Napster-Fall schlägt weiter hohe Wellen

MP3-Tauschbörse zwischen Prozessen und Verhandlungen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die RIAA bereitet sich auf das nächste Verfahren vor, Napster-CEO Hank Barry sucht fieberhaft nach einem Ausweg, Senator Hatch ruft zu Verhandlungen auf, und Andreas Schmidt von Bertelsmann mimt den Rebellen.

Kaum ist das Urteil gesprochen, fiebern alle schon der nächsten Etappe der Napster-Saga entgegen. Gestern reichte die Record Industry Association of America ihren veränderten Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Napster ein. Damit soll das Unternehmen gezwungen werden, den unberechtigten Austausch copyright-geschützter Musik zu unterbinden. Allerdings verlangt die RIAA jetzt nicht mehr die komplette Schließung des Angebots. Statt dessen will man Napster dazu zwingen, zahlreiche konkrete Songs zu sperren. Damit folgt der Antrag der Entscheidung vom Montag, die ein pauschales Vorgehen gegen Napster ausschloss und die Beweislast für konkrete Copyright-Brüche den Plattenlabels zuwies. Unklar bleibt allerdings, wie Napster die Sperrung der einzelnen Songs realisieren soll. Eine Sperrung allein aufgrund der Namensgebung dürfte sich als schwierig gestalten, da diese Namen von den Usern vergeben werden. Oftmals ist ein und dasselbe Stück unter zahlreichen verschiedenen Namen verfügbar.

Wie können die Inhalte gesperrt werden?

Dieses Problem hat die Diskussion um so genannte MD-5-Hashes wieder neu entfacht. Darunter versteht man Prüfsummen, die sich zur Indentifikation von MP3-Dateien benutzen lassen. Sind zwei Songs von der gleichen CD und mit den gleichen Encoder-Einstellung ins MP3-Format umgewandelt worden, besitzen sie auch die gleiche Prüfsumme. Da ein großer Teil der Dateien in Filesharing-Netzwerken identischen Ursprungs entstammt, könnten strittige Inhalte mittels dieser Prüfsumme geblockt werden. Kritiker wenden jedoch ein, dass sich MD-5-Hashes mit ein paar Tricks ohne weiteres verändern lassen.

Der Emusic-CEO Gene Hoffmann erwartet allerdings nicht, dass eine größere Zahl von Usern sich auf solche komplizierten Dinge einlässt. Seine Firma besitzt die exklusiven Onlinevermarktungsrechte für rund 125 000 Songs diverser Indie-Labels. Bereits seit einigen Monaten überwacht Emusic das Napster-Netz, um den Austausch von MP3s der Might Be Giants und anderer Emusic-Acts zu verhindern. Dabei stützt man sich in erster Linie auf MD-5-Hashes und Song-Titel. Hoffman dazu gegenüber dem Online-Magazin Inside.com:

"Nach unserer Erfahrung ist die Wahrscheinlichkeit falscher Treffer bei einer Namenssuche sehr gering. Wenn sie [Napster] eine einfache Namenssuche machen und die Ergebnisse blockieren, erreichen sie, was wir wollen."

Senator Hatch möchte weitere Hearings zu Napster

Jenseits aller technischen Details hat sich nun US-Senator Orrin G. Hatch (siehe auch: Der seltsame Senator) zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief an den Präsidenten des US-Senats erklärt er, in den nächsten Wochen Hearings des Justizausschusses zu den aktuellen Entwicklungen um Napster veranstalten zu wollen. Hatch hatte solch ein Hearing schon vor etwa einem halben Jahr initiiert. Damals plauderte er mit Metallica-Drummer Lars Ulrich und Napster-CEO Hank Barry noch sehr locker und allgemein über die Auswirkungen des Filesharings. Jetzt sieht Hatch offenbar dringenden Bedarf, etwas konkreter zu werden:

"Mich beunruhigen die praktischen Probleme, die mit dieser Entscheidung aufkommen können."

Eine undurchdachte einstweilige Verfügung könnte immer noch die Schließung des Angebots nach sich ziehen, so Hatch. In solch einem Fall verspiele die Musikindustrie ihre Chancen, aus der großen Napster-Fangemeinde Kapital zu schlagen:

"Wenn Napster geschlossen wird und keine Online-Agebote mit Lizenzen existieren, um die Nachfrage der Konsumenten zu stillen, fürchte ich, dass diese von Napster-Clones gestillt wird, speziell von solchen wie Gnutella oder Freenet, die keinen zentralen Server und keine Geschäftsführung besitzen, mit der sich Lizenzvereinbarungen abschließen lassen."

Die Zeit für Verhandlungen sei nun gekommen. Nur so könnten Labels, Musiker und Online-Anbieter gemeinsam das Copyright sichern, sagte Hatch.

Bertelsmann: "Filesharing is here to stay."

Angeblich wird derzeit hinter den Kulissen auch mal wieder heftigst um eine Einigung zwischen Napster und den Plattenfirmen gerungen. Nach Informationen von MTV.com befindet sich Napster-CEO Hank Barry in "ernsthaften Verhandlungen" mit seinen Prozessgegnern. Damit soll nicht nur eine immer noch mögliche Schließung des Angebots verhindert werden. Napster sieht darüber hinaus im eigentlichen Prozess erhebliche Schadensersatzforderungen auf sich zukommen. Gleichzeitig machte Shawn Fanning gegenüber MTV deutlich, dass sich an den grundlegenden Prinzipien Napsters auch unter der Flagge Bertelsmanns nichts ändern werde. Man werde das Angebot keinesfalls in ein reines Download-Abo umwandeln:

"Wir werden Filesharing beibehalten. Wenn wir das ändern würden, wäre es nicht mehr Napster, und es wäre nicht mehr annähernd so wertvoll für seine User."

Man habe nicht die Absicht, den Zugang nur auf die Musik eines Labels zu beschränken. Schützenhilfe bekommt Fanning von Andreas Schmidt, dem Chef der Bertelsmann E-Commerce Group. Dieser gab sich gegenüber MTV Zielgruppen-gerecht und erklärte, was bisher nur rebellischen Gnutella-Programmierern über die Lippen ging:

"Filesharing is here to stay."