Multi-User-Onlinespiel vergence : vergenz

Das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie stellte sein etwas verwirrendes EXPO-Projekt vor, noch als "first public beta"

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Dass die "simultane, unabhängige Entwicklung von verwandten Systemen in einer gemeinsamen Umgebung eine Divergenz/Konvergenz im zentralen Fokus" formt, das ist ja hinlänglich bekannt. Und trotz dieser erläuternden Worte im Begleittext zum Projekt war die Präsentation der "first public beta" des "Multi-User-Onlinespiels" mit dem Namen "vergence : vergenz" im deutschen Pavillon auf dem Expo-2000-Gelände etwas verwirrend.

Obwohl Bernd Diemer, Spiritus Rector der am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie ansässigen Netzkunstgruppe "esc(ape) to begin" sich alle Mühe gab, das Geheimnis, das sich hinter den auf vier Leinwänden mittels Computer projizierten Bildern steckt, zu lüften.

Dabei ist alles ganz einfach - und leider auch arg kompliziert. Diemers Gruppe benutzt bei dieser (am 19. Juli im Deutschen Pavillon einmalig zusehenden) Installation vier Server, die in Wien, Karlsruhe, Frankfurt und demnächst in Texas stehen. Auf diesen Netzrechnern sind eine ganze Reihe populärer Online-Spiele, auf die via Internet bis zu 10000 User gleichzeitig zugreifen können. Der dabei entstehende Datenfluss wird wiederum auf verschiedene Arten visualisiert: Während der Expo-Veranstaltung halt im kleinen Theaterraum des Deutschen Pavillons und vom 1. Juni an im Internet, über eine auf der Seite www.zkm.de noch zu veröffentlichenden Adresse.

Bei der ersten Testvorführung (also: der first public beta) war auf einer der Leinwände (als Simulation) zu sehen, wie die einzelnen Nutzer dieses Systems, gekennzeichnet als grüne Punkte, sich von Server zu Server klickten, dabei lustig wie die Lottokugeln am Samstagabend durcheinanderwirbelten, und im unteren Bereich erschien gleichzeitig das Live-Bild des gerade am häufigsten gespielten Online-Spiels.

Genau an diesem Punkt wird's dann sogar ein bisschen interaktiv, weil die Betrachter vor Ort mit ausliegenden Schaltern bestimmen können, welches Spiel zu sehen ist und in welcher Kulisse beispielsweise der Porsche eines Autorennspiels herumdüsen soll. Das ist zwar so interaktiv wie bei einer TV-Show, wo die Zuschauer per Knopfdruck einen Kandidaten zum Sieger küren können - tut aber keinem weh und sieht sogar recht hübsch aus.

Eher verschwommen ging's auf zwei anderen Leinwänden zu, wo das Bild der Betrachter vor Ort düster projiziert wurde und der Grad der Bild-Verzerrung (die mittels Knopfdruck beeinflusst werden kann) vom aktuellen Datenstrom im Netz abhängt. Ähnlich funktioniert auch das Spiel mit Geräuschen, das das aktuelle Verkehrsaufkommen im Netz als Frequenzverzerrung widerspiegelt und ebenfalls per Knopfdruck steuerbar ist.

Lässt man all dies eine Zeitlang auf sich einwirken, dann entsteht doch langsam der Verdacht, dass sich hinter dem (künstlerischen) Versuch, Internet-Datenflüsse in einem real-musealen Raum zu visualisieren und interaktiv zu steuern, womöglich auch das Misstrauen vor der anonymen Netzwelt verbirgt. Nicht zuletzt weil auf der geplanten Internetseite des Projekts die gerade live beteiligten Online-Spieler (wie auch immer) aufgelistet werden sollen. Und sie sich in einer Community dann zum Spiel verabreden oder miteinander chatten können.

Anders gesagt: im globalen Netz entsteht mal wieder ein kleines Dorf zum Plaudern, zum Schwätzen und vielleicht sogar zum Kuscheln. Und wer dabei genug an Streicheleinheiten virtuell getankt hat, kann anschließend beim angebotenen Shooter-Spiel "Quake" fröhlich-verbissen seine lieben Nachbarn niedermetzeln.