Nano-Gold

Im Kleinen verhält sich Gold ganz anders als im Großen. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Medizin und Chemie

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Gold wird gerade zu Höchstpreisen gehandelt, Gold ist edel – und die besten ihrer Disziplinen werden bei Meisterschaften mit Goldmedaillen geehrt, wie ganz aktuell bei den Olympischen Spielen in Peking. Gold ist ein faszinierendes Edelmetall und in winzigste Teilchen zerlegt, birgt es ganz spezielle Eigenschaften. Die Alchemisten versuchten Jahrhunderte lang vergeblich, das kostbare Metall aus anderen Materialien herzustellen. Das chemische Element Au trotzte ihren Bemühungen. Seit die Menschen Metall verarbeiten können, verwendeten sie Gold, um ganz besondere Dinge herzustellen: Schmuck, Insignien der Macht und kultische Gegenstände, die glänzten wie die Sonne. Gold symbolisiert Reichtum und der Goldrausch hat so manche ins Unglück gestürzt. Aber Gold fasziniert auch durch seine verborgenen Qualitäten.

In der Zwergenwelt der Nanotechnologie (ein Nanometer = ein Milliardstel Meter = 0,000001 mm) verhält sich Gold ganz anders als erwartet. Schon die Römer nutzten eine der verborgenen Eigenschaften des Edelmetalls, um farbiges Glas herzustellen. Das berühmteste Beispiel ist der Lykurgosbecher: Der aufwendig verzierte Glaspokal wirkt im normalen Tageslicht milchig-grün, erstrahlt aber in leuchtendem Rot, wenn man Licht hindurch scheinen lässt. In das Glas sind winzige Silber- und Goldteilchen eingearbeitet. Wird Gold in winzige Teilchen zerstoßen, dann färbt es rot oder auch blau-violett. Ein Effekt, den unsere Vorfahren zwar nicht erklären konnten, aber dennoch nutzten. Ein bekanntes Beispiel sind die tiefrot und violett strahlenden Kirchfenster alter Kathedralen, deren Glas häufig mit Goldpurpur eingefärbt war – und der verdankte seine Farbe eben jenen fein verteilten Goldpartikeln, deren Größe im Bereich weniger Nanometer liegt. Die Veränderung der Oberfläche im Verhältnis zum Volumen verändert den Charakter von Gold.

Kosmetik und Goldkrone

Längst sind Nanoprodukte in den Supermärkten angekommen, obwohl über ihre Risiken immer noch heftig debattiert wird (vgl. Nano-Ethik). Goldpartikelchen werden zum Beispiel für Kosmetik verwendet (vgl. Micro Silk Nano Gold Complex Produkte.

Nano-Gold ist ganz anders als dasselbe Material in der Makro-Welt. Dort reagiert es träge bis gar nicht. Schmuckträger schätzen das sehr, denn hochwertiges Gold läuft nicht an, sondern trotzt weitgehend ungerührt allen Umwelteinflüssen. In der Zwergenwelt offenbaren sich ganz andere goldene Beziehungen. Kürzlich veröffentlichten chinesischer Forscher im Fachblatt Angewandte Chemie eine goldene Nano-Krone. Shu-Yan Yu von der University of China in Peking und Kollegen von anderen chinesischen Universitäten ist es gelungen, ein großes ringförmiges Molekül aus 36 Goldatomen herzustellen (vgl. Au36 Crown: A Macrocyclization Directed by Metal-Metal Bonding Interaction. Die Verbindung erinnert in ihrer Form an eine Krone und besteht ausschließlich aus Gold-Gold-Bindungen. Die Wissenschaftler verwendeten als Ausgangspunkt einen Ring aus sechs Goldatomen, wovon drei jeweils zu einem Dreieck verbunden sind, dessen Spitze heraus ragt. Sechs dieser Gebilde verbanden sich anschließend über einen Selbstorganisationsprozess zu der Krone, deren Durchmesser nur wenige Nanometer beträgt. Derartige ringförmige Moleküle spielen nach Einschätzung der Forscher eine wichtige Rolle bei der Suche nach neuen funktionellen Materialien.

Eine goldene Krone aus 36 Goldatomen, Bild: Wiley-VCH 2008

Gold in der Nano-Medizin

Eine ganz andere Rolle spielen Nano-Goldpartikelchen in einem von der Europäischen Union geförderten Forschungsprogramm zur Früherkennung von Prostata-Krebs. ADONIS (Acccurate Diagnosis of prostate cancer using Optoacoustic detection of biologically functionalized gold Nanoparticles - a new Integrated biosensor System) ist eine Kooperation des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik und weiterer Forschungseinrichtungen aus Deutschland, der Schweiz, Großbritannien, Italien und Belgien.

Das Verfahren ist raffiniert: Winzige Goldteilchen werden mit einem Antikörper verbunden, der gezielt das prostataspezifische Antigen ansteuert - und so gelangen sie im Körper direkt in die von Krebs befallen Zellen. Dort funktioniert das Gold dann als Kontrastmittel, denn durch optische Anregung mittels Laser werden die Nanopartikel dazu gebracht, akustische Wellen abzugeben und ihre Position zu verraten. Der Arzt am Bildschirm kann nun durch das Ultraschallbild genau erkennen, wo der Krebs sitzt, denn im umliegenden gesunden Gewebe lassen sich die Gold-Nanos nicht nieder (vgl. Video über ADONIS).

Die Forscher zielen im Moment vor allem auf die Früherkennung ab. Jedes Jahr erkranken etwa 40.000 Männer Deutschland neu an Prostatakrebs - und je früher die Krankheit erkannt wird, umso besser stehen die Chancen einer Heilung. Die Gold-Nanoteilchen könnten künftig auch der Therapie dienen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es möglich ein wird, die Edelmetallpartikel zu erhitzen und so das Tumorgewebe ohne direkten Eingriff von Außen zu schädigen.

Winzige Goldskulpturen

In der Nanowelt reagieren Goldteilchen intensiver mit anderen Stoffen als in ihrer normalen Form. Wobei sie sehr wählerisch sind, was entscheidend von ihrer Form abhängt. Im Wissenschaftsmagazin Science berichteten jetzt Philipp Gruene vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und Kollegen aus Kanada und den Niederlanden über die Struktur ungeladener Nanopartikel aus Gold (vgl. Structures of Neutral Au7, Au19, and Au20 Clusters in the Gas Phase).

Ausgangspunkt der Forschung ist die Hoffnung, dass sich Gold-Nanopartikel als Katalysatoren bei Reaktionen in der chemischen Industrie eignen. Und dafür sind vor allem die ungeladenen Teilchen viel versprechend, deren atomare Verbindungsstrukturen bislang nicht bekannt waren. Tatsächlich ist der Unterschied zu ihren geladenen Brüdern im Zweifelsfall enorm. In der Pressemitteilung des Instituts wird das sehr schön plastisch umschrieben:

„Wer geladen ist, verändert vielleicht schon mal die Gesichtsfarbe, reißt sich aber nicht gleich einen Arm ab, um ihn als drittes Bein zu montieren. Bei manchen Molekülen ist das anders, zum Beispiel in einem Gold-Cluster mit sieben Atomen. Diese ordnen sich im geladenen Zustand anders an als im ungeladenen.“

Gizeh in der Nanowelt: Die Goldpartikel wurden auf virtuellen Wüstensand gesetzt. Ein Cluster aus sieben Atomen formt ein gleichseitiges Dreieck, an dem ein Atom als zusätzliche Ecke hängt. 20 Atome türmen sich zu einer Pyramide mit dreieckiger Grundfläche. Mit einem Atom weniger verliert die Pyramide ihre Spitze. Bild: Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft

Das Team um Philipp Gruene kombinierte ein Infrarot- und ein Massenspektrometer, um die Strukturen zu bestimmen. Untersucht wurden Cluster aus sieben, 19 und 20 Atomen. Bei den Gebilden aus 19 und 20 Atomen ergaben sich zwischen ungeladenen und geladenen keine Unterschiede, sie stapelten sich zu einer Pyramide, der mit einem Atom weniger jeweils die Spitze fehlt. Ganz anders bei der magischen Zahl Sieben: Die geladenen bildeten ein Sechseck mit einem Atom in der Mitte, die ungeladenen ein Dreieck mit zusätzlicher Ecke, wobei an jeder Kante drei Goldatome sitzen und an einer Kante zwei, die von einem weiteren überbrückt werden. "Diese Struktur bevorzugen die Goldatome in der ungeladenen Form wahrscheinlich, weil sich die Elektronen darin besser aus dem Weg gehen können", erläutert Co-Autor André Fielicke.