Menschen glauben den Vertretern der Politik und der Wirtschaft nicht

Eine Studie will die Unglaubwürdigkeit aber nur auf "mangelhafte Kommunikation" zurückführen, auch wenn zwei Drittel in der Umfrage sagen, dass sie sich in der Krise durch die Politik nicht vertreten sehen

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Politiker führen Misserfolge bei Wahlen oder Entscheidungen gerne darauf zurück, die Menschen hätten nur nicht recht verstanden, noch viel lieber wird die Worthülse verwendet, man habe die Politik oder das Thema nur nicht richtig kommuniziert. Eigentlich, so heißt das, habe man natürlich recht, weswegen die Bürger das auch sehen müssten. Eine Gemeinschaftsstudie des Fachgebiets für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim (Stuttgart) und der ING-DiBa AG (Frankfurt) scheint in dieser Weise auch die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu deuten und sieht in der "mangelnden Glaubwürdigkeit" von Politikern, Unternehmen und Journalisten das zentrale Problem. Die würden die Krise nicht so erklären, "dass es den Menschen weiterhilft".

60 Prozent halten die Aussagen der Bundesregierung zur Finanzkrise für unglaubwürdig, die Opposition fährt sogar noch schlechter, wenn 70 Prozent dieser nicht glauben. Ähnlich unglaubwürdig sind für die Deutschen die Aussagen der Unternehmen, der Finanzbranche misstrauen wenig verwunderlich 78 Prozent. Tendenz steigend. 90 Prozent stimmen zu, dass die Politiker die Wahrheit über Krise verschleiern, 76 Prozent meinen, diese hätten die Krise nicht im Griff. Der Hauptgrund scheint zu sein, dass sie Politikern und Unternehmern nicht glauben, im Interesse der Mehrheit der Bürger zu handeln, auch wenn die Hälfte noch sagt, dass die Krise ihren Lebensstandard und ihre Familie nicht betreffe. Überhaupt sind die Deutschen, was auch die Allianz-Zufriedenheitsstudie bestätigt, noch keineswegs groß von der Krise geängstigt. Sie sind zufriedener als letztes Jahr, zwei Drittel blicken optimistisch auf ihre persönliche Zukunft.

Die Unzufriedenheit mit der politischen und ökonomischen Reaktion auf die Krise wird in der Pressemitteilung zur Studie allerdings nur als eine Art Nebeneffekt dargestellt, der zum Misstrauen hinzukommt: "Hinzu kommt: Über drei Viertel der Menschen fühlen sich in der Euro- und Verschuldungskrise durch die Politik mit ihren Interessen und Anliegen nicht vertreten. Bezogen auf die Unternehmen sind dies 84 Prozent." Man will sich aber offensichtlich lieber auf die "schlechten Noten für die Krisenkommunikation" kaprizieren, was auch dadurch geschieht, dass die Darstellung der Prozentangaben von der mehrheitlichen Meinung auf die der Minderheit umgestellt wird. So heißt es: "Nur für knapp 30 Prozent der Bürger sind die Aussagen der Politiker zur Krise verständlich. Etwas mehr Befragte (34 Prozent) finden die Kommunikation der Unternehmen verständlich. Nur jeweils 35 Prozent der Befragten sagen, dass Unternehmen und Politiker die Diskussion zur Krise aktiv voranbringen." Wenn sich aber die Menschen von Politikern und Unternehmen bislang nicht vertreten sehen, dann können diese sich eigentlich so verständlich machen, wie sie wollen, wenn sie ihre Position nicht verändern, angeblich für das Wohl der Mehrheit der Bürger zu sprechen, würden sie unglaubwürdig bleiben. Ein wenig besser schneiden die Journalisten ab, wohl auch deswegen, weil sie nicht direkt für Entscheidungen wie Politiker und Unternehmer verantwortlich sind. 60 Prozent halten Journalisten der Printmedien für vertrauenswürdig, das sind sogar 8 Prozent mehr als 2011. Rundfunkjournalisten vertrauen die Menschen sogar noch mehr, nämlich 66 Prozent. Aber wenn es um die Krise geht, glaubt die Hälfte ebenfalls, die Journalisten würden nicht die Wahrheit sagen. Medien würden zwar der Krise im Gegensatz zur Politik die nötige Aufmerksamkeit schenken, aber ähnlich wie bei Politikern und Wirtschaftsvertretern sind auch hier zwei Drittel der Befragten der Meinung, die Journalisten würden "ihre Interessen nicht aufgreifen und vertreten". Kein Wunder also auch hier, wenn zwar 70 Prozent die Berichterstattung als verständlich beschreiben, aber 54 Prozent sagen, dass ihnen "die journalistischen Einordnungen nicht weiterhelfen". Sie wollen halt andere.

Was die Menschen wollen, interessierte die Macher der Studie allerdings nicht. Die glauben, dass es nicht auf die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen oder darauf ankommt, ob Politiker und Verantwortliche in der Wirtschaft die Mehrheit in deren Interessen vertreten, sondern es müsse in der Krise nur "eine funktionierende Kommunikation" geschaffen werden, "um den Menschen Unsicherheit zu nehmen", was den Verantwortlichen derzeit nicht gelänge. "Wenn die Entscheidungsträger aber mit ihren Aussagen und Erklärungen nicht zu den Bürgern durchdringen", so das Fazit, "wächst die Gefahr, dass aus der aktuellen Krise des Wirtschafts- und Finanzsystems eine grundlegende Vertrauenskrise wird." Daraus ließe sich schließen, die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft sollen nur so weitermachen wie bisher, sie müssten nur mehr Kommunikations- oder Propagandaexperten beschäftigen, um die Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen.