Microsoft schlägt zurück

Personalisierbarer News-Dienst setzt Google unter Druck

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist erst ein paar Tage her, dass Microsoft von Suchmaschinenprimus Google auf ureigenem Terrain, dem Windows-Desktop nämlich, angegriffen wurde: Google hatte seine Deskbar ins Netz gestellt, mit der man bequem vom Windows-Desktop aus die Google-Suche auch ohne Browser starten kann. Nun schlägt Microsoft zurück - (noch) nicht mit einem eigenen Suchfenster auf dem Desktop, dafür mit einem eigenen Nachrichtenservice. Das Angriffsziel heißt: Google News.

Mit der Beta-Version seines MSN Newsbot startet Microsoft erstmalig einen eigenen Nachrichtendienst, der ähnlich wie Google News Nachrichten automatisch aus mehr als 4.000 Nachrichtenquellen zusammenstellt.

Im Unterschied zu anderen Nachrichtendiensten ist der MSN Newsbot für MSN-Passport-Kunden allerdings personalisierbar. Wer bei Passport angemeldet ist, bekommt Nachrichten, die individuell auf seine Interessen zugeschnitten sind. Die Personalisierung basiert auf Usertracking: Das Klickverhalten des Users wird an MSN übermittelt, gespeichert und ausgewertet. Anschließend werden ihm vorrangig diejenigen Nachrichten präsentiert, die ihn aufgrund seines bisherigen Klickverhaltens interessieren könnten.

MSN weiß, was seine Kunden lesen

Joshua Peterson, einer der Hauptverantwortlichen für die Entwicklung des neuen MSN-Newsbot, ist Fachmann für Personalisierung. Bevor er im März dieses Jahres zu Microsoft wechselte, war er bei Onlinebuchhändler Amazon.com für den Bereich Personalisierung zuständig.

Er hat die Algorithmen mitentwickelt, die dafür sorgen, dass sich jeder Amazon-Kunde beim Online-Buchhändler sofort fast wie zu Hause fühlt: Man wird persönlich begrüßt, Amazon weiß genau, was man wann für wie viel Geld erstanden hat und wo die eigenen Interessen, heimlichen Wünsche und privaten Neigungen liegen. Aus den Angaben darüber, was der Kunde gekauft, auf seinem Amazon-Wunschzettel notiert oder in einer Kundenbefragung angegeben hat, werden seine möglichen Kaufwünsche hochgerechnet. Darüber hinaus speichert Amazon das Surfverhalten eines jeden Kunden ab. Seine Online-Shopping-Spuren werden zu einem spezifischen Kundenprofil verarbeitet.

Last but not least findet ein Abgleich mit anderen Kunden nach dem Motto statt: "Kunden, die diese CD gekauft haben, bestellten auch...". Insbesondere beim Amazon-Modell der Kundenempfehlung hatte Personalisierungsfachmann Peterson seine Finger mit im Spiel. Der personalisierbare Leserservice, den MSN als Fortschritt gegenüber anderen Nachrichtenangeboten groß herausstellt, trägt deutlich seine Handschrift.

Zu den technischen Einzelheiten seines neuen Nachrichtendienstes lässt Microsoft nicht viel verlauten. Das Personalisierungskonzept dürfte allerdings für heftig anschwellende Datenströme zwischen Passport-Kunden und den zentralen MSN-Servern sorgen. Datenschützer werden ihre Stirn in Sorgenfalten legen.

Automatisierter Herdenjournalismus

Wer nicht Passport-Kunde ist, bekommt vom MSN-Newsbot einen allgemeinen Nachrichtenüberblick frei Haus geliefert. Die MSN-Nachrichtenspider stellen zu diesem Zweck Meldungen aus den Bereichen Weltnachrichten, Landesnachrichten, Wirtschaft, Sport, Unterhaltung, Wissenschaft/Gesundheit und Technologie zusammen.

Ähnlich wie bei Amazons Kundenempfehlung wird es für alle User unter der Überschrift "Most popular articles" einen Bereich mit aktuellen News-Empfehlungen geben. Welche News empfehlenswert sind, entscheidet kein Nachrichtenredakteur aus Fleisch und Blut, sondern ein spezieller Gruppierungsalgorithmus. Dieser Algorithmus berücksichtigt u. a. die Zahl der Quellen einer Meldung, ihr Veröffentlichungsdatum sowie die Anzahl der User, die diese Meldung bereits angeklickt haben. Dementsprechend wird auch die Rangfolge der News in den einzelnen Unterkategorien festgelegt.

Kritiker dieses automatisierten Auswahlprinzips bemängeln, dass dadurch die Bedeutung von Top-Nachrichten, die sowieso schon überall zu finden seien, noch verstärkt würde, während inhaltlich durchaus wichtige Meldungen einzelner Redaktionen im Nachrichtenmainstream sang- und klanglos untergingen. Ergebnis wäre eine Art "Herdenjournalismus", der sich immer stärker nur auf die vermeintlichen Topmeldungen beschränke - ein genereller Einwand übrigens, gültig auch für Google und Yahoo. Die Frage steht deshalb im Raum: Womit wird Microsoft die Leser seines Newsbots zukünftig beglücken?

Der MSN-Gruppierungsalgorithmus ist natürlich streng gehütetes Betriebsgeheimnis, sein Ergebnis ist es nicht: Topmeldung bei MSN Newsbot UK ist am 18.11.2003, 20:44 MEZ nicht der Bush-Besuch in London, sondern ein Mordprozess, der England angeblich in Atem hält. Und den Spitzenplatz in der "Most popular articles"-Hitliste belegt eine Meldung aus dem Sektor Pop-Musik: Britney Spears neue Single (feat. Madonna) hat in den englischen Charts die Pole-Position nicht geschafft - dicht gefolgt übrigens von der derzeit zweitpopulärsten Meldung: "Microsoft tests Web news service". Ein Narr, wer Schlechtes dabei denkt.

Übrigens ist MSN Newsbot derzeit nur für Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich verfügbar. Weitere landesspezifische Versionen sind laut MSN in Vorbereitung.