Napster bleibt vorerst online

Zweite Runde im Napster-Prozess endet ohne greifbares Ergebnis

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In einer erstaunlich kurzen Anhörung ging es gestern mal wieder um die Zukunft der Filesharing-Börse Napster. Gefragt wurde kritisch, entschieden wurde nichts - für Napster bedeutet das zumindest eine Atempause.

Die Napster-Saga erfreute sich auch in der Fortsetzung großer Beleibtheit. Angeblich herrschte ein Andrang wie beim O.J Simpson-Prozess, als Napster sich gestern in zweiter Runde vor dem U.S Court of Appeals gegen die RIAA verteidigen musste. Pressevertreter waren gebeten worden, sich mindestens drei Tage vorher zu registrieren. Für die zahlreichen Napster-Fans wurde die Anhörung extra per Video in weitere Räume des Gerichtsgebäudes übertragen.

RIAA-Präsidentin Hillary Rosen hatte den Medien vorher erklärt, der Fall habe eine emotionale Tragweite wie der des kleinen kubanischen Jungen Elian Gonzales. Während der Anhörung blieb dann allerdings gar keine Zeit für die reizvolle Überlegung, wer denn hier nun Elian, wer die Exilkubaner und wer vielleicht sogar Fidel Castro persönlich darstellen könnte. Gerade mal eine Stunde ihrer Zeit opferten die Richter jener einstweiligen Verfügung, mit der die RIAA Anfang Juli beinahe die Schließung der Filesharing-Börse erreicht hatte. Nur in letzter Sekunde konnte Napster damals seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Napster-Anwalt David Boies nutzte die ersten zwanzig Minuten, um seine Einwände gegen die angestrebte Verfügung darzulegen.

"Ist eine Datenbank ein Gerät?"

Im Zentrum seiner Argumentation stand dabei abermals das Betamax-Verfahren. 1984 war Sony vom Vorwurf frei gesprochen worden, durch den Verkauf des Betamax-Videorecorder zum Copyrightbruch beigetragen zu haben. Geht es nach Boies, läßt sich dieser Fall direkt auf Napster übertragen. Aber ist ein Videorecorder vergleichbar mit Software, Servern und Datenbanken? Richter Robert Beezer wollte es ganz genau wissen:

"Ist Napster ein Gerät oder ein Service? Ist die Datenbank ein Gerät?"

Seine Kollegin Mary Hall Patel hatte im Juli erklärt, weil Napster ein Service sei, könne man den Betamax-Fall nicht auf das Verfahren anwenden. Boies versuchte zu verdeutlichen, man könne das nicht voneinander trennen, geriet dabei aber sichtlich in Erklärungsnot. Deutlicher auftrumpfen konnte er mit Hinweisen auf legale Nutzungsmöglichkeiten des Napster-Angebots. Nach seinen Angaben haben sich bereits 20 000 Musiker beim New Artist Program des Servers registriert und damit einer Verbreitung ihrer Musik über Napster zugestimmt.

"Für Musiker, denen das Copyright egal ist"

Danach sprach Rechtsanwalt Russel Frackman für die Kläger. Er legte Wert auf die Feststellung, man wolle hier keine Technologie bekämpfen. Vielmehr gehe es um einen Business-Plan, der auf Musikpiraterie fuße. Das ganze System sei für Piraterie entworfen worden. Hier schaltete sich Richter Beezer ein:

"Nein, sie haben es für Fair Use entworfen. Sie haben es für Musiker entworfen, denen das Copyright egal ist. Wenigstens sagen sie uns das."

Frackman bestritt allerdings, dass das New Artist Program zu einem ökonomisch bedeutenden Faktor für Napster werden könnte. Das dieser noch wachsen und sich damit die Nutzung des Angebots wandeln könne, wollte er nicht gelten lasen. Vielleicht könne Naspster ja in Zukunft auch für das Human Genome Project benutzt werden, erklärte er spöttisch, doch das rechtfertige nicht die jetzt verübten Copyrightverletzungen.

Kritische Nachfragen musste sich Frackman gefallen lassen, als er Napster mit einem Content Provider verglich. Richter Beezer wollte von ihm wissen, ob Napster denn selbst Inhalte anbiete. Das konnte Frackman natürlich nur verneinen. Seiner Meinung nach erfüllt die Firma jedoch eine Art Gatekeeper-Funktion.

Von Hackensack nach Guam

Richter Beezer war damit immer noch nicht zufrieden. Ob denn die Dateien über das System ausgetauscht würden, oder von Person zu Person? Und ob man dann nicht eigentlich gegen die gesamte Internet-Architektur zu Felde ziehen müsste? Darauf sah sich Frackman zu der Feststellung genötigt, man wolle sicherlich nicht das gesamte Internet stoppen. Beezer blieb allerdings skeptisch und wollte von Frackman wissen, ob bei dieser Architektur überhaupt Kontrolle der übermittelten Inhalte möglich sei:

"Wie sollen sie wissen, was vom Computer eines Kids in Hackensack, New Jersey, nach Guam übertragen wird?"

Frackman konnte daraufhin nur einwenden, dass dies nicht möglich sei, weil Napster es nicht wolle. Auf Nachfrage der Richterin Mary M. Schroeder erklärte er außerdem, bisher habe man keine einzelnen Napster-User verklagt:

"Wir wollen keine Einzelpersonen für Napster-Nutzung ins Gefängnis bringen, wir wollen das Problem an den Wurzeln anpacken."

Punktsieg für Napster

Mit Richterin Schroeder hatte Napster sowieso Glück im Unglück. Eigentlich hatte die RIAA große Hoffnungen in sie gelegt, da sie 1996 den Eigentümer eines Flohmarktes verurteilt hatte, der den Verkauf raubgebrannter CDs auf seinem Gelände zugelassen hatte. Für Frackman eine klare Analogie zu Napster. Doch noch ehe er so richtig darauf eingehen konnte, widersprach ihm Schroeder. Der Flohmarktbesitzer habe seinen Markt genau kontrollieren können. Napster dagegen wisse nicht, was über sein System ausgetauscht werde.

Dass sich diese Erkenntnis mittlerweile bis in die Gerichtssäle herumgesprochen hat, kann Napsters Anwalt Boies als ersten Punktsieg verbuchen. Entschieden ist damit allerdings noch lange nichts. Die drei Richter machten keine Angaben dazu, wann von ihnen ein Beschluss zur einstweiligen Verfügung zu erwarten ist. Allgemein wird davon ausgegangen, dass dies in den nächsten Wochen der Fall sein wird. Bis dahin darf Napster auf jeden Fall am Netz bleiben. Die Saga geht also weiter.