Mediziner als Beamte

Nach dem Scheitern des Versuchs einer massenhaften Rückgabe ihrer Kassenzulassung fordern Ärzte unkonventionelle Auswege aus der Misere - die gibt es

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Der Bayerische Hausärzteverband wollte seine Mitglieder dazu bewegen, ihre Kassenzulassungen zurückzugeben. Mit dem Druck, dass sich Pflichtversicherte massenhaft vor Krankenhäusern anstellen müssen, selbst wenn sie nur ein Rezept oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung brauchen, sollten neue und bessere Konditionen mit den Krankenkassen ausgehandelt werden. Solch ein Druck hätte sich allerdings nur dann aufbauen lassen, wenn sich ein großer Prozentsatz aus dem Kassenarztsystem verabschiedet hätte. Der Verband selbst sah diese Schwelle bei 60 Prozent.

Bei einer Versammlung am Mittwoch in Nürnberg konnten sich jedoch nur etwa 40 Prozent der anwesenden Ärzte zu diesem Schritt entschließen, weshalb man auch deren Rückgabeentscheidung nicht an die Kassen weiterleitete. Eine kurz nach der Abstimmung verkündete Fristverlängerung bis zum 18. Februar wurde nach dem Rücktritt des Verbandsvorsitzenden Wolfgang Hoppenthaller widerrufen.

Noch kein Ende gefunden haben dürften freilich die Klagen der Ärzte: Nikolaus Nützel, der Gesundheitsexperte des Bayerischen Rundfunks, warnte Radiohörer gestern sogar davor, bei Arztbesuchen das Thema Gesundheitspolitik anzuschneiden, weil sie sonst Gefahr liefen, sich erst einmal eine halbe Stunde Gejammer anhören zu müssen.

Als ein Grund für das Scheitern des ärztlichen Erpressungsversuchs gilt, dass die Mediziner mit einem kollektiven Ausstieg einen Rechtsbruch begangen und nach einer Rückgabe ihrer Kassenzulassung sechs Jahre lang keine neue bekommen hätten. Viele Ärzte kritisieren außerdem die Alles-auf-eine-Karte-Politik Hoppenthallers, der sich Alternativlösungen komplett verschlossen habe.

Ausgangsfoto: KJM. Grafik: Michael Schuberthan. Lizenz: CC-BY-SA.

Eine solche Alternativlösung könnte darin bestehen, dass Hausärzten, die über Existenzängste klagen, eine Verbeamtung angeboten wird. Junge Mediziner müssten dann keine horrenden Ablösesummen mehr zahlen, um an eine Praxis zu kommen und das Problem eines Ärztemangels auf dem Land wäre einfach dadurch gelöst, dass man Mediziner bei Bedarf dort hinversetzt. Ist das Einkommen gesichert, dann könnte es gut sein, dass sich Ärzte um Standorte reißen, wo man ruhiger und billiger lebt als in Großstädten. Bei anderen Staatsbeamten ist dies bereits jetzt der Fall.

Es gibt wenig vernünftige Gründe, warum Kassenärzte nicht Beamte sein sollten: Freie Unternehmer sind sie ohnehin nur in der Vorstellung mancher Funktionäre. Tatsächlich verhindern Zugangsbeschränkungen die Entstehung von Wettbewerb in ihren Tätigkeitsfeldern und die Selbstverwaltungsgremien, die das Geld der Krankenkassen gerecht verteilen sollen, tun dies offenbar so unzureichend, dass Landärzte ständig über Existenzängste klagen, obwohl der Berufsstand pro Kopf einen Durchschnittsreinertag in Höhe von 164.000 Euro im Jahr erzielt.

Das von Gegnern einer Verbeamtung in die Waagschale geworfene Argument, Ärzten werde dann nach Dienstschluss dass Stethoskop aus der Hand fallen, dürfte bei genauerer Betrachtung kaum greifen: Zum einen wird auch bei der Feuerwehr oder der Polizei länger gearbeitet, wenn Not am Mann ist, und zum anderen steht man auch bei einem selbständigen Hausarzt vor verschlossener Tür, wenn man außerhalb der Öffnungszeiten erscheint.

Zudem zeigten die Erfahrungen aus der Teilprivatisierung von Post und Eisenbahn, dass beide Bereiche wesentlich besser und kundenfreundlicher funktionierten, als sie noch mit Beamten betrieben wurden. Seinen schlechtes Ruf, so muss man im Nachhinein wohl konstatieren, legte sich der Beamtenstand eher in der öffentlichen Verwaltung zu.

Eine andere Möglichkeit als die Verbeamtung wäre die Tätigkeit von Ärzten als Angestellte der Krankenkassen. Hätten die bayerischen Hausärzte ihr Zustimmungsquorum erreicht, dann wäre diese Lösung möglicherweise ganz ohne ihren eigentlichen Willen nähergerückt: Denn beileibe nicht jeder der Hausärzte wird alleine von Privatpatienten leben können oder erfolgreich in Länder auswandern, wo sprachliche Herausforderungen, hohe Lebenshaltungskosten und extrem lange Arbeitszeiten drohen.

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