Moskauer Gericht beugt sich dem rechten Mob

Nach Straßenunruhen von tausend Anhängern des Moskauer Fußballclubs Spartak verhängte ein Moskauer Gericht eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen einen Kaukasier

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"Für diesen Mord, werden Eure Kinder bezahlen", riefen tausend Fans des Moskauer Fußballclubs Spartak, als sie am Dienstag auf einer unangemeldeten Demonstration zu einem Büro der Staatsanwaltschaft im Norden der Stadt zogen, um eine schnelle Bestrafung des Kaukasiers Aslan Tscherkesow zu fordern.

Der 26jährige Kaukasier, der aus der russischen Teilrepublik Kabardino-Balkarien kommt, hatte in der Nacht auf Montag während einer Massenschlägerei den 28jährigen Russen, Jegor Swiridow, mit einem Kopfschuss aus einer Gaspistole getötet und einen anderen Fan verletzt. Der getötete Swiridow gehörte nach Angaben des Moskauer Kommersant zur Fan-Gruppe "Union". "Bei Union haben sich die besonders aggressiven Anhänger von Spartak zusammengeschlossen", schreibt das Blatt.

Am Montag, also unmittelbar nach der Schlägerei, wurden acht Jugendliche aus Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Dagestan von russischen Sicherheitskräften verhaftet. Unter den Verhafteten war auch Aslan Tscherkesow. Der Präsident der Russischen Fußballunion, Sergej Fursenko, drückte der Familie des Getöteten sein Beileid aus und forderte eine genaue Untersuchung der Vorfälle.

Aus einem Video über die Demo

Für die unangemeldete Demonstration hatten die Websites verschiedener Fan-Gruppen geworben, unter anderem auch der offizielle Fan-Club von Spartak Moskau, "Fratia". Die Stimmung bei der Straßenaktion war aggressiv. Die Demonstranten schrien "Russland den Russen" und "Russen, vorwärts!" Verkehrsschilder wurden umgebogen. Bei den Kiosken kaukasischer Händler wurden die Glasscheiben zertrümmert. Immer wieder waren auch Schüsse zu hören. Schließlich blockierte die aufgebrachte Menge den sechsspurigen Leningrader Prospekt. Der Verkehr auf der Ausfall-Straße stand für eine halbe Stunde still. Erst dann begannen Polizisten der Sondereinheit OMON die Jugendlichen zu überreden, ihre Aktion zu beenden. Augenzeugen berichteten, dass sich die Polizisten ausgesprochen höflich verhielten.

Die Demonstranten hatten mit ihrer Aktion schließlich Erfolg. Am Mittwoch, einen Tag nach der Protestaktion, verhängte das Moskauer Sawjolowski-Gericht eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen den Kaukasier Aslan Tscherkesow, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte. Tscherkesow erklärte Journalisten vor der Gerichtsverhandlung, sein Leben sei in Gefahr gewesen. Er habe in Notwehr gehandelt. Die staatlichen Ermittler hatten nach der Schlägerei mit tödlichem Ausgang erklärt, sie wollten die Vorfälle zunächst genau untersuchen. Doch unter dem Druck der Straße entschied sich das Gericht dann offenbar zu einer schnellen Verurteilung.

Aus einem Video über die Demo

Immer häufiger kommt es in Moskau zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rechten Fußballfans und Kaukasiern. Erst im Juli war der 22jährige Spartak-Fan Juri Wolkow getötet worden. Zwei Jugendliche aus dem Kaukasus sitzen wegen der Tat in Untersuchungshaft. Der Tschetschene Magomed Sulejmanow, der sich zu der Tat bekannte und der Polizei ein Messer übergab, mit dem Wolkow angeblich getötet wurde, ließ die Polizei frei, weil die Täterschaft von Sulejmanow nicht bewiesen sei.

Die Atmosphäre in Moskau wird durch die Auseinandersetzungen zwischen russischen und kaukasischen Jugendlichen "immer angespannter", schreibt die Zeitung Wremja Nowostej. Vor einigen Jahren habe es Schlägereien mit tödlichem Ausgang nur in der russischen Provinz gegeben. Jetzt komme die Gewalt zwischen Fußball-Fans und Kaukasiern "immer näher" nach Moskau, schreibt das Blatt.

Die staatlichen russischen Fernsehkanäle berichteten über die unangemeldete Demonstration der Spartak-Fans mit Verständnis. Das russische Fernsehen verschwieg jedoch, dass ausländerfeindliche Parolen gebrüllt wurden. Die Kreml-nahe Jugendorganisation Junge Garde erklärte auf ihrer Website, die Straßenaktion der Fußball-Fans habe die "Ermittler in Bewegung gebracht". Die Spartak-Anhänger hätten zwar "Unruhe gestiftet", aber "Gerechtigkeit erreicht".