Message im Werbeblock

Mit eigenwilligen Kurzfilmen soll das Kinopublikum verwirrt werden

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Jeder Kinobesucher kennt das Prozedere zu Genüge. Man wartet auf den Beginn des Films und dabei will der Werbeblock einfach kein Ende nehmen. Jetzt wollen noch die Berliner Verkehrsbetriebe mit einem Filmspot die Vorzüge ihres Unternehmens hervorheben. Gähnend will man sich schon abwenden, dann bleibt das Auge aber doch an der Leinwand kleben. Denn dort demonstrieren verschiedene BVG-Nutzer, wie sich die zwei Stunden gültige Zeitkarte kostensparend und kundenfreundlich mehrfach verwenden lässt. Man drückt sie einfach dem nächsten Fahrgast in die Hand oder deponiert sie gut sichtbar beim Fahrkartenautomaten.

Bevor sich der Zuschauer so richtig fragen kann, ob die BVG jetzt die soziale Ader entdeckt hat, ist der Spot schon vorbei. Nicht allen wird das kleine Logo mit dem Kürzel A-Clip gleich aufgefallen sein. Dabei handelt es sich um ein Projekt von Filmemachern und Videokünstlern aus verschiedenen Ländern, die im abgedunkelten Kinosaal zur Zuschauerirritation beitragen wollen.

"Zwischen Produkt- und Lifestylewerbung trifft der Zuschauer auf einen Film, der je nach Intention des Produzenten eine kritische politische Botschaft oder eine subjektive künstlerische Aussage platziert", erklärt Ariane Müller vom A-Clip-Team. Dabei orientieren sich die Künstler an der Ästhetik von Werbefilmen, die sie teilweise aufgreifen, persiflieren und brechen. Keiner der Kurzfilme ist länger als eine Minute. Der Zuschauer soll zunächst der festen Überzeugung sein, ein Werbespot auf der Leinwand zu sehen. Nur so kann die gewünschte Zuschauerverwirrung erreicht werden.

Deshalb besteht das Zielpublikum der A-Clip-Produzenten auch nicht vorrangig bei dem intellektuellen Besucher der Programmkinos, sondern in den Besuchern der Großkinos. "Sie werden dadurch zumindest für eine Minute mit Aussagen konfrontiert, die sie normalerweise gar nicht an sich ranlassen würden", meinte eine Künstlerin. Lautstarke Proteste löste die Vorführung der kritischen Clips zwar nicht aus. Aber in Berlin fühlte sich ein Zuschauer von der politischen Message eines Spots derart provoziert, dass das Bundeskriminalamt anrief, erzählt die Filmerin lachend. Das erklärte sich allerdings schnell für unzuständig, nachdem es den inkriminierten Film in Augenschein genommen hatte.

Das Projekt ist mittlerweile in seine Globalisierungsphase eingetreten. 1997 wurde die erste A-Clip-Ausgabe in Berlin produziert. Die dritte aus 53 Kurzfilmen bestehende Folge, die ab 25.Mai in den Kinos zu sehen sein wird, wurde in Berlin, London und Los Angeles produziert.

Ein vielleicht von den Künstlern gar nicht unbedingt gewollter Nebeneffekt könnte allerdings darin bestehen, dass die Kinowerbung wieder auf mehr Interesse stößt. Denn sonst könnte man ja den A-Clip verpassen. Deshalb dürfte die Werbeindustrie ihren künstlerischen Konkurrenten nicht wirklich gram sein. Die aber müssen aufpassen, dass sie nicht unversehens neue Auftraggeber bekommen. Denn spätestens seit dem Skandal um die Benetton-Werbung dürfte bekannt sein, dass Witz, Kritik und eine Prise Provokation in der Werbebranche heute durchaus gefragt sind.