Milde Strafe für al-Dschasira-Hacker

Während des Irak-Kriegs hatte ein 24jähriger patriotischer Kalifornier kurzzeitig die Website von al-Dschasira blockiert, aber die Website und die Mitarbeiter des Senders waren damals noch ganz anderen Angriffen ausgesetzt

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Am 25. März hatten die Angriffe auf die englischsprachige Website des arabischen Senders al-Dschasira begonnen. Kurz nachdem sie zum Kriegsbeginn quotenträchtig online gegangen war, wurde sie schon mit DDoS-Angriffen gestört, dann wurden Besucher auf eine andere Website umgeleitet und schließlich war sie ganz lahm gelegt. Einer der patriotisch gestimmten Hacker wurde jetzt in den USA bestraft.

Grund für die Angriffe des bei der US-Regierung unbeliebten Senders war, dass al-Dschasira Bilder des irakischen Fernsehsenders übernommen und ausgestrahlt hatte, auf denen gefangene US-Soldaten befragt und getötete Soldaten gezeigt wurden. Die US-Regierung entdeckte auf einmal die Genfer Konventionen, die angeblich verbieten würden, Bilder von Kriegsgefangenen zu zeigen. Bei den amerikanischen Medien zeigte dies Wirkung (Krieg der Bilder), allerdings hatte die US-Regierung übersehen, dass die Genfer Konventionen nur die Kriegsparteien, nicht aber unabhängige Medien betreffen. Der Druck auf den Sender, dessen Redaktionsgebäude in Kabul schon zuvor im Afghanistan-Krieg "zufällig" von einer amerikanischen Bombe zerstört wurde, war jedenfalls groß.

Obgleich das National Infrastructure Protection Center (NIPC) im Februar noch Hacker davor gewarnt hatte, auch nicht aus patriotischen Gründen eigenmächtig in den Cyberkampf zu ziehen, weil dies auf jeden Fall illegal sei (Website des irakischen Fernsehens gecrackt), hatte der 24jährige kalifornische Webdesigner John William Racine die Sache in die eigenen Hände genommen. Um die Website von al-Dschasira zu blockieren, lenkte er die Besucher auf eine andere Website um und zeigte dort eine Grafik mit der amerikanischen Flagge sowie dem Text: "Let Freedom Ring ...." Offenbar hatte er auch Gefallen am Kriegspielen gefunden, denn er gab als Autor des Hacks die "Freedom Cyber Force Militia" an (Zensur im Internet).

Schon im Juni hatte sich Racine als schuldig bekannt. Er hatte sich als Muhammed Jasim AlAli, einen Systemadministrator des Senders, dessen Namen er auf der Website gefundenhatte, mit einem gefälschten Ausweis und einer gefälschten Unterschrift gegenüber Network Solutions ausgegeben. Bei VeriSign hatte al-Dschasira die Domain registriert. Er bat um eine Veränderung des Kennworts und gab dabei einen Hotmail-Account und eine Telefonnummer an. Nach einer Anfrage veränderte VeriSign am 25. März das Kennwort, wodurch es Racine möglich war, die Aufrufe auf eine andere Website umzulenken. Nachdem die Umleitung bekannt wurde, stellte VeriSign den al-Dschasira-Account ein. Angeblich hat Racine bereits am 27. März dem FBI seine Tat mitgeteilt.

Der Richter war offenbar milde gestimmt und meinte, Racine habe sofort begriffen, welchen Schaden er unbedachterweise angerichtet hatte: "Ich halte Sie nicht für eine bösen Person. Aber es war ein Vergehen und kein kindlicher Streich." Er brummte Racine zur Strafe 1.000 Stunden gemeinnütziger Arbeit und eine Geldstrafe von 2.000 Dollar auf. Racine versicherte, er werde derartiges nicht mehr machen

Allerdings war die Tat von Racine noch verhältnismäßig harmlos, weil dadurch der Zugriff auf die Website nur kurz unterbrochen wurde. Schon zuvor gab es DDoS-Angriffe, die den Zugriff auf die Website störten, und danach folgten noch weitere Angriffe, die schließlich die Website vollständig lahm legten. Racine war mithin sicherlich nicht der einzige. Bei al-Dschasira vermutete man, dass diese Angriffe möglicherweise von der US-Regierung ausgegangen sein könnten. Kurz zuvor war nämlich auch noch die Akkreditierung des al-Dschasira-Korrespondenten an der New York Stock Exchange unter dubiosen Gründen zurück gezogen worden.

Es ging allerdings bekanntlich noch weiter. So wurde das Hotel, in dem sich al-Dschasira-Reporter in Basra aufhielten, beschossen, nachdem al-Dschasira der vom britischen Militär verbreiteten Behauptung widersprochen hatte, dass in der Stadt ein Aufstand stattfinde. Es handelte sich tatsächlich um eine falsche Meldung. Die al-Dschasira-Journalisten waren derzeit die einzigen, die sich im belagerten Basra aufhielten.

Nach den schweren DDoS-Angriffen, die die englischsprachige Website zusammen brechen ließen, versuchte al-Dschasira zu einem anderen Provider zu wechseln. Offenbar hatte man mit dem US-Provider Akamai bereits einen Vertrag geschlossen, den dieser aber am 28. März wieder löste, ohne Gründe dafür anzugeben. Bei al-Dschasira vermutete man natürlich, dass die US-Regierung entsprechenden Druck ausgeübt haben könnte (Akamai will nichts mit al-Dschasira zu tun haben).

Und schließlich zerstörten die Amerikaner kurz vor dem Einmarsch in Bagdad noch mit einer Bombe das Redaktionsgebäude von al-Dschasira. Dabei wurde ein Journalist getötet und ein Kameramann verletzt (Bombenzensur oder "Kollateralschaden"?). Und kurz darauf beschoss ein US-Panzer das Palestine Hotel in Bagdad, wo sich bekanntlich die meisten der nicht-eingebetteten ausländischen Journalisten befanden. Dabei starben ein ukrainischer und ein spanischer Journalist (Beseitigung und Einschüchterung der Augen der Weltöffentlichlichkeit).