Muslime - die besseren Patrioten in Deutschland

Eine Studie von Gallup und der Coexist Foundation kommt zu dem Ergebnis, dass Muslime in europäischen Ländern sich stärker mit ihrem Staat identifizieren als weitgehend angenommen wird

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Geht es nach der aktuell erschienenen, kontinenteumspannenden Gallup-Studie1, die das Verhältnis der unterschiedlich Gläubigen zueinander in Ländern weltweit auf übersichtliche Begriffe und griffige Zahlen zu bringen versucht, dann ist Deutschland zu einem beachtlichen Anteil ein Land von säkularen, verschlossenen Rechthabern (38%) , mit einem vergleichsweise kleinen Anteil an „toleranten Bürgern“ (49%) und einem geringen Anteil „integrierter Staatsbürger“ (13%) , die sich aktiv für jene Mitbürger interessieren, die aus unterschiedlichen religiösen Traditionen stammen.

In den USA (15%, 52%, 33%), in Kanada, aber auch in Frankreich (29%, 49% und 22%) und Italien sieht es besser aus, was eine menschenfreundliche, offenere Einstellung gegenüber anderen Religionen anbelangt. Nur in Großbritannien fällt der „Rechthaber“-Balken auf der Gallup-Grafik zu den "Integrated Populations" ähnlich groß aus (35 Prozent „Isolierte“) . Der schematische Darstellung der nationalen Integrationszustände liegen zum Teil etwas ungewöhnliche und vereinfachte Definitionen von „isoliert“, „tolerant“ und „integriert“ zugrunde: So heißt hier „isoliert“, dass es sich um Bürger handelt, „die wahrscheinlich keine Mitglieder irgendeiner Konfession sind und vor allem an die Wahrheit ihrer eigenen Persepektive jenseits aller übrigen glauben. Sie fühlen sich von anderen, die einer Glaubensrichtung angehören, weder respektiert noch respektieren sie sie.

„Tolerante Individuen“ haben demgegenüber eine Haltung des „Leben und Leben-Lassen“ und behandeln unterschiedliche Glaubensrichtungen mit Respekt. Im Gegensatz zu den „integrierten Personen“ wollen sie tendenziell jedoch nichts von den anderen Konfessionen lernen. Die „Integrierten“ interessieren sich dagegen aktiv für die Unterschiede in den unterschiedlichen Traditionen und sind der Überzeugung, dass die meisten Religionen eine positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten. Dass die USA, Kanada und Norwegen hier die höchsten Werte haben dürfte niemanden groß aufhorchen lassen.

Muslime als illoyale Staatsbürger?

Etwas anders sieht es bei den Ergebnissen der Studie aus, die dezidiert auf Vorurteile losteuern, die sich in den letzten Jahren deutlich herausgebildet haben. Zum Beispiel das Misstrauen gegenüber Muslimen, denen gegenüber gerne geargwöhnt wird, dass sie ihre Religion von einem loyalen Verhältnis zum (westlichen) Staat, in dem sie leben, abhält.

Nun zeigt sich in der Studie, dass die Muslime in den drei europäischen Ländern Deutschland, Frankreich und Großbritannien zwar in einer weitaus größeren Prozentzahl als die übrige Bevölkerung angegeben haben, dass sie sich „extrem“ oder „sehr“ mit ihrem Glauben identifizieren – in Deutschland (53%, in Frankreich 55% und in GB 75%) - die Allgemeinheit hat dies in allen drei Ländern gleich zu einem Prozentsatz von 23 als zutreffend angekreuzt.

Aber: die Muslime kreuzten auch öfter „extrem“ und „sehr“ an, wenn es um die Frage ging, wie sehr sie sich mit ihrem Land identifizierten - in Deutschland (40% gegenüber 32 Prozent Zustimmung der Gesamtbevölkerung) und Großbritannien (77% Muslime gegenüber 50 Prozent der „British Public“). Nur in Frankreich lag das Verhältnis bei 58% der Allgemeinheit, die sich stark mit dem Land indentifizierten, gegenüber 55 % der Muslime etwas anders.

Die andere Seite, die Einschätzung der Loyalität der Muslime durch die Bevölkerung, offenbart die Kluft: Nur 39 Prozent der Deutschen glauben, dass Muslime, die in diesem Land leben, ihm auch loyal gegenüberstehen. (Unter den deutschen Muslimen waren 71 Prozent der Überzeugung, dass Muslime in Deuschland ihrem Land gegenüber loyal sind). Unter den Franzosen sind nur 44 Prozent der Überzeugung, dass französische Muslime dem Staat gegenüber loyal sind (Von den französischen Muslims glaubten dies 80 Prozent).

Bei den Briten sind die Unterschiede noch drastischer: Nur 36 Prozent der Briten glauben, dass Muslime dem vereinigten Königreich loyal gegenüberstehen (und 49 Prozent waren vom Gegenteil überzeugt). Dagegen waren sich 82 Prozent der britischen Muslime über die Landes-Loyalität ihrer Glaubensbrüder sicher.

Mehr an guter Ausbildung interessiert

Bei der Frage nach der Bedeutung von Integration wurden drei Antwortalternativen vorgegeben: die Beherrschung der Landessprache, die Arbeitssuche und gute Ausbildung.Hier zeigte sich bei allen drei großen europäischen Ländern generell große Übereinstimmung zwischen den Einschätzungen der muslimischen Bevölkerungsgruppe und den übrigen. 97 Prozent der Bevölkerung und 96 Prozent unter den Muslimen fanden die Beherrschung des Deutschen als bedeutend für die Integration; 94 Prozent der Gesamtbevölkerung und ein genauso hoher Prozentsatz der Muslime werteten die Arbeitssuche als bedeutend für die Integration. Die Bemühung um eine bessere Ausbildung wurde von bloßen 86 % der Gesamtbevölkerung, aber von 95 % der in Deutschland lebenden Muslime als wichtig für die Integration angesehen – ein Unterschied, der doch ins Auge fällt und möglicherweise auf einen größeren Ehrgeiz in dieser Beziehung hinweist.