Managerschelte kommt in Mode

Die Kritik an den Managergehältern ist eine Reaktion auf die gefühlte soziale Ungerechtigkeit in großen Teilen der Bevölkerung

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Auf Initiative der Linkspartei soll sich in dieser Woche auch der Bundestag mit den Managergehältern befassen. Anders als beim Thema Mindestlohn dürfte die Partei hier allerdings offene Türen bei den anderen Parteien einrennen. Bis auf die FDP übten sich in den letzten Wochen alle anderen Parteien in Managerschelte. Spätestens mit der Rede von Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag (Flucht in die Mitte) wurden die Schleusen für die Kritik an den horrenden Abfindungen geöffnet.

Merkel fragte auf dem Parteitag rhetorisch, warum diejenigen mit Geld überschüttet würden, die auf ganzer Linie versagt haben. Damit würde das Vertrauen in das soziale Gleichgewicht unterminiert, erklärte Merkel unter Beifall. Der saarländische CDU-Ministerpräsident Peter Müller sprach sich für eine Änderung der Steuergesetzgebung aus. Damit solle verhindert werden, dass Unternehmen die Managerabfindungen von der Steuer absetzen können. Die SPD, die sich von Merkel wieder einmal in der Sozialdemagogie überholt sah, verlangte sofort gesetzliche Maßnahmen.

Kritik an der Debatte kam eher leise aus dem Unternehmerlager. So wandte sich der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, gegen eine pauschale Managerschelte und betonte, dass die Unternehmensvorstände und nicht die Politik für die Managergehälter zuständig seien. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte die verzerrte Diskussion, die sich auf die wenigen schwarzen Schafe konzentriere, während die "überwiegende Zahl der Unternehmensverantwortlichen … angemessene Entgelte haben, teilweise mit ihrem privaten Vermögen für ihr Unternehmen haften und alles tun, um das Unternehmen zu erhalten und Beschäftigung in Deutschland zu sichern".

Noch vorsichtiger äußerte sich der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats Kurt Lauk in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Auch er betonte die Zuständigkeit der Aufsichtsräte für die Managergehälter und verwies darauf, dass dort auch DGB-Vertreter vertreten sind. Da die Abfindungsbeschlüsse in der Regel einstimmig fallen, seien die ebenso verantwortlich. Tatsächlich stand im Zusammenhang mit den Abfindungen für Josef Ackermann und weiteren Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank auch DGB-Vertreter Zwickel vor Gericht.

Lauk sprach allerdings auch von schwarzen Schafen unter den Managern, die durch überhöhte Abfindungen den gesamten Berufsstand in Misskredit bringen würden. Damit lag er ebenso wie Braun und Hundt auf der Linie der Kanzlerin, die am Unternehmertag in Berlin noch einmal deutlich gemacht hatte, dass die Schelte nur unfähigen Managern gelte. Mit Lauk treibt sie auch die Sorge vor einem Vertrauensverlust um, die die soziale Marktwirtschaft in den Augen großer Teile der Bevölkerung erleiden könnte

Blitzableiter für soziale Proteste

Schließlich beklagen laut einer Umfrage der unternehmerfreundlichen Bertelsmannstiftung große Teile der Bevölkerung eine soziale Schieflage. Zu dieser Stimmungslage hat gerade der Konjunkturaufschwung beigetragen. Denn entgegen aller Propaganda bei einem großen Teil der Bevölkerung nicht zu einer Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse beigetragen. Nur knapp 15 % der Bevölkerung sagten, dass der Aufschwung sich für sie positiv ausgewirkt hat. 2006 sagten noch 28 Prozent, das Einkommen sei gerecht verteilt.

Auch die neuen Arbeitsplätze, die von der Bundesregierung immer wieder als Pluspunkt ins Feld geführt wurden, sind nur zu oft Teilzeitjobs oder Arbeiten im Niedriglohnsektor. Viele Analytiker gehen davon aus, dass diese prekären Arbeitsverhältnisse das Merkmal der gegenwärtigen Regulationsphase des Kapitalismus sind und bleiben werden. Für das Alltagsbewusstsein aber ist ein Wirtschaftsaufschwung mit höheren Löhnen und einer Verbesserung der Lebensverhältnisse verbunden, wie es ja noch vor 40 Jahren der Fall war. Daher nimmt die Kritik der sozialen Ungerechtigkeit zu, wenn selbst ein Wirtschaftsaufschwung mit prekären Arbeitsverhältnissen verbunden ist.

Die Managerschelte ist der Versuch, diese Kritik aufzunehmen, bevor eine grundsätzliche Debatte Zweifel an der Zukunft der Marktwirtschaft schüren könnte. Ähnlich wie vor 3 Jahren Franz Müntefering von ausländischen Heuschrecken sprach, die deutsche Unternehmen abgrasen, als seine Partei wegen der Hartz-Proteste unter Druck geriet, so dient auch die Kritik an den unfähigen Managern als Blitzableiter für soziale Unzufriedenheit. Hier wird an ein in weiten Teilen der Bevölkerung vorhandenes Gerechtigkeitsempfinden angeknüpft, nach dem sich die Höhe der Einkünfte nach der Leistung bemessen sollte. Deswegen sollen Manager, die versagt haben, eben keine Abfindungen bekommen. Andererseits sollen natürlich Manager, die sich für ihre Firma abrackern, auch gut entschädigt werden. Eine solche Verknüpfung von Gerechtigkeit und Leistung impliziert natürlich auch, dass derjenige, der viel in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat, mehr kriegen soll als der junge Erwerbslose. Dann aber ist es letztlich nur noch ein kleiner Schritt zu der Parole, wer nichts leistet, soll auch nichts essen.

Gibt es einen gerechten Lohn?

Die Diskussion um den gerechten Lohn ist so alt wie die Kritik daran. Sie hat zur Zeit wieder an Bedeutung gewonnen, weil auch in Teilen der Gewerkschaften die Geldgier des Finanzkapitalismus für die soziale Ungerechtigkeit verantwortlich gemacht wird.

So lautet eine Publikation der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die als Handreichung für Betriebräte und Gewerkschaftsfunktionäre dienen soll. An dieser Broschüre hat sich mittlerweile in den Gewerkschaften eine heftige Debatte entzündet. Die Kritiker warnen davor, dass mit solchen Texten nicht soziale Gerechtigkeit, sondern ein ein Standortnationalismus erzeugt wird, der zwischen guten und bösen Kapitalisten unterscheidet und auch für regressive und antisemitische Tendenzen offen sein kann.

Während so lebhaft von rechts bis links über die unfähigen Manager gestritten wird, gehen die Verschärfungen für Erwerbslose weiter. Darauf wies der Verein Tacheles in einer Pressemitteilung hin. Betroffen sind davon vor allem kranke Hartz-IV-Empfänger. Die Proteste bleiben gering. Das ist vielleicht auch ein Ergebnis der Debatte um die Managergehälter.