Mangelnder politischer Wille

Dürre-Überblick, Stand 30. April. Einzelne starke Niederschläge bedeuten offensichtlich noch nicht das Ende der Dürre. Entscheidend ist, wie viel Feuchtigkeit der Boden aufnehmen und halten kann. Bild: NOAA

Die Energie- und Klimawochenschau: Von frustrierenden Verhandlungen und warmen Worten, von langen Dürren und zerstörerischen Überschwemmungen sowie von übersehenen Hungertoten und Gefahren für die Welternährung

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In Bonn, am Sitz der UN-Klimaschutzrahmenkonvention (UNFCCC) haben letzte Woche erste Vorgespräche für die diesjährige UN-Klimakonferenz stattgefunden. Die Verhandlungen laufen entlang von zwei Strängen: Zum einen soll schon in zwei Jahren, Ende 2015, ein neuer Klimaschutzvertrag unterschrieben werden. Zum anderen wird über kurzfristige Verpflichtungen der Industriestaaten bis 2020 gesprochen.

Letzteres betrifft aber ohnehin nur eine Minderheit der reichen Länder, und entsprechend frustriert war mancher Beobachter vom gewohnt schleppenden Fortgang der Gespräche: "Das Haupthindernis, das uns davon abhält, die Klimakrise anzugehen, ist nicht fehlendes Wissen oder ein Mangel an kostengünstigen Lösungen", meinte Alden Meyer von der US-amerikanischen Union of Concerned Scientist. Das Problem sei mangelnder politischer Wille, sich gegen die starken wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, die den Klimaschutz mit aller Macht blockieren: "So lange sich daran nichts ändert, werden wir auch keinen Fortschritt in den Gesprächen sehen", fürchtet Meyer, der in den letzten 19 Jahren so ziemlich jede UN-Klimakonferenz besucht hat.

Eine Quelle der Frustration ist für viele Umweltschützer auch die Haltung der Europäischen Union, von der mehr erwartet wird. Die 27 EU-Mitglieder haben zugesagt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 um 20 Prozent zu vermindern. Das hört sich gut an, aber unterm Strich bedeutet es, dass man in den nächsten Jahren kaum etwas unternehmen will. 2011 war nämlich bereits eine Minderung von 17,6 Prozent erreicht und durch die gegenwärtige Krise dürften die Emissionen noch weiter zurück gegangen sein.

Umweltschützer fordern daher, dass die Union ihr Ziel auf 30 oder 40 Prozent heraufsetzen. Selbst im letzteren Fall würden die Emissionen der EU 2020 immer noch bei 6,7 Tonnen pro EU-Bürger und Jahr also weit über den Werten der meisten Entwicklungsländer liegen. Für die Verhandlungen könnte ein solches Angebot der EU dennoch einen kräftigen Impuls bieten. Allerdings sieht es danach im Augenblick nicht aus. Die Bundesregierung ließ es zwar beim Petersberger Klimadialog nicht an warmen Worten fehlen, wonach Europa die Führung übernehmen wolle. Bundeskanzlerin Merkel machte aber zugleich klar, dass an einer Reparatur des Emissionshandelssystems, dessen Fehlfunktion derzeit die deutschen Emissionen wieder steigen lässt, erst zu denken ist, wenn das Erneuerbare-Energiengesetz dem Wunsch der großen Stromkonzerne gemäß zurecht gestutzt ist.

Vom Regen in die Traufe

Unterdessen ist ein Teil des US-amerikanischen Mittleren Westens Ende April sozusagen vom Regen in die Traufe geraten. Nach dem die Region, wie mehrfach berichtet (USA: Dürre hält an), seit über zwölf Monaten von einer schweren Dürre heimgesucht wurde, ist es nun des Guten zu viel. Die New York Times schreibt von Niederschlägen, die teilweise bis zu zu acht Inch (rund 200 Millimeter, was 200 Litern pro Quadratmetern entspricht) hoch gewesen seien.

Die Folge seien Einschränkungen der Binnenschifffahrt auf den Flüssen, Überschwemmungen von Feldern, die eigentlich bestellt werden sollten, Evakuierungen von Siedlungen, jede Menge Wasserschäden an Häusern, Autos und Infrastruktur, sowie mindestens drei Todesopfer. "Vor drei Monaten haben wir noch für Regen gebetet und nun hoffen wir auf weniger", zitiert das Blatt einen Sprecher der US-Küstenwache, die auch für Nordamerikas größten Fluss zuständig ist. "Es ist irgendwie ironisch. Die Bedingungen sind so unterschiedlich, aber das Ergebnis ist in gewisser Weise das gleiche."

Ursache für die gegenwärtigen Überschwemmungen - am Wochenende wurden neue für die nächsten Tage angekündigt - sind nicht nur die jüngsten Regenfälle, sondern auch ihr Zusammentreffen mit der Schneeschmelze. Viele Flüsse und Bäche, die von den Bergen herab kommen, sind ohnehin bereits randvoll wegen der tauenden weißen Pracht, von der es in diesem Jahr reichlich gegeben hatte. Einige Regionen im nördlichen Einzugsgebiet des Mississippis wurden sogar übers Wochenende noch einmal von schweren Schneefällen heimgesucht.

Überschwemmungen am Zusammenfluss von Mississippi und Illinois River. Bild: Nasa

Für viele Ortschaften entlang der großen Flüsse und ihrer Zubringer im Norden des Mittleren Westen sind die derzeitigen Überschwemmungen inzwischen Routine, wenn auch eine äußerst unangenehme, die am Budget und Nerven zehrt. Für Fargo, am Red River in North Dakota gelegen, ist es bereits das vierte Hochwasser in fünf Jahren. Der Red River entspringt zwischen den Wasserscheiden des Mississippi im Osten und des Missouri im Westen und fließt anders als diese beiden Ströme nach Norden in das Gebiet des Hudson Bays (siehe die roten Pfeile in der zweiten Abbildung). Einige hundert Kilometer südlich von Fargo waren im Sommer 2011, wie seinerzeit berichtet, am Mississippi-Nebenfluss Missouri, zwei AKW wochenlang von Hochwasser eingeschlossen gewesen.

Dürre nicht vorbei

Doch während die einen unter den Wassermassen stöhnen, ist für die anderen die Dürre noch lange nicht vorbei. Selbst in den von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten bleibt abzuwarten, wie viel Feuchtigkeit im Boden verbleibt und in wie weit der Grundwasserspiegel wieder angehoben wird. Stark ausgetrockneter Boden wird meist sehr hart und nimmt zunächst den Niederschlag nur schlecht auf. Unter Umständen kann dadurch das Hochwasser sogar verschlimmert werden, weil der Abfluss größer ist. Nur dort, wo das Wasser eine Weile steht, dringt auch ein größerer Teil in den trockenen Boden ein.

Nicht alle Dürre-Geplagten können aufatmen. Quelle: NOAA, bearbeitet

Entsprechend berichtet die Denver Post aus dem Südwesten von Oklahoma, rund 1700 Kilometer südlich von Fargo, von den Nöten der dortigen Bauern. Schon in den letzten beiden Jahren haben sie größere Teile ihrer Ernte verloren und mussten Vieh verkaufen, dass sie nicht mehr füttern oder tränken konnten. Auf 1,1 Milliarden US-Dollar summiere sich bisher der Verlust der Landwirte in Oklahoma. Jetzt befürchten viele den dritten Dürresommer in Folge.

Welternährung tangiert

An dieser Stelle mag man nachfragen, weshalb sich schon wieder so ausführlich mit Naturkatastrophen in den USA beschäftigt wird, während sich anderswo abspielende menschliche Tragödien kaum Erwähnung finden, wie etwa die Fluten, die im letzten Jahr schon wieder Teile Pakistans verheerten - und zwar im dritten Jahr in Folge. Sie zerstörten oder beschädigten dort immerhin 460.000 Häuser. Oder jene rund 258.000 Menschen, die nach den Angaben einer jüngst veröffentlichten Untersuchung 2011 in Somalia verhungerten, und von denen die hiesige Öffentlichkeit so gut wie keine Notiz nahm (Hungerkatastrophe in Somalia).

Aber Ernteausfälle durch Dürren und Überschwemmungen im sogenannten Getreidegürtel der USA sind auch für Menschen auf anderen Kontinenten von mehr als bloßem akademischem Interesse. Der Mittlere Westen der USA gehört zu den weltweit wichtigsten Weizen- und Maisanbauregionen. Dortige Ernteausfälle haben Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise in aller Welt. Diese sind seit einigen Jahren ohnehin so hoch, dass das ärmste Fünftel der Weltbevölkerung enorme Schwierigkeiten hat, sich zu versorgen, und die Zahl der Hungernden nach Angaben der FAO immer noch 850 Millionen beträgt.

Sowohl als auch

Insofern sind es auch nicht gerade gute Nachrichten, die die Klimawissenschaftler der US-Weltraumbehörde Nasa liefern. William Lau vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland, hat gemeinsam mit einigen Kollegen die Simulation von 14 verschiedenen Klimamodellen zusammengetragen. Heraus kam, wie die NASA in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit wissen lässt, dass mit zunehmender Erwärmung sowohl die Starkregenereignisse, als auch die Episoden ohne Niederschlag zunehmen werden. An der Gesamtniederschlagsmenge ändert sich hingegen relativ wenig, da zugleich die eher moderaten Niederschläge abnehmen. Zusätzlich ungünstig für die Landwirtschaft: Die Zunahme des Niederschlags ist zu einem erheblichen Teil auf ein schmales Band über den tropischen Ozeanen beschränkt.

Die Ergebnisse im Einzelnen: Im Mittel über alle Modelle nimmt der Starkniederschlag für jedes Grad Celsius menschgemachter Erwärmung um sieben Prozent zu, während der moderate Niederschlag zugleich um etwa acht Prozent abnimmt. Außerdem wird für jedes Grad Celsius an Erwärmung die durchschnittliche Zeit ohne Niederschlag um 4,6 Prozent verlängert. Wie bereits seit längerem aus Klimasimulationen bekannt, wird vor allem die gesamte Mittelmeerregion von Spanien bis zur Türkei, von Südfrankreich bis Nordafrika unter zunehmender Hitze und Niederschlagsarmut zu leiden haben.