Mini-Quantencomputer lässt sich per Smartphone steuern

IBM Quantum Experience. Bild: IBM Research/CC BY-ND 2.0

Internetnutzer können über die IBM Cloud auf einen Quantencomputer zugreifen

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Auf einen Quantencomputer per Cloud zugreifen. Was nach Science-Fiction klingt, ist nun möglich: Das amerikanische IT-Unternehmen IBM lässt Außenstehende auf seinem, noch recht mickrigen, Quantenprozessor rechnen. Über die firmeneigene "IBM Cloud" könne jeder Nutzer, der über die dafür nötigen Kenntnisse verfügen, den Quantenprozessor über sein Desktop oder jedem Mobilgerät bedienen, teilt die Firma aus Armonk im US-Staat New York mit.

Ihre neue Plattform nennt die Computerfirma "Quantum Experience". Der Name ist insofern Programm, als externe Forscher aufgerufen sind, Ideen für Anwendungen eines Quantencomputers per Fernzugriff auszuprobieren. Hintergrund ist die Suche nach alltagsrelevanten Verwendungen für künftige Quantencomputer. Denn allzu viele davon sind noch nicht bekannt.

Bislang ist die Technologie lediglich viel versprechend. Theoretisch können Quantencomputer sehr viel schneller rechnen als herkömmliche Rechner. Denn sie benutzen zum Rechnen Atome, Elektronen, Lichtteilchen (Photonen) oder andere Quantenobjekte, also Objekte, die der Quantenphysik gehorchen. Quantenobjekte haben eine Fähigkeit, die man sonst nur einigen Heiligen zuspricht: Sie können sich an zwei Orten gleichzeitig aufhalten. Auch auf andere Weise spotten sie dem gesunden Menschenverstand: Teilchen, die gleichzeitig links und rechts herum rotieren sind ebenso möglich wie ein Photon, das gleichzeitig durch zwei nebeneinander liegende Spalte fliegt.

So verschafft sich der Quantencomputer einen Vorteil gegenüber einem normalen Rechner, dessen elektronische Leitungen jeweils nur einen der beiden Werte kennen: Strom aus oder Strom an. Übersetzt in die Sprache der Informatik bedeutet das "0" oder "1", oder ein "Bit" Information.

Ein IBM 5-Qubit-Prozessor. Bild: IBM Research/CC BY-ND 2.0

Quantenobjekte hingegen können simultan beide Werte annehmen, "0" und "1" also, auch "Quantenbit" oder kurz "Qubit" genannt. Ein Quantencomputer verwirklicht auf diese Weise parallel existierende Möglichkeiten. Für das Lösen von Problemen ist das interessant, weil er gewissermaßen alle möglichen Lösungswege simultan abschreiten und am Ende den richtigen herausfiltern kann. Mit der Anzahl von Qubits steigt die Anzahl der gangbaren Lösungswege ins Astronomische. Schon mit wenigen hundert Qubits lassen sich Aufgaben lösen, die derart komplex sind, dass herkömmliche Rechner Jahrmillionen für ihre Lösung bräuchten.

Allerdings bedarf es einer kniffligen Steuerung des Quantencomputers, damit er am Ende auch die richtige Lösung ausspuckt und nicht einfach irgendeine der Myriaden von möglichen Lösungen. Für das zu lösende Problem muss daher ein so genannter Quantenalgorithmus entwickelt werden. Solche gibt es bislang nur wenige. Einer davon heißt Grover-Algorithmus (benannt nach dem indisch-amerikanischen Informatiker Lov Grover). Er dient dazu, in relativ wenigen Rechenschritten einen bestimmten Eintrag in einer gigantischen Datenbanken zu finden.

Der Quantenprozessor von IBM ist in der Lage, diesen Algorithmus auszuführen. Er verfügt allerdings nur über fünf Qubits und kann deshalb keine Datenbank-Recherchen durchführen, die ein herkömmlicher Computer nicht fast genauso schnell bewältigen könnte. Darüber hinaus könne IBMs Quantenprozessor andere "kleine" Quantenalgorithmen ausführen, teilt die Firma mit. Auch für die Lehre an Schulen oder Universitäten sei die Quanten-Cloud nützlich, heißt es. Etwa für Simulationen, die zeigen wie Quantencomputer funktionieren.

In einem Verdünnungskühler. Bild: IBM Research/CC BY-ND 2.0

Eher Grundlagenforschung als Technikentwicklung

Als Qubits verwendet IBM supraleitenden Leiterschleifen. Generell ist es Forschern noch nicht gelungen, einen Quantenprozessor zu bauen, der mehr als 14 Qubits besitzt. Der Grund dafür: Mit der Anzahl der Qubits steigt der Aufwand, diese sinnvoll zu steuern überproportional an. Fachleute sagen, die bisherigen Architekturen sind nicht skalierbar.

IBM behauptet nun allerdings, sein Quantenprozessor sei skalierbar und kündigt an, ihn sukzessive auf mehr und mehr Qubits auszubauen. Experten erachten allerdings erst einen Quantencomputer mit mehreren hundert oder tausend Qubits als relevant für den Praxiseinsatz. Insofern handelt es sich bei IBMs Cloud-Quantencomputing eher um Grundlagenforschung als um Technikentwicklung.

Nicht nur die IT-Firma von der US-Ostküste bemüht sich um eine Weiterentwicklung des noch recht unausgereiften Feldes des Quantencomputings. Auch Microsoft und Google investieren viel Geld in die mögliche Zukunftstechnik. Tommaso Calarco vom vom Zentrum für Integrierte Quantenwissenschaft und -technologie an der Universität Ulm schätzt Googles Investition in in Quantencomputer auf eine Milliarde Euro.

Calarco warnt schon seit Langem davor, dass Europa in der Entwicklung des Quantencomputers von den USA abgehängt werden könnten. Gehör verschaffte er sich mit seiner Klage bei Günther Oettinger. Der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft kündigte jüngst ein Flaggschiff-Programm für Quantentechnologien an, das 2018 beginnen soll.

Geplant ist ein Budget von einer Milliarde Euro, ebenso viel wie die schon längere Zeit laufenden Flaggschiff-Projekte zur Erforschung des menschlichen Gehirns sowie des für die Elektronik der Zukunft interessanten Materials Graphen erhalten.Mit dieser Geldspritze im Rücken wollen die europäischen Forscher dann den Anschluss an die vorpreschenden Amerikaner halten.