Menschen sind so glücklich, wie sie sich fühlen

Was sich anhört wie eine Binsenweisheit, ist tatsächlich überhaupt nicht selbstverständlich: Dass das subjektiv empfundene Glücksniveau etwas mit der Realität zu tun haben könnte

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Was macht uns dauerhaft glücklich? Mit dieser Frage befassen sich Glücksforscher und Bestsellerautoren weltweit. Die inzwischen gar nicht mehr überraschende, weil schon sprichwörtliche Antwort: Geld allein macht nicht glücklich. Tatsächlich behaupten in diesem Gebiet tätige Psychologen gar, dass die äußeren Umstände, zu denen der individuelle Wohlstand gehört, nur zu einem Zehntel zum persönlichen Glücksgefühl beitragen. Weit wichtiger seien die genetische Prädisposition („ein geborener Sonnenschein“) und vor allem der Wille zum Glück.

Diese Theorie wird denn auch regelmäßig durch Studien bestätigt, die den Kontrast zwischen den ärmsten Ländern Afrikas und dem reichen Westen dazu nutzen, auf das gar nicht so verschiedene Glücksgefühl hinzuweisen. Es scheint wirklich so, als mache den deutschen Eigenheimbesitzer sein neuer Kamin nicht wesentlich glücklicher als die afrikanische Mutter ein Sack Getreide. Im Gegenteil - erst im Verlust, so die Psychologie dahinter, lernen wir den Wert des Glücks so richtig kennen. Was all diese Studien und Statistiken jedoch nicht erklären, sind die Glücksunterschiede in einer weitgehend homogenen Gesellschaft wie etwa der des Westens.

Hier scheinen die Interpretationen zudem von der verbreiteten „Yes. We can“-Ideologie bestimmt: Jeder Mensch kann glücklich werden, egal, in welchen Verhältnissen er lebt. Das ist historisch durchaus eine Neuerung etwa im Vergleich zu den von der kirchlich-christlichen Ideologie bestimmten Jahrhunderten, als das Recht auf Glück auf die Zeit nach dem Ableben verschoben wurde und es für den Gerechten vor allem darauf ankam, das Leid im irdischen Jammertal zu ertragen, ohne sich rebellischer Gedanken schuldig zu machen.

Du kannst glücklich sein, wenn du es nur willst! - das stellt den Menschen aber auch in einen Glückszwang. Wer sich nicht so gut fühlt wie sein Nachbar, hat offenbar etwas falsch gemacht - das daraus folgende schlechte Gewissen erleichtert allerdings den angestrebten Weg zum Glück auch nicht unbedingt. Tatsächlich jedoch scheint es unbegründet, denn die Umstände, die objektiven Tatsachen des Lebens, spielen womöglich eine weit größere Rolle, als es die „Du kannst es!“-Verheißer glauben machen wollen.

Das subjektiv empfundene Glücksniveau und Realeinkommen

Das liegt vermutlich daran, dass wir uns im Alltag eben nicht mit der bettelarmen Familie in ihrer Hütte in einer afrikanischen Halbwüste vergleichen. Das ist ja auch einer der Gründe, warum Spenden-Sendungen im TV in der Weihnachtszeit stets Millionen von Zuschauern finden: Am Leid der anderen kann der Mensch sich bestätigen, dass es ihm doch einigermaßen gut geht. Da fällt es dann umso leichter, etwas vom eigenen Reichtum abzugeben. Im Alltag jedoch, und der bestimmt unser Glücksgefühl, nagt dann doch wieder der schnelle Schlitten vor dem Haus des Nachbarn an der eigenen Zufriedenheit. So sinkt das subjektiv empfundene Glücksniveau etwa in Deutschland seit 1975 stetig - genau passend zum seit 20 Jahren stagnierenden Realeinkommen.

Weitere interessante Zahlen kommen jetzt aus den USA: In einer im Wissenschaftsmagazin Science erschienenen Studie vergleichen Forscher das individuelle Glücksempfinden von 1,3 Millionen Amerikanern mit ihren objektiven Lebensumständen, aufgegliedert auf sämtliche Bundesstaaten.

Als objektiven Index („wie glücklich müssten die Menschen sein, misst man sie an ihren Lebensumständen“) verwendeten die Forscher eine 2003 erstmals publizierte Skala, die Faktoren einbezieht wie (unter anderem) Klima, Küstenfläche, Waldfläche, Nationalparks, Zahl der Müllkippen, Fahrzeiten auf dem Arbeitsweg, Luftqualität, Verbrechensraten, Lehrer-Schüler-Verhältnis, Bildungs- und Straßenbauausgaben, Steuerniveau und allgemeine Lebenskosten. All die Faktoren also, die den Menschen im Alltag beeinflussen, die ihm die Laune vermiesen oder seinen Wohlstand heben.

Diesen Index verglichen die Forscher mit dem in einer riesigen Befragung ermittelten individuellen Glücksgefühl von Millionen Menschen, erfasst im "United States Behavioral Risk Factor Surveillance System", das seit 1984 jährlich etwa 350.000 zufällig ausgewählte Menschen telefonisch ausführlich befragt. Die Forscher legten die Datenbasis von 2005 bis 2008 zugrunde. Ihr eindeutiges Ergebnis: Es gibt eine Relation zwischen den objektiv messbaren Glücksumständen und dem subjektiv empfundenen Glücksgefühl der Menschen. Wer in einem der besser gestellten Bundesstaaten wohnt, empfindet sich selbst auch als glücklicher.

Am glücklichsten sind die Menschen demnach in Louisiana, Hawaii, Florida, Tennessee und Arizona, am wenigsten glücklich leben sie in Indiana, Michigan, New Jersey, Connecticut und New York. Ob es nun wirklich die objektiven Umstände sind, die den Befragten zu mehr Zufriedenheit verhelfen, oder ob es sich um eine reine Korrelation handelt, das können die Forscher aus ihren Daten nicht ersehen. Sicher sind sie allerdings, dass demnach auch das subjektive Empfinden als ein verlässlicher Maßstab für die äußeren Lebensumstände dienen kann.