Nabelschnur hilft gegen Schlaganfall

Bei der AAAS in San Francisco wurden neue Forschungsergebnisse vorgestellt: Stammzellen aus Nabelschnurblut helfen, Hirnschäden zu heilen

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Bei Verschluss oder Zerreißen einer Arterie, kommt es zu einer Gehirnblutung, einem Schlaganfall. Danach leiden viele Patienten unter Hirnschäden, die zu Lähmungen und anderen starken motorischen Einschränkungen oder sogar Aphasie (Sprachverlust) führen. Langwierige Therapien oder sogar chirurgische Eingriffe sind nötig, um den Betroffenen zu helfen.

Aus der Nabelschnur kommt nun neue Hoffnung, wie Professor Paul Sanberg von der University of South Florida auf der Jahresversammlung der Tagung der American Association for the Advancement of Science berichtete. Bisher liegen ermutigende Resultate aus Versuchen mit Ratten vor und eine Behandlung von Menschen ist schon in wenigen Jahren denkbar. Neben den aus ethisch-religiösen Gründen umstrittenen Stammzellen aus Embryonen, gibt auch die Möglichkeit, sie aus dem Blut der Nabelschnur zu extrahieren. Deshalb sollte sukzessive begonnen werden, in allen Kliniken Nabelschnüre nicht mehr als post-natalen Abfall zu behandeln, sondern das Blut des Versorgungsstrangs zwischen Mutter und Kind in Blutbanken aufzubewahren.

Jeder Mensch hätte dann sozusagen ab Geburt sein eigenes Stammzellen-Reservoir im Gefrierschrank, auf das im Falle einer schweren Erkrankung zurück gegriffen werden kann. Eine Art biologische Lebensversicherung ohne ethische Bedenken. Die Zellen werden entsprechend konserviert und bei Temperaturen bis -196°C gelagert. Diese extreme Tiefkühlung verhindert biologische oder chemische Alterungsprozesse, damit die Stammzellen auch im Alter von 80 Jahren noch einwandfrei zur Verfügung stehen.

Da sich Stammzellen laufend teilen, produzieren sie ständig neue rote Blutkörperchen, Blutplättchen oder weiße Blutkörperchen, d.h. sie frischen das Blut und das Immunsystem auf. Bisher werden Stammzellen hauptsächlich aus Knochenmarkspenden gewonnen, aber die Daten der Patienten müssen weitgehendst übereinstimmen, weil sonst der Körper das fremde Gewebe abstößt. Die Abstoßungs- und Abwehrreaktionen zwingen zu einer starken Dämpfung des Immunsystems mit Medikamenten und sind risikoreich für die Schwerkranken. Selbst bei Fremdspenden sind Nabelschnur-Stammzellen sehr viel verträglicher, da ihre individuellen Merkmale noch nicht so stark ausgeprägt sind.

Prof. Sanberg behandelte die Stammzellen mit chemischen Substanzen, um sie damit in neuronale Zellen zu verwandeln, die er dann Ratten spritzte, die einen Schlaganfall erlitten hatten. Diese Zellen unterstützten nachweislich und deutlich die Regenation des geschädigten Hirngewebes. Auf der AAAS-Tagung sagte Sanberg:

Die Tiere bewegten sich entscheidend besser. Mit motorischen und neurologischen Tests konnten wir beweisen, dass innerhalb von 7-14 Tagen die behandelten Ratten sich mit einer 50%igen Verbesserung gegenüber der unbehandelten Versuchsgruppe erholten.

Darüber hinaus ersetzten die neuen Zellen die vom Schlaganfall geschädigten und halfen so beim Selbstheilungs-Prozess des Hirns.

Die Therapie-Möglichkeiten mit Stammzellen aus der Nabelschnur sind vielfältig und gleichen denen der embryonalen Stammzellen, eigene Zellen rufen im Gegensatz zu Fremdtransfusionen keine Abwehrreaktionen aus.

Nabelschnur-Transfusionen erhielten bisher hauptsächlich Blutkrebs-Patienten, seltener Personen mit angeborenen Störungen oder Knochenmarksversagen.Mediziner hoffen in Zukunft weiter erfolgreich Leukämie und Erbkrankheiten mit diesen Stammzellen bekämpfen zu können. Bisher gelangen die ungefähr 2000 Therapien weltweit zu 85%, oft bei sehr schlechter individueller Ausgangslage. In der Schweiz läuft ein Pilotprojekt im Rahmen des nationalen Forschungsprogramms zur Transplantationsmedizin, 15 Millionen Franken werden dafür eingesetzt. Die Nabelschnur-Blutbank steht in Basel und soll bald 3000 Ampullen enthalten.

In Deutschland beteiligen sich schon einige Kliniken am Aufbau von Nabelschnur-Blutbanken (Liste und Infos) Heftige Kontroversen löste die erste private Blutbank vita34 in Leipzig aus, die es seit 3 Jahren gibt. Tausende Eltern haben bereits die Stammzellen ihrer Neugeborenen dort gegen Entgeld einfrieren lassen. Kritiker werfen der Firma vor, schamlos die Ängste von Eltern auszunützen, ihre Kinder könnten später schwer erkranken. Dabei ist die Methode bisher noch zu neu, um klare Versprechungen machen zu können und die Firma bietet nur Eigenspenden an. Bei Leukämie sind Eigenspenden aber oft sinnlos, da sie die Krankheit bereits in sich tragen.

Vita34 arbeitet mit 100 Geburtskliniken aus ganz Deutschland zusammen. Rund 3000 DM kostet eine individuelle Einlagerung des Nabelschnurblutes für 20 Jahre. Trotz Kritik gibt es inzwischen ähnliche Neugründungen in Dänemark und den Niederlanden. Deutsche Krankenkassen haben in Einzelfällen begonnen, die Blutbank-Gebühren zu ersetzen. Hoffnungen auf eine Zukunft ohne tödliche Krankheiten sind eben viel Geld wert.