Markt für Kreditderivate (CDS) wird reguliert

Dieser völlig unregulierte CDS-Markt ist in den letzten Jahren zu dem am schnellsten wachsenden Finanzmarktsegment aller Zeiten geworden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Aufsichtsbehörden, Investmentbanken und Branchenorganisationen haben sich am Montag am Sitz der New Yorker Fed auf eine Regulierung des 62 Billionen Dollar-Marktes für Kreditderivate geeinigt. Wichtigste Neuerung ist ein zentrales „Clearinghouse“, das die verworrenen Positionen ausgleichen und im Falle einer Pleite eines wichtigen Marktteilnehmers helfend einspringen soll. Umgesetzt werden sollen die neuen Marktregelungen in den kommenden sechs Monaten.

Waren Buffet, Investorenlegende und zeitweise reichster Mensch der Welt, hatte Kreditderivate angesichts ihres Bedrohungspotentials für die Finanzmärkte schon vor Jahren als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet. Diese erst vor knapp zehn Jahren erfundenen „Credit Default Swaps“ (CDS) garantieren gegen eine jährliche Gebühr die Zahlung einer bestimmten Schuld, insbesondere von Unternehmensanleihen. Aktuell dürften laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) nominell derzeit rund 60 Billiarden Dollar an Kreditgarantien umlaufen, also mehr als an Krediten weltweit insgesamt vergeben wurde oder das Weltsozialprodukt beträgt.

Das macht CDS seit Jahren zum heißesten Thema an den Finanzmärkten, mit denen bislang einerseits die dominierenden Investmentbanken bestens verdient hatten, während anderseits auch die CDS-Garanten sich über extrem niedrige Kredit-Ausfallsraten freuen konnten. So lieben Hedge Fonds diese Finanzinstrumente, weil sie ihnen im Vorhinein laufende Einzahlungen bringen, wofür sie zumeist nur eine geringe Geldleistung als Margin bei ihrem Dealer hinterlegen müssen. Die geforderte Margin wird dann zwar täglich an die Marktlage angepasst, macht aber dennoch immer nur einen Bruchteil der im Ernstfall fälligen Summe aus, was im Erfolgsfall für die Fonds höchst profitabel ist. Denn dann kassieren sie einfach die Prämie, ohne – wenn die Schuld vertragsgemäß bedient wurde – selbst in die Pflicht genommen zu werden.

Der Markt ist zudem höchst verworren organisiert und von zahllosen Unklarheiten geprägt, die im Ernstfall oft nur gerichtlich geklärt werden könnten, wie erste Gerichtsverfahren zeigen und Notenbanken und internationale Finanzorganisationen schon lange beklagen. Das größte Problem ist, dass in vielen Fällen unklar ist, ob und wie diejenigen, die für ihre Kreditgarantien Prämien kassiert haben, ihren Verpflichtungen tatsächlich nachkommen könnten, sollten diese schlagend werden. Darüber hinaus war es bis vor kurzem sogar möglich, abgegebene Garantien weiter zu verkaufen, ohne dies dem Garantie-Käufer zu melden, so dass der nicht mehr sicher wissen konnte, wer denn jetzt für diese Garantie gerade stehen werde.

Dementsprechend benötigte Buffet, nachdem er 2002 eine Versicherung samt dessen ungeliebtem Portfolio an Kreditderivaten übernommen hatte, ganze vier Jahre, um dieses abzubauen, was ihn 400 Mio. USD gekostet haben soll.

Dieser völlig unregulierte Markt hat sich in den letzten Jahren dennoch zu dem am schnellsten wachsenden Finanzmarktsegment aller Zeiten überhaupt aufgeschwungen, und er wird von nur einer Handvoll großer Investmentbanken organisiert. So kontrollieren die 17 am 9. Juni bei der New Yorker Fed vertretenen Banken - darunter Deutsche Bank und Dresdner Wasserstein - zusammen mehr als 90 Prozent des weltweiten CDS-Handels.

Bisher hatten sich die einstmals allmächtigen Investmentbanken standhaft gegen einengende Regulierungen gewehrt. Und erst seit sie allesamt am finanziellen Tropf der Notenbanken hängen, zeigen sie sich zu Zugeständnissen bereit. Immerhin verdienten die Banken nach Schätzungen von Wirtschaftsforschern bislang allein an der mangelnden Preis-Transparenz des Marktes jährlich bis zu zehn Milliarden Dollar, von denen sie nun aber einen Teil abgeben sollen. Denn die wichtigste neue Einführung soll ein zentraler Handelspartner („Central Counterpart“) sein, der ähnlich einer regulierten Aktienbörse dafür sorgen soll, dass Regeln und Standards eingehalten werden. Er soll die Zahlungsfähigkeit der jeweiligen Garantiegeber prüfen und Prozeduren entwickeln, sollte dies nicht mehr der Fall sein.

Timothy Geithner, der Präsident der NewYorker Fed, rechnet damit, innerhalb eines halben Jahres sinnvolle Fortschritte zu machen.

Es ist auch höchste Zeit. Denn bisher waren die Kreditmärkte, auf die sich die meisten CDS beziehen, von ungewöhnlich niedrigen Ausfallraten geprägt. Nun steigen im Zuge der aktuellen Finanzkrise die Innsolvenzen dramatisch an, und für viele CDS-Garantiegeber und -nehmer naht die Stunde der Wahrheit.

Von Rainer Sommer ist vor kurzem in der Telepolis-Reihe das Buch Die Subprime-Krise. Wie einige faule US-Kredite das internationale Finanzsystem erschüttern erschienen.