Medienwächter aufgepasst

Bild-Kommentator boykottiert T-Online, man diskutiert über Verbote und Zensur im Internet und beispielsweise ist www.hitlers-schaeferhund.de noch immer zu haben

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Während der dicke Junge gerade sein zweites Frühstück verzehrt, sein dicker Vater schon morgens um 8 Uhr eine Dose Bier öffnet und die dicke Mutter derweil aus allen Nähten zu platzen droht (und ich zwischendurch jetzt ganz schnell versichere, dass ich beileibe nichts gegen Dicke habe, schließlich ... aber das wäre ein völlig anderes Thema, genau wie die Frage, ob das Bild von der Sardinenbüchse noch statthaft ist, obwohl man sich ja an Bord eines LTU-Flugzeuges genau wie eine Sardine in der Büchse fühlt), während all dies und noch viel mehr um mich herum geschieht, schlage ich also auf dem Rückflug aus dem Urlaub die dankenswerterweise neben einer alten Ausgabe des "Kickers" angebotene "Bild"-Zeitung vom Dienstag auf und denke: Kaum ist man mal zwei Wochen weg, geschehen doch die sonderbarsten Dinge.

Auf Seite 2 schaut einem der "Bild"-Kommentator Paul C. Martin an, ein Typ wie aus der Lesebrille-Werbung, also richtig ernst mit einem neckischen Hang zum Grüblerischen, und über seinen kurzen Text steht dick: "T-Online: Ich boykottiere". Fürwahr keine schlechte Idee, denke ich sofort, schließlich gibt's ja weit preiswertere Provider. Doch bei Paul C. Martin geht's heut mal nichts ums Geld, sondern ums Prinzip, was ja zuweilen dasselbe ist oder zumindest oft genug miteinander verwechselt wird.

Grund seines Boykotts sind nämlich die Neonazis, genauer gesagt ein rechtsextremistischer Versandhandel, der seine Netzseiten offenbar über T-Online ins Internet gestellt hat. Und das hätte das Telekom-Unternehmen längst unterbinden müssen, meint Martin, der daraufhin also seinen T-Online-Anschluss gekündigt hat. Und der nun ein Problem hat. Denn: wer suchet, der findet. Und der findet eben auch bei fast jeder Firma, die privaten oder professionellen Kunden anbietet, Netzseiten ins Internet zu stellen, irgendwelchen Schmuddel- oder Nazikram.

Das war so, ist so und wird so bleiben, denn selbst wenn alle deutschen Netzfirmen und Udo Lindenberg fest gegen Rechts zusammenhalten würden, könnten Neonazis ihre Homepages über ausländische Anbieter auch weiterhin ins Internet packen - völlig legal, wie es schon seit langem beispielsweise die tiefbraunen Gespenster vom Thule-Netz vormachen. Und obwohl dies alles bekannt ist, wird mal wieder über Verbot und Zensur im Internet diskutiert und (nicht nur) in deutschen Redaktionsstuben nach verfänglichen Naziadressen eifrig gefahndet.

Gefunden und mittlerweile abgeschaltet wurde inzwischen also heil-hitler.de, allerdings ist heil-hitler.com noch zu erreichen, angeboten werden dort allerlei völlig unverfängliche Infos aus den USA. Ganz anders dagegen sieg-heil.de, eine Adresse, die von Nazi-Gegnern gemietet worden ist, die sich nun dort von den braunen Socken genau deswegen beschimpfen lassen müssen. Auch siegheil.de hat offenbar nichts mit Rechtsradikalen zu tun, sondern dahinter verbirgt sich die Werbung einer Netzfirma. Eine ähnliche PR-Aktion plant wohl auch der Besitzer der Adresse eva-braun.de. Und beiden kann man nur raten, mal über ihre Werbestrategie nachzudenken.

Einen echten Bilderbuch-Neonazi findet man unter www.nit.de. Technisch möglich macht dies übrigens ein Lübecker "Internet Service", und der "Gedanken"-Austausch in dem dort angebotenen Netzforum spricht Bände. Diskutiert wird derzeit gerade die Idee einer Telefonaktion, bei der vermeintlich kriminell auffällige Ausländer bei der Polizei sofort mittels Handy angezeigt werden sollen. Und die Adresse dieses sogenannten "Nationalen Infotelephons" wird hier nur erwähnt, weil sich der Betreiber unter "Goertz intim" so abstrus komisch und vor allem so abschreckend präsentiert, dass davon selbst noch das Satire-Magazin "Titanic" lernen könnte.

Unter "Das gefällt mir bzw. mag ich besonders'" schreibt NIT-Chef André Goertz unter anderem:
"Tier: Frosch, Musik: Deutsche Schlager, Tanzmusik, Filme: Cruising, Manche mögens heiß, Totall Recall, Fernsehen: Verbotene Liebe (wg. Kerstin Landsmann), Essen: Kartoffelsalat mit Würstchen Getränke: Warsteiner, Baileys, Frieda Hinrichs (Kirsch-Weizenkorn), Hobbies: sammelt: Energydrinks und Bierseidel".

Und wenn Goertz' Netzseite demnächst von der Lübecker Firma abgeschaltet werden sollte, kann der dicke Neonazi ja immer noch ausweichen zu hitlersschaeferhund.de oder hitlers-schaeferhund.de. Beide Adressen sind nämlich noch frei.