Monster, die verschiedene Gesichter, aber den gleichen Körper haben

Geheimnis kosmischer Blitze entschlüsselt, die in Sekunden mehr Energie freisetzen als unsere Sonne in Milliarden von Jahren

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In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature berichten drei Forscherteams über ihre Analysen eines Gammastrahlenblitzes, der im März dieses Jahres beobachtet wurde. Die neuen Ergebnisse belegen erneut, dass die energiereichen Strahlenausbrüche als Folge gigantischer Kollapse von Sternen auftreten.

Schematische Darstellung der Explosion eines massereichen Sterns, der Materie in Form von Jets mit extrem hoher Geschwindigkeit ausstößt. Treffen diese Jets auf das interstellare Medium, erzeugen sie das linear polarisierte Afterglow-Licht. Aus den Polarisationsmessungen des Lichts lässt sich der Öffnungswinkel des Jets und die Struktur des ihm zugrunde liegenden Magnetfelds bestimmen. Bilder: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

Wenn es im All blitzt, dann werden in kurzer Zeit ungeheure Mengen an Energie in den Weltraum geschleudert. Gammastrahlenblitze (Gamma Ray Burst, GRB) sind ein kosmisches Phänomen, das seit Ende der 60er Jahre bekannt ist, als russische und amerikanische Spionage-Satelliten es zufällig entdeckten. Seit Jahren versuchen Astrophysiker den Ursachen der Gammastrahlenblitze auf die Spur zu kommen und inzwischen mehren sich die Beweise dafür, dass Supernovae für die energiereichsten Ereignisse im Universum verantwortlich sind. Wenn Sterne sterben, setzen sie enorm viel Energie frei. Als Folge davon leuchten die Gammastrahlenblitze zwischen 0,01 und 100 Sekunden lang auf und dabei setzen sie mehr Energie frei als unsere Sonne in Milliarden von Jahren.

Am 29. März 2003 registrierte der NASA_Satellit High Energy Transient Explorer einen extrem hellen und lange andauernden Gammastrahlenblitz im Sternbild Löwen. Mit einer Distanz von 2,65 Milliarden Lichtjahren fand er in kosmologisch relativer Nähe zu uns statt, denn GRBs entstehen in den fernen Tiefen des Alls. Das Aufleuchten erhielt die Bezeichnung GRB030329 und wurde mithilfe verschiedener Teleskope sorgfältig observiert, um das Nachglühen zu dokumentieren.

Im Juni veröffentlichten dann bereits mehrere internationale Forscherteams in Nature ihre Beweise dafür, dass GRB030329 direkt mit der gigantischen Supernova SN 2003dh verbunden war. Ein riesiger Stern mit mindestens der 25fachen Masse unserer Sonne hatte seine Wasserstoff-Reserven verbraucht und stieß seine äußere Hülle in den Weltraum ab, er verwandelte sich in einen bläulichen Wolf-Rayet-Stern, dessen Kern dann kollabierte, wobei er Materie in Form von Jets in die Umgebung schleuderte (vgl. Die Supernova Connection). Eine direkte Folge war das Aufleuchten des Gammastrahlenblitzes, unklar blieben aber noch die Mechanismen seiner Entstehung.

Zwei Alternativen für die Explosion eines Gammastrahlen-Ausbruchs. Dieser kann sich entweder in alle Richtungen (isotrop) ausbreiten (linkes Bild), oder in zwei entgegengesetzt gerichtete Jets (rechtes Bild). Ist der Jet auf uns gerichtet, sehen wir in beiden Fällen gleich viel Strahlung während des Ausbruches, allerdings ist der intrinsische Energiefluss im Falle der isotropen Explosion um ein Vielfaches höher. Die Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die Explosion in beiden Fällen ein Schwarzes Loch produziert, welches anschließend die Materie aus seiner unmittelbaren Umgebung aufsaugt.

Den Zusammenhang haben jetzt drei internationale Teams eingehend untersucht. Sie bestätigen alle den direkten Zusammenhang des Bursts mit der Supernova und nähern sich über verschiedene Ansätze der Frage, wie genau er sich bildet. Edo Berger vom California Institute of Technology und Kollegen aus den USA, Großbritannien sowie Australien beschäftigten sich mit dem Ablauf der Energiefreisetzung und entdeckten, dass sie in zwei Komponenten abläuft. In der ersten Komponente produziert eine äußerst kurze und eng begrenzte Explosion das Gammastrahlensignal; die zweite Komponente produziert das Nachglühen im optischen und im Radiowellenbereich, mehr als anderthalb Tage nach der Explosion. Die Gruppe um Berger kam zu dem Schluss, dass alle kosmischen Explosionen, Gammastrahlenblitze, Röntgenblitze (x-ray bursts) und Supernovae (des Typ Ic) durch eine gemeinsame Explosionsenergie verbunden sind.

Zugrunde liegt immer die Explosion eines massereichen Sterns. Der Unterschied zwischen ihnen ist der "Fluchweg", den die frei gewordene Energie nimmt, um dem sterbenden Stern und seinem Nachwuchs, dem entstehenden schwarzen Loch, zu entkommen. Mit den Gammastrahlen kamen auch eine Menge Radiowellen aus GRB030329. Der Hauptautor Berger erläutert:

Das erstaunte mich, denn Gammastrahlenblitze sollten vor allem Gammastrahlen produzieren, nicht Radiowellen.(..) Beim Festhalten all dieser Fluchtwege stellten wir fest, dass die Gammastrahlen nur ein Unterkapitel der ganzen Geschichte dieses Ausbruchs waren. Der Einblick, den wir durch den Ausbruch vom 29. März gewonnen haben, veranlasste uns, frühere Studien kosmischer Explosionen noch mal durchzusehen. In allen Fällen, die wir fanden, war die totale Energie der Explosion gleich. Das bedeutet, dass kosmische Explosionen Monster mit verschiedenen Gesichtern, aber dem gleichen Körper sind.

In einem zweiten Kurzartikel in Nature berichten Tsvi Piran und Kollegen von der israelischen Hebrew University und vom Institute for Advanced Studies in Princeton über die Schockwellen in GRB030329. Sie sind überzeugt, dass mehrere plötzliche Aufhellungen in der Nachglühphase durch verschiedene, sich langsam ausbreitende Trümmergürtel verursacht wurden. Die größte Druckwelle der Explosion stieß mit den langsamen Relikten zusammen, dadurch entstanden die beobachteten Fluktuationen im frühen Nachglühen, weil jede Kollision ein verstärktes Aufleuchten verursacht.

Im dritten Artikel von Jochen Greiner vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und 25 Kollegen von Universitäten aus aller Welt wird die Evolution der Polarisierung im optischen Nachglühen von GRB030329 untersucht. Dem Team Astronomen-Team gelang mithilfe des Very Large Telescope der ESO (VLT) der Nachweis, dass Gammastrahlen-Ausbrüche durch die Jet-Emission einer Supernova entstehen. Sie weisen empirisch nach, dass sich die Explosionswolke der Supernova nicht sphärisch in alle Richtungen, sondern gebündelt in Jets ausdehnte. Durch die relative Nähe des Ereignisses und das VLT war es ihnen möglich, dass optische Nachglühen und den genauen Verlauf der Lichtkurve über viele Tage hinweg zuverlässig zu messen.

Sie erstellten eine Polarisationslichtkurve und es zeigte sich, dass sich sowohl die Stärke als auch der Winkel der Polarisation ständig änderten. Polarisation ist die Ausrichtung des elektrischen Feldes, Licht ist aus elektromagnetischen Wellen zusammen gesetzt, die sich in verschiedene Richtungen, bzw. auf verschiedenen Ebenen bewegen. Das Szenario des Gammastrahlenausbruchs stellt sich für die Forscher nun so dar, dass der Kern eines sterbenden Sternes kollabiert und zu einem schwarzen Loch wird (vgl. Sensation in der Milchstraße). Dabei wird eine riesige Energiemenge frei, die in zwei entgegen gesetzten Jets ins All strömt. Wenn sie auf ihrer Bahn durch das interstellare Medium gebremst werden, entsteht das auf der Erde sichtbare Nachglühen. "Unsere ausgedehnten Polarisationsmessungen lassen nun erstmals Rückschlüsse über die Struktur des Magnetfeldes im Jet zu. Offenbar können sich die zwei senkrecht zueinander stehenden Komponenten des Magnetfeldes in dem Jet um nicht mehr als 10 Prozent voneinander unterscheiden, zum Beispiel in Form einer in sich gewundenen Spirale," erläutert Jochen Greiner.

Mehr Informationen über Gammastrahlenblitze werden die Astrophysiker bald zur Verfügung haben, wenn der neue Satellit Swift der NASA in seiner Umlaufbahn kreisen wird. Er soll künftig mehr als zweihundert Gammastrahlenblitze jährlich aufzeichnen, und die genauen Positionen der energiereichen Phänomene innerhalb von einer oder zwei Minuten ermitteln.