Mit Magie gegen Kreationismus?

Wie Skeptiker die Wissenschaftstheorie retten

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Mit Geisterbeschwörung hat die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) normalerweise wenig am Hut. Skeptiker kämpfen mit den Mitteln des Verstandes gegen Kreationismus und Intelligent Design (ID); ihnen eilt eher ein Ruf als Ghostbuster voraus. Doch in der Walpurgisnacht lud die GWUP zum Auftakt ihrer Jahrestagung ins Darmstädter Schloss. Dort befassten sich die Skeptiker mit einer Darmstädter Sammlung von Zauberbüchern, sogenannten „Grimoires“, und gingen der Hexenverfolgung in Darmstadt und Umgebung auf den Grund.

Aus der Zauberbuch-Sammlung der Darmstädter Landesbibliothek

Okkultismus als Kehrseite der Aufklärung

Dass der Geisterglaube zu Beginn der Aufklärung bis ins hessische Herrscherhaus reichte, belegte der Historiker Diethart Sawicki: „Landgraf Ludwig IX, der von 1719 bis 1790 lebte, hörte und sah Geister.“ Hundert Jahre später sammelte der Darmstädter Hofbeamte Karl Wunderlich sogenannte „Zauberbücher“ – meist Werke, die erst nach dem Dreißigjährigen Krieg entstanden. Durch die Aufklärung, so der Volkskundler Stephan Bachter, konnten mehr Leute lesen, der Buchdruck sorgte für die Verbreitung. Und so verbreitete sich im Schatten der Aufklärung der Glauben an Magie und das Okkulte.

Im Windschatten von wissenschaftlichem Fortschritt und Publikationsmöglichkeit im Internet segeln heute allerhand Spielarten von Esoterik und Wunderglauben. Dass auch Vertreter eines kreationistischen Weltbilds bis hin zum Intelligent Design (ID) davon profitieren, belegte Biologe Thomas Waschke mit Zitaten von zahlreichen Websites.

Dabei seien sich die beiden Richtungen in ihrem Mutterland USA spinnefeind: Während der Kreationismus im Wesentlichen auf der Bibel basiert und die Schöpfungsgeschichte buchstäblich nimmt, lässt sich die jüngere Lehre des „Intelligent Designs“ auf nahezu alle Religionen „aufpfropfen“. Eine Zumutung, die bei der Skeptiker-Tagung sowohl von Anwesenden christlichen wie islamischen Hintergrunds zurückgewiesen wurde.

Vertreter des Intelligent Designs wie Michael Behe argumentieren mit der „irreduziblen Komplexität (IC)“ der Welt: Jedes heute zu beobachtende biologische System bestehe aus einer Anzahl von Komponenten. Fehle eine, funktioniere es nicht mehr. Doch die Zwischenstufen hätten keinen selektiven Vorteil geboten. Folglich, so vor allem die ID-Vertreter aus den USA, habe es keine Selektion und damit auch keine Evolution gegeben. Wenn überhaupt, dann habe Evolution nur innerhalb der durch intelligentes Design geschaffenen Arten stattgefunden. Über den Urheber, den Designer, schweigen sich die Vertreter dieser Richtung aus.

Alien-Embryo: ID-Vertreter lassen offen, von wem das Intelligent Design stammt: Einem Gott, egal welchem? Oder von Außerirdischen?

ID: Wissenschaftlicher Anstrich für religiöse Inhalte

Thomas Waschke ordnet das Intelligent Design denn auch als weiteren Versuch ein, religiöse Inhalte unter dem Tarnmantel der Wissenschaft in die Lehrpläne und die Schulbücher zu bringen. Das habe nicht nur in den USA zum Erfolg geführt, sondern auch in Hessen, wo 2007 die Kultusministerin Karin Wolff gefordert hatte, im Biologieunterricht Evolutionslehre und biblische Schöpfungslehre gleichberechtigt zu diskutieren. Damit befindet sich Wolff in bester preußischer Tradition, wie Dittmar Graf zeigte: Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sorgte der aufgeklärte Lehrer Hermann Müller in Lippstadt mit dem Zitat, im Anfang sei nicht das Wort, sondern der Kohlenstoff gewesen, für Furore. Dieses Eintreten für Darwin und die Evolution brachte ihm den Spitznamen „Affen-Müller“ ein. 1882 verbot Preußen daraufhin den naturwissenschaftlichen Unterricht in der Oberstufe.

„Jeder kann glauben, was er will“, vertrat Dittmar Graf, Inhaber des Lehrstuhls für Biologie und ihrer Didaktik an der TU Dortmund und Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP. „Kritisiert werden muss aber, wenn mythische Schöpfungsgeschichten als Wissenschaft verkauft werden, wenn man sie in den naturwissenschaftlichen Unterricht einbringen und Schöpfungslehre als gleichberechtigte Alternative zur Evolution als Unterrichtsgegenstand etablieren will.“

Kreationismus in Deutschland, so Thomas Waschke, werde eher getragen von der theologischen Annahme, dass der Gegensatz zwischen christlicher Religion und Wissenschaft nur durch den Glauben aufzulösen sei. Diese theologische Richtung vertrete etwa die Studiengesellschaft Wort und Wissen. Sie verzichtet im Unterschied zum Kreationismus auf „einen Absolutheitsanspruch im Problemkreis der Wissenschaft“. Gleichzeitig begrüßte die Studiengesellschaft die Äußerungen der hessischen Kultusministerin Wolff und hofft, „dass sie dazu beitragen, eine wissenschaftlich saubere und gewinnbringende Diskussionskultur trotz unterschiedlicher weltanschaulicher Anschauungen an unseren Schulen und Universitäten zu fördern“.. Dazu erklärt Amardeo Sarma, Vorsitzender der GWUP: „Schöpfungsmythen und andere Pseudoerklärungen haben in wissenschaftlichen Fächern nichts zu suchen“.

Wissenschaft ohne Naturalismus?

Gemeinsam ist den Vertretern von ID und Kreationismus die Ablehnung des Naturalismus. Dagegen argumentierte der Philosoph Martin Mahner ganz wissenschaftstheoretisch, dass ohne Naturalismus keine Wissenschaft möglich sei. Die Realwissenschaften seien naturalistisch in mehrerer Hinsicht: empirisch methodisch, referenziell (auf ihre Objekte bezogen) sowie explanatorisch.

Keine Wissenschaft ohne Naturalismus, so Martin Mahner

Das Übernatürliche sei als Erklärung unzulässig, weil es entweder omniexplanatorisch sei, sich also alles damit erklären lasse, oder weil es pseudoexplanatorisch sei. Mahner verneinte, dass sich der Naturalismus auf empirischem Wege falsifizieren lasse, denn jedes weitere Experiment setze ebenfalls den Naturalismus voraus. Dennoch sei der Naturalismus kritisierbar und damit kein Dogma. Sein Fazit: Die wissenschaftliche Methodik sei nicht ohne Naturalismus zu haben.

Mit Kreationisten diskutieren?

Wie kann man mit Vertretern des Intelligent Design diskutieren? Thomas Waschke meinte: überhaupt nicht. Dessen Vertreter legten ganz richtig den Finger in die Wunden der Wissenschaft und wiesen auf Lücken in der Forschung hin. Wissenschaftler müssten, wenn sie lauter argumentieren, zugestehen, dass die Sache noch nicht ausreichend erforscht sei, während die ID-Vertreter als kluge Kritiker da stünden.

Zauberei? Die Skeptiker verbreiten zum Selbstkostenpreis intelligente Spielzeuge (Siehe: Gaby's Zauberland)

Dies sei mit Vertretern weiterer Schulen des Kreationismus anders. Hier gebe es um Verständigung bemühte Wissenschaftler, die jedoch im religiösen Raum theologisch argumentieren würden. Fordere jedoch der kreationistische Diskussionspartner die Vorherrschaft der Religion vor der Wissenschaft ein, bitte man ihn, konkrete Zahlen zu nennen: In wie viel Jahren sei die Erde denn nun entstanden? Insbesondere Vertreter der Richtung „Junge-Erde-Kreationisten“ würden sich auf die Bibel berufen und von zehntausend Jahren oder Ähnlichem ausgehen. Solche Aussagen lassen sich leicht mit dem Verweis auf ältere Relikte aus der Naturgeschichte aus den Angeln heben.

So einfach ist es mit den Vertretern sogenannter fernheilkundlicher Verfahren in der Medizin nicht, seien es die „angewandte Kinesiologie“, die „Bioresonanzmethode“ oder andere sogenannte holistische Verfahren. Der Physiker Martin Lambeck hat seine Erfahrungen mit diesen Heilmethoden in einem Beitrag in der Zeit beschrieben.

Warum werden solche Verfahren, wie sie die Hufeland-Gesellschaft propagiert, der über 20.000 Ärzte angehören, von Politikern gefördert und von Krankenkassen finanziert? Den Skeptikern, die sich fragten, warum denn keine medizinische Fachgesellschaft die wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Behauptungen angreife, rief ein Tagungsteilnehmer zu: Solche Verfahren würden den beteiligten Ärzten Einnahmen bringen und dem Gesundheitssystem kurzfristig Millionen sparen helfen – und bei den Patienten, so der Teilnehmer bitter, langfristig zum „sozialverträglichen Ableben“ führen.

Der Kapitalismus siegt...

Warum haben eigentlich die Hexenverfolgungen irgendwann einfach aufgehört? Henriette Fiebig fand heraus, dass die Verfahren schlicht zu teuer wurden. In einer Quelle werden neben den Reisekosten, dem Botenlohn und vielem weiteren auch die Verpflegung der Richter genannt: „Vier Maß Wein, die gebracht wurden, als die Richter die Frau verhörten.“

So geht es wohl auch der klassischen Medizin: Die Krankenkassen sparen erst einmal viel Geld, wenn sie Heilverfahren wie die Bioresonanzmethode oder homöopathische Globuli verschreiben und parallel dazu medizinische Leistungen immer weiter zurückschrauben. Und dagegen kommen Skeptiker nicht einmal mit Geisterbeschwörung an.