Nach Nizza: Trump verschiebt Vize-Vorstellung

Ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber könnte Clintons "Running Mate" werden

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Eigentlich hatte Donald Trump angekündigt, heute um 17 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit seinen "Running Mate" vorzustellen - die Person, die Vizepräsident wird, falls die Amerikaner den exzentrisch frisierten Milliardär am 8. November zum Präsidenten wählen. Und die Person, die selbst Präsident wird, wenn der Präsidenten während seiner Amtszeit stirbt, was in den USA nicht ganz unwahrscheinlich ist (vgl. Brite wollte Trump erschießen).

Nachdem ein Franko-Tunesier gestern in Nizza mit seinem Lastwagen Menschen jagte und tötete, verschob Trump jedoch den Termin. Das kann zwei Gründe haben: Es kann sein, dass er bei der Vorstellung seines Vizepräsidentschaftskandidaten die Medienaufmerksamkeit des Tages weitgehend für sich haben will. Und es ist möglich, dass er seine Wahl noch einmal überdenkt und einen Running Mate wählt, dessen Profil den Wählern ein härteres Vorgehen gegen Terror suggeriert.

Logo der Republican National Convention 2016 in Cleveland, auf der Trump und sein Running Mate zwischen dem 18. und dem 21. Juli offiziell zu Kandidaten gekürt werden sollen.

Gestern gingen die meisten US-Medien davon aus, dass sich Trump für Mike Pence, den Gouverneur von Indiana entschieden hat. Er gilt als ein strikter Gegner von Abtreibung und Schwulenehe und könnte dafür sorgen, dass religiöse Wähler im November nicht zuhause bleiben, weil sie Trump als mehrfach geschiedenen Playboy betrachten, der ihre Agenda nicht mit dem Herzen vertritt.

Zwei Tage davor wurde Newt Gingrich als Favorit für den Posten gehandelt- sein Profil gleicht allerdings eher dem Trumps. Auch Chris Christie, der Gouverneur des Bundesstaates New Jersey, schien als Bindeglied zum republikanischen Parteiestablishment noch nicht ganz aus dem Rennen, obwohl er außenpolitisch Vorstellungen hegt, die eher zur Interventionsagenda Hillary Clintons als zur Heraushaltepolitik Trumps passen.

Wird James Stavridis Clintons Vizepräsident?

Clinton könnte sich US-Medienvermutungen nach den ehemaligen NATO-Oberbefehlshaber James Stavridis als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten ausgesucht haben, mit dem sie ihren Interventionskurs unterstreichen würde. Angeblich prüft ihr Team derzeit den Lebenslauf des Pontosgriechen auf unangenehme Überraschungen, die Trumps Team im Wahlkampf entdecken und ausschlachten könnte. Offiziell schweigt ihre Wahlkampfzentrale auf Anfragen dazu. Stavridis hatte Trump im Frühjahr öffentlich vorgeworfen, die Sparpläne des Milliardärs im Militärbereich würden dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin "größte Freude" bereiten.

Die Wahl eines Vizepräsidentschaftskandidaten wie Stavridis wäre eine Absage an die Anhänger von Bernie Sanders, der am Dienstag offiziell aufgab, Clinton zur Kandidatur bei den Demokraten gratulierte, und dazu aufforderte, im November für sie zu stimmen. Politische Zugeständnisse in den Fragen, die er in das Zentrum seines Wahlkampfs stellte, scheint Clinton dafür kaum gemacht zu haben. Zumindest gab Sanders keine konkreten Versprechen ab, sondern meinte lediglich, Clinton "verstehe" die Probleme, die viele Amerikaner mit der Bildungs- und Gesundheitsfinanzierung haben.

Ob sich Sanders Anhänger damit zufrieden geben, ist fraglich: In Sozialen Medien ist die Rede vom "größten Ausverkauf jemals". Ein Teil seiner Fans wird im November wohl zuhause bleiben. Ein anderer könnte Trump wählen, der auf Twitter offensiv um Sanders-Anhänger wirbt, die seinen Worten nach für ihn stimmen sollten, wenn sie "schlechte Handelsabkommen stoppen" wollen.

Anklage vermieden, aber Glaubwürdigkeit weiter gesenkt

Diese Enttäuschung dürfte einer Gründe dafür sein, dass Trump in den letzten Umfragen zulegen konnte und nun gleichauf mit Clinton liegt. Ein anderer Grund ist Clintons-E-Mail-Affäre: Dass FBI-Chef James Comey nicht nur von einer Anklage der Ex-Präsidentengattin abzusehen empfahl, sondern bei den Ermittlungen auch ganz anders vorging als bei zahlreichen einfachen Soldaten, die "nach demselben Gesetz verhört, angeklagt und verurteilt wurden", fiel nicht nur der Chaos-Computer-Club-Sprecherin und FAZ-Kolumnistin Constanze Kurz auf.

Hinzu kam, dass der Fall die Glaubwürdigkeit der Kandidatin weiter herabsetzte: Im Bericht des FBI kann nämlich nachgelesen werden, dass Clinton "mehrere verschiedene Server" und "zahlreiche Mobilgeräte" benutzte, während sie selbst behauptet hatte, lediglich "einen einzigen Server und ein einziges Gerät verwendet zu haben". Und auch Comey musste einräumen, dass "eine ganze Reihe von Aussagen der ehemaligen Außenministerin im Benghasi-Ausschuss 'nicht wahr'" sind - darunter auch die erst kurz zuvor von ihr wiederholte Behauptung, sie habe "kein als geheim eingestuftes Material empfangen oder gesendet".

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