"Mein Kampf" in Frankreich

"Mein Kampf" international, unverboten

"Alle Franzosen müssen dieses Buch lesen" stand auf dem Titel der französischen Erstausgabe von 1934

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Empfehlung vom Kriegsminister

Das Zitat auf dem Cover stammte vom seinerzeit früheren französischen Kriegsminister, Hubert Lyautey. Lyautey liebte es, von jungen Körpern strammer Soldaten umgeben zu sein. Er fühlte sich dann, Zitat: "Wie ein Fisch im Wasser". Hitler seinerseits empfand das Militär als die wahre Schule der Nation. Selber ein Schulversager, hatte er freilich auch als Soldat nicht eben viel getaugt. Als oberster Feldherr entfesselte er schließlich den Zweiten Weltkrieg. Auch kein Erfolg.

Lyautey seinerseits war pünktlich zum Erscheinungstermin des Buches verstorben. Wie seine Empfehlung gemeint war, lässt sich daher nicht weiter hinterfragen. Nehmen wir trotzdem einmal an, dass seine Begeisterung für Hitler sich in Grenzen hielt; dass er das französische Volk dringend vor einem Irren warnen wollte, der demnächst wieder großes Leid über Frankreich bringen würde.

Natürlich gab es einen weiteren Grund, "Mein Kampf", zehn Jahre verspätet, 1934, auch in Frankreich zu publizieren. Hitler war in Deutschland zusehends populärer geworden, er war 1933 zum Kanzler gekürt worden, hatte die Demokratie abgeschafft und begann nun ernsthaft damit, den "Rassenkrieg" in die Tat umzusetzen. Sein lange erfolgloses Werk war in Deutschland zum Bestseller avanciert, also verlangte die buchhändlerische Logik, dass es nun auch in Frankreich erscheinen müsse.

Hitler: Unzufrieden mit der Übersetzung

Natürlich sahen die französischen Lektoren und Übersetzer viele langweilige Stellen und "Longueurs" in Hitlers Buch, die sie ihren Lesern zuliebe einfach strichen. Dagegen verwehrte sich der Autor (wie jeder andere Schriftsteller, als Privatperson in einem Rechtsstaat zu Recht) und wollte das Buch in Frankreich unterdrücken lassen. Indessen, da er in Deutschland längst kein Privatmann mehr — sondern zu einer Person des öffentlichen Lebens mutiert war (und da er in Deutschland Recht und Ordnung bereits sehr weitgehend abgeschafft hatte) klappte das in Frankreich nicht mehr so, wie er sich das gedacht hatte.

In Deutschland hätte er 1934 einfach das Verlagsgebäude von seinen Schlägertrupps besetzen lassen können. Wäre Frankreich bereits 1934 besetzt worden, es hätte, genau wie Anfang Juli 1934 in Deutschland, eine "Nacht der langen Messer" gegeben - oder wie bereits im Vorjahr, im Mai 1933, eine Bücherverbrennung. Wäre Frankreich also 1934 besetzt worden, hätte es vielleicht — in Frankreich — die Verbrennung von Hitlers "Mein Kampf" — in der französischen Fassung — gegeben. So blieb sie aber aus. Das Buch wurde auch nie eingestampft oder verboten.

In Deutschland und Österreich war "Mein Kampf" nach 1945 nicht verboten, nur der Nachdruck war nicht erlaubt. Größere Ausschnitte des Textes gab es schon seit längerem in Audio-Versionen zu hören, wobei immerhin die Lesung von Helmut Qualtinger als "satirisch intendiert" zu bezeichnen ist. Hier ein Ausschnitt aus dem Jahr 1975 auf YouTube:

"Der Herr Karl" mit falschem Text

Wer sich diese, im hysterischen Tonfall des späteren "Führers" gehaltene, Lesung heute anhört, mag meinen, einen Wutbürger unserer Tage zu vernehmen, als verwehre sich Qualtinger gegen die "Wiedervereinigung" von BRD und DDR oder die vermeintlich heute drohende "Überfremdung durch sintflutartige Flüchtlingsströme". Die beabsichtigte Belachbarkeit geht bei alledem ein wenig flöten. Auch die Bemühungen eines türkischen Kabarettisten zum Thema "Hitler" lassen wenig echte Heiterkeit aufkommen:

Kabarettist? Hitler-Fan? Erdogan!

Großer Sprung vorwärts. Ins 21. Jahrhundert. "Mein Kampf" sollte, 70 Jahre nach Hitlers Tod, aus dem Copyright entlassen werden. Das Buch, das nun ein Menschenleben lang in Deutschland nicht gedruckt werden durfte, sollte neu gedruckt werden — in einer umfassend befußnoteten, 2000-Seiten-Fassung.1

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