsequenz zur Folge, dass die männliche Spezies sich dieser anpassen müsse. So etwas fordern nicht nur Feministinnen, sondern auch männliche "Gleichgesinnte":

Es gibt eine verblüffend große Bereitschaft nahezu aller Männer zu abweichendem Sozialverhalten, zu Gewalt und auch zum Töten.

Professor Dieter Otten, Soziologe, Universität Osnabrück

Schwanitz Buch ist in erster Linie an Frauen gerichtet, die sich immer noch wundern, warum Mann nicht so will wie sie. Missionarischer Eifer schleicht sich allerdings ein, wenn er etwa erklärt, Frauen im Umgang mit Männern zu beobachten, nur um ihnen anschließend darzulegen, was sie alles noch nicht verstanden hätten.

Die Publikation "Männer ...", die erst vor wenigen Tagen erschienen ist und das Magazin Focus in seiner heutigen Ausgabe zur Titelgeschichte bewogen hat, ist dabei jedoch geschickterweise - weil auflagefördernd - durchweg anti-PC: Scheinbar ungerührt wird die Spezies Mann hier seziert, werden deren heimliche Vorlieben, Hordenrituale und uneingestandenen Ängste enthüllt.

Das hört sich ganz amüsant an, wenn Schwanitz den Rückzug des pubertären Jünglings aus der emotionalen Umwelt mit einem "zerbrechlichen Ego" begründet. Von da an müsse dieser jedoch sein Leben lang darauf achten, nicht mehr aus der Rolle zu fallen:

Sein Lebensgefühl wird von dem nagenden Zweifel gequält, er könne vielleicht nicht männlich genug sein. Weil er unsicher ist, ist der Mann an und für sich ein Angeber. Er macht Lärm und spielt sich auf.

Schwanitz

Einfach und nachvollziehbar gibt sich Schwanitz, der Mann der simplen Ordnung, auch gern, wenn er etwa erläutert, warum Hobbies nur für Jungs erfunden wurden: "Das Hobby ist der Ersatz des stummen Inneren der Männer." Womit auch erklärt wäre, warum Frauen seiner Meinung nach dort nichts zu suchen haben. Weil sie eben noch "ihre eigene Innenwelt" besitzen.

Der Autor, der ansonsten weiß, was gefällt, indem er die männliche Spezies in zwölf Unterarten vom "Jammerer" bis zum "Weltverbesserer", einteilt (phantasievolle Variationen einer astrologischen Typisierung), versagt jedoch bei komplexeren Themen zur Gänze spätestens durch seine durchweg zu eindimensionalen Erklärungsmodelle. Zum essenziellsten aller Kommunikationsformen zwischen Mann und Frau etwa hat er lediglich allgemein Befremdliches beizusteuern:

Es gibt eine Phase im Leben des Mannes, in der er sich auf die Kommunikation mit Frauen einstellt: während der Verliebtheit. ... Es handelt sich um einen temporär erlaubten Wahnsinn, eine anerkannte Krankheit, ein zeitweiliges Fieber.

Schwanitz

Nicht nur diese Verfehlung weist darauf hin, dass bei all der scheinbaren Nestbeschmutzung eines immer klar bleibt: sie soll der Arterhaltung dienen. Das tut sie durchaus effektiv: Ist der natürliche Lebensraum der Spezies Mann erst einmal gründlich erkundet, stellen sich auch schnell Skrupel ein, in ihn einzugreifen. Dabei begeht Schwanitz nicht den Fehler, zu behaupten, der Mann wäre weniger befähigt zu Kompromissen als die Frau, er konstatiert lediglich, dass und warum er sie unter Umständen eben einfach nicht eingeht.

Das hat dem Ehemann und Vater Schwanitz, auch bekennender Hausarbeiten-Vermeider (bei Schwanitzens zu Hause sind die Aufgaben "sehr asymmetrisch" verteilt) den Vorwurf eingebracht, ein konservativer Dunkelmann zu sein. Obwohl er sich doch angeblich lediglich herausnimmt, auch linke Glaubenssysteme auf ihre Anmaßungen und Denkfehler hin abzuklopfen. Das klingt dann zum Beispiel so:

Dass Frauen sich ständig unfair attackiert fühlen und alles als Diskriminierung auslegen, liegt daran, dass sie den männlichen Dialekt nicht verstanden haben. Männer diskriminieren jeden, nicht nur Frauen. Für sie ist die Konkurrenz ein Spiel.

Schwanitz

Großartige neue Erkenntnisse haben Schwanitz' Verallgemeinerungen, ob nun platt, überraschend, merkwürdig oder schlicht überflüssig, erwartungsgemäß nicht zu bieten. Das scheint ihm immerhin auch selbst schon aufgefallen zu sein:

Der Mann redet nicht in erster Linie, um neue Erkenntnisse bekannt zu geben. Er redet, um sich selbst darzustellen und sein Band mit der Gruppe zu stärken. Das tut er, indem er sagt, was sowieso alle denken.

Schwanitz