Mit der Nase auf Partnersuche

Die sexuelle Orientierung schlägt sich auch dann nieder, wenn es um Körpergerüche oder mögliche Pheromone geht

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Viele Vermutungen haben Wissenschaftler bereits darüber angestellt, warum Menschen homosexuell werden. So wurde auch immer wieder behauptet, ohne dies nachweisen zu können, dass dafür eine genetische Komponente verantwortlich sein könnte. Erst kürzlich haben US-Wissenschaftler drei Genbereiche identifiziert, die sich bei hetero- und homosexuellen unterscheiden und ein Grund für die sexuelle Orientierung sein könnten. Italienische Wissenschaftler glauben herausgefunden zu haben, dass sich Homosexualität deswegen im Laufe der Evolution erhalten könne, weil sich die genetische Komponente nur über die mütterliche Linie vererbt. Neben den genetischen Hypothesen treten die zahlreichen Befunde, die sich mit bildgebenden Verfahren machen lassen. Schwedische Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass homosexuelle Männer anders auf bestimmte Gerüche reagieren als heterosexuelle.

Körpergerüche und ihre Überformung oder Verdeckung mit Parfüms spielen auch bei den Menschen eine wichtige Rolle, wenn es um Sexualität geht. Wen man nicht riechen kann, den wird man auch nicht sonderlich attraktiv als Sexualpartner finden. Andererseits können vielleicht bestimmte Gerüche zu sexueller Erregung führen und die Partnerwahl beeinflussen. Und offenbar finden, an sich wenig überraschend, Heterosexuelle eher Geschmack an den Körperdüften des jeweils anderen Geschlechts, während Homosexuelle den Geruch von Menschen des gleichen Geschlechts bevorzugen. Ivanka Savic und ihre Kollegen am Karolinska Institut in Stockholm haben mit der Positron-Emission-Tomographie (PET) und der Magnetresonanztomographie (MRI) nachweisen können, dass homo- und heterosexuelle Männer auf zwei Körpergerüche unterschiedlich reagieren, von denen angenommen wird, dass sie etwas mit sexueller Erregung oder Anziehung zu tun haben könnten.

Bei Tieren ist die Rolle, die sexuelle Pheromone spielen, schon lange bekannt. Sie werden abgegeben, um ein bestimmtes sexuelles Verhalten zwischen Tieren einer Art zu bewirken oder zeigen etwa bei Säugetieren an, wann diese fruchtbar sind. Die Partnerwahl bei Tieren wird in starkem Maße von Pheromonen gesteuert, die mit einer Aktivität in einem Teil des Hypothalamus verbunden ist. Dort wird, so nimmt man an, das sexuelle Verhalten gesteuert, da eine Schädigung dieses Zentrums für die Sexualpartnerwahl oder ein Unterbrechen der olfaktorischen Signale zu einer Veränderung des Verhaltens führen. Ob Menschen allerdings wie Tiere auf Pheromone mit einem ganz bestimmten Verhalten reagieren, ist nicht bekannt, ebenso wenig weiß man, ob das bei anderen Säugetieren bei der Aufnahme von Pheromonen beteiligte Vomeronasal-Organ, das mit dem Gehirn verbunden ist, beim Menschen überhaupt in Funktion ist. Vermutlich ist der Einfluss von Gerüchen und Pheromenen sehr viel schwächer und überlagert von vielen weiteren Komponenten.

Die von dem jeweiligen Geruch gemeinsam erregten Areale bei den verschiedenen Gruppen, die auf ein Standardgehirn projiziert wurden.

Die schwedischen Wissenschaftler gingen jedoch von der Vermutung aus, dass zwei chemische Substanzen als Pheromone wirken könnten. Schon in früheren Untersuchungen mit PET und fMRI konnten sie nachweisen, dass der Hypothalamus von Frauen auf das im männlichen Schweiß befindliche Testosteron-Derivat 4,16-Androstadien-3-one (AND) reagiert, während Männer auf das dem Östrogen ähnliche Steroid estra-1,3,5(10),16-tetraen-3-l (EST) anspringen, das sich im Urin schwangerer Frauen findet. Haben Männer nur AND oder Frauen nur EST gerochen, so reagierte der Hypothalamus darauf nicht, sondern lediglich die Areale, die allgemein mit der Verarbeitung von Gerüchen zu tun haben.

Für ihre neue Studie Brain response to putative pheromones in homosexual men, die in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen ist, untersuchten die Forscher die Reaktionen von 36 Versuchspersonen (12 heterosexuelle Männer, 12 heterosexuelle Frauen, 12 homosexuelle Männer) auf die beiden mutmaßlichen Pheromone und auf gewöhnliche Gerüche.

Nach den Ergebnissen reagieren die homosexuellen Männer auf die Substanzen AND und EST auf dieselbe Weise wie Frauen: bei EST waren nur die Areale zur normalen Geruchsverarbeitung aktiv, bei AND gleichzeitig auch der Hypothalamus. Das würde bedeuten, dass die Reaktion im Hypothalamus nicht abhängt vom Geschlecht, sondern von der sexuellen Orientierung. Die Untersuchungen von homosexuellen Frauen waren offenbar aber schwieriger und sollen noch nachgeholt werden. Eine wichtige Rolle für die sexuelle Erregung spielt im Hypothalamus bei Männern das winzige päoptische Areal, das zwar im aktiven Bereich lag, aber für die verwendeten bildgebenden Verfahren ist eine Ausdifferenzierung bis in diese Größenordnung von unter einem Kubikmillimeter nicht möglich gewesen. Männliche Affen verlieren, wenn das präoptische Areal entfernt wird, das Interesse an Sexualpartnern.

Wie immer bei Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren lassen sich Ergebnisse nicht eindeutig interpretieren. Möglicherweise unterscheiden sich homo- und heterosexuelle Männer durch ihre im Hypothalamus (genetisch) angelegten unterschiedlichen Reaktionen auf die mutmaßlichen Pheromone. Es könnte aber aber auch genauso gut sein, dass die unterschiedliche Reaktion sich erst aufgrund der unterschiedlichen sexuellen Orientierung ausgeprägt hat. Um das zu entscheiden, müssten von Kind an Langzeitstudien durchgeführt werden.

Die Ergebnisse der schwedischen Forscher scheinen von Untersuchungen amerikanischer Wissenschaftler unter der Leitung von Charles Wysocki vom Monell Chemical Senses Center zumindest teilweise bestätigt zu werden. Nach Wysocki hat "die sexuelle Orientierung eine biologische Basis, die sich sowohl in der Erzeugung unterschiedlicher Körpergerüche als auch in der Wahrnehmung von Körpergerüchen und der Reaktion auf diese widerspiegelt".

In dieser Untersuchung wurden 24 hetero- und homosexuelle Frauen und Männer neun Tage lang von störenden Gerüchen befreit. Sie benutzten nur geruchsfreie Seifen und Shampoos und nahmen keine Gewürze wie Curry oder intensiv riechende Lebensmittel wie Knoblauch zu sich. Danach trugen sie einen Tag lang sterile Wattepads unter ihren Achseln, die schließlich in einem Röhrchen 82 anderen hetero- und homosexuellen Frauen und Männern zum Riechen vorgelegt wurden. Sie mussten dann den Geruch nach einer Liste von Kriterien bewerten.

Das Ergebnis der Studie, die in der Zeitschrift Psychological Science erscheint, ist nach Ansicht der Wissenschaftler, dass sich im Hinblick auf Gerüche Heterosexuelle von Homosexuellen deutlich unterscheiden. Dabei gibt es aber einige Differenzierungen. Heterosexuelle Männer und Frauen sowie Lesben ziehen Gerüche von Lesben denen von homosexuellen Männern vor. Homosexuelle Männer wiederum ziehen die Gerüche von anderen heterosexuellen Männern denen von Lesben vor. Aber sie schätzen auch die Gerüche von heterosexuellen Frauen, was der schwedischen Studie möglicherweise widersprechen könnte, in der allerdings nur zwei spezifische Gerüche erfasst wurden. Nach Wysocki hängen die Vorlieben und Abneigungen gegenüber Körpergerüchen nicht nur davon ab, von wem sie stammen, sondern eben auch von der sexuellen Orientierung. Aber für die Frage, ob die sexuelle Orientierung genetisch determiniert ist oder nicht, sagt auch diese Studie nichts aus.